Ein Kessel Buntes - Geschichten aus der Ehemaligen

  • Hervorragend!

    Ich hab mal gehört - drum nur unter Vorbehalt - dass man auf die Art wohl sogar komplette Fertigteilhäuser bestellen konnte.

    Das stimmt definitiv. Auf der Wikipedia-Seite zu Genex ist das entsprechende Katalogblatt zu sehen und wenn man mal etwas stöbern möchte...
    http://www.ddr.center/katalog/…atz_1988-seite_40_41.html


    Ich liebe ja so alten Scheiß und freue mich auch diebisch, wenn ich auf der Arbeit mal so olle Kamellen in die Hände bekomme. Habe letztens nen Werbekatalog aus 1981 gefunden und bestimmt erstmal ne Stunde drin geblättert. :D

    ich brech ab.. Wie geil ist denn diese Seite und der Inhalt bitte :D:D
    Damit ist an arbeiten bis Mittag nicht mehr zu denken :kaffee::ja:

    Gesendet von meiner gelben Telefonzelle mit Tapa-Wählscheibe :blah::blah::blah:

  • Meines Wissens mußten sich Westbesuche vorher bei der Polizeibehörde anmelden.


    Jep, Besuche wurden angemeldet und an der Grenze wurde man ja auch nochmal untersucht, hat den Zettel abgegeben und angegeben wohin man genau reist. Und dann wurden die Transitstrecken und Autobahnen überwacht...


    Für die berufliche Karriere galten Westkontakte als großes Hindernis.


    Wir waren in Karl-Marx-Stadt immer bei nem Cousin meines Vaters. Der Sohn hat beim FCK in der Jugend gespielt. Er brauchte irgendwann neue Fussballschuhe und hat den Bedarf angemeldet, da bekam er als Antwort "Da stand letztens ein Westauto bei Euch vor der Tür, wende Dich doch an den Westen" und hat keine bekommen.


    Ich liebe ja so alten Scheiß und freue mich auch diebisch, wenn ich auf der Arbeit mal so olle Kamellen in die Hände bekomme. Habe letztens nen Werbekatalog aus 1981 gefunden und bestimmt erstmal ne Stunde drin geblättert.


    Schau mal nach nem PC Katalog aus den 90ern. Das lustige ist, dass es fast identische Preise sind, RAM und HDD einfach nur mehr Kapazität haben ;)


    Besonders in Erinnerung geblieben sind mir jeweils die Grenzübergänge. Wie Menschen mit Gewehren durch den Zug laufen, wie unser Auto durchsucht und quasi auseinander genommen wurde....
    Ich war da noch ein Kind. Das sind keine schönen Erinnerungen. Ich hatte damals richtig Schiss...


    Erinnern kann ich mich nur an die Grenze auf der Autobahn, Bahnhof war ich noch in Windeln.
    Aber das war wirklich immer einschneidend auf der Reise. Kurz vor der Grenze wurden immer unsere Bücher eingesammelt und uns eingebläut, dass wir an der Grenze nichts sagen sollen. Dann waren da die Grenzanlagen, wo unsere Pässe kontrolliert und durch ein langes Laufband bewegt wurden. Wir wurden dann immer gefragt, ob wir "Schundliteratur" dabei hätten und ein paar andere Sachen wurden auch erfragt. Ins Land rein war es meist problemlos. Aus dem Land raus war schon anders. Da wurde das Auto auf Links gedreht "schrauben Sie mal die Rückbank raus".
    Grenzsicherung war schon eindrucksvoll mit den Betonsperren, die mit Druckluft hätten rausgeschossen werden können und ein Auto zerquetscht hätten, wenn einer zu schnell durch gefahren wäre. Die ganzen Grenzer mit den Gewehren und die Hunde, die besetzten Türme und Scheinwerfer...

    "Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag. Lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach"

    - Christian Drosten

  • Mangels Verwandtschaft hatte ich nie direkten Kontakt und war immer auf Erzählungen "angewiesen".
    So hatte der Vater eines Freundes am Transitübergang Rudolphstein/Hof unliebsamen Kontakt. Bei Rückreise in den Westen wurde er gefragt, wo er herkomme, und er antwortete dummerweise: "aus der Ostzone".
    Neben der Aufklärung, dass das Deutsche Demokratische Republik heiße, musste er eine stundenlange Durchsuchung seines Autos und Leibesvisitation über sich ergehen lassen.
    Das hat mich so abgeschreckt, dass ich ohne Grenzöffnung bis heute noch nicht in Berlin gewesen wäre

    After the game is in front of the game

  • Ja, die linientreuen und voll überzeugten Staatsdiener kannten da keine Gnade. Kein Wunder, dass man nach so einer Erfahrung, dann keine große Lust mehr hatte, überhaupt jemals nochmal einen Fuß in dieses Land zu setzen. Gott sei Dank gehört dieses ganze Prozedere der Vergangenheit an. Meine Tante aus Lübeck hat über solche Geschehnisse auch mehr als einmal berichtet. Sie hatte jedes Mal panische Angst, sobald sie den Grenzübergang erreichte. Dieses Gefühl fuhr immer mit. Nicht schön sowas.

  • Freut mich doch, wenn ich helfen konnte. ;) Ich habe gerade auch mal durchgeblättert und mit Erschrecken festgestellt, dass genau diese JVC-Stereoanlage Anfang der 90er in unserem Wohnzimmer stand. ;D

    Nanakorobiyaoki

  • Mit dem RG28 von deiner Omma kann man bestimmt im Notfall auch Fliesenkleber anrühren. ;D

    ...Tapetenkleister, Mörtel, Geheimmischungen für pyrotechnische Erzeugnisse und gleich danach den Kuchenteig... ;D

    Bisschen Rost an der Bratpfanne? Gibt ne besondere Geschmacksnote.

    :afi: Röstaromen.

    Drei Buchstaben, zwei Farben, eine Gemeinschaft

    Pivotechnik ist kein Verbrechen
    :drink:


    Lerne Schweigen ohne zu Platzen

  • Den gleichen Mixer hatten wir auch.. In fies grellem Orange

    Gesendet von meiner gelben Telefonzelle mit Tapa-Wählscheibe :blah::blah::blah:

  • Meine Tante aus Lübeck hat über solche Geschehnisse auch mehr als einmal berichtet. Sie hatte jedes Mal panische Angst, sobald sie den Grenzübergang erreichte. Dieses Gefühl fuhr immer mit. Nicht schön sowas.


    War bei uns eigentlich immer recht entspannt, auch wenn mein Vater alleine war wurde nur der Wagen ausgeräumt und durchgeschaut. Mein Vater war aber einmal mit einem Freund drüben, den haben sie auch einer kompletten Leibesvisitation unterzogen. Den Sinn hat niemand so recht verstanden, einen Bürger wird man nicht unter der Kleidung oder im Arsch aus dem Land raus schmuggeln...

    "Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag. Lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach"

    - Christian Drosten

  • Das war reine Schikane, Carlo. Denen ging es nur darum, den Kapitalisten einen ordentlichen Denkzettel zu verpassen. Heute will davon natürlich niemand mehr etwas wissen.


    @Störti


    Meine Großeltern hatten auch so einen Mixer (ebenfalls in Orange). Ich glaub, die gab es auch nur in der Farbe.

  • orangefarbene Mixer gab es aber auch in der BRD in den 70ern, war damals wohl Modefarbe. Vermutlich in der DDR in solchen Massen produziert, dass es bis zur Wende reichte ;)

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    - Christian Drosten

  • Da gab es auch orangefarbene Mofas von der Firma Solo bei Quelle - mein Opa hatte sowas

    Ägyptisch - oder ich schiesse

  • Den Krups 4004 habe ich noch, allerdings in weiß. Der ist auf jeden Fall deutlich über 30 Jahre alt. Gehörte zu den ersten Haushaltsanschaffungen vom selbstverdienten Geld. Brauchte ich unbedingt für den Pizzateig.

    "Was ist wichtiger," fragte großer Panda. "Der Weg oder das Ziel?" "Die Weggefährten," sagte kleiner Drache.

  • Den gleichen Mixer hatten wir auch.. In fies grellem Orange

    Bei uns war es der orangefarbene Fernseher. Ich kann mich noch gut an das Teil erinnern. :D


    Ansonsten kann ich mich weniger an die Zeit der DDR selbst als an die danach recht gut erinnern.
    Zum Beispiel war es völlig normal für mich, dass in meiner Kindheit die ganze Stadt voller Baustellen war und viele Häuser hinter Baugerüsten verborgen lagen.
    Irgendwann war auch unser Haus an der Reihe. Da wurde es vor dem Fenster plötzlich für einige Tage dunkel und durchs Fenster konnte man immer mal wieder Bauarbeiter sehen.
    Dazu kam der ohrenbetäubende Baulärm.
    Leider weiß ich nicht mehr, wie das Haus vorher aussah, aber es muss ungefähr so ausgesehen haben, wie unrenovierte Gründerzeithäuser heute noch aussehen. Besonders in Polen, Tschechien usw. hat man noch einige davon.
    Ganz am Anfang war es auch normal, dass man zur Toilette die Wohnung verlassen musste und sich auf "halbe Treppe" begab. Oder dass in regelmäßigen Kohlen ausgeladen wurden, die dann von den Hausbewohnern in den Keller geschafft wurden.
    Da habe ich auch manchmal mitgemacht, aber kaum länger als 5 Minuten, weil mir die schmutzigen Hände dann reichten.
    Den Kohlegeruch werde ich wohl nie vergessen.
    Wenn die Wärme in der Wohnung trotzdem nicht reichte, wurde im Wohnzimmer zusätzlich mit einem riesigen Kachelofen geheizt.


    Das sind alles Dinge, die während meiner ersten zehn Jahre verschwanden, aber ich vermisse sie auch nicht.


    Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, wie meine Uroma oft von "vor/nach/mit/in der Einheit" sprach, dass da Dinge so oder so waren und ich überlegte oft, ob diese ominöse "Einheit" vielleicht die Firma war, in der sie vor ihrer Zeit als Rentnerin arbeitete.
    Dann stellte ich mir oft eine Art Großraumbüro vor, in dem auch, ihren Berichten zufolge, alles Mögliche wie Telefone oder Fernseher produziert wurde.


    Eine andere frühe Erinnerung dreht sich tatsächlich um Honecker.
    Irgendwann, während eines Familienbesuchs, fand ich einen Brief in unserem Briefkasten, in dem ein mit Honeckers Bild versehenes Schreiben einen Gewinn versprach.
    Ich zeigte den Brief meinem Onkel und der meinte, auf so einen Betrüger soll ich nicht hereinfallen. :D
    Mein Vater ließ den Brief schließlich im Müll verschwinden.


    Mit typischen Nachwendeproblemen wie Arbeitslosigkeit, Enttäuschung über den realen Westen, teils Depression, Festhalten am alten System, weitere Ost-Sozialisation, usw. hatte ich nie Berührungspunkte.
    Dass es tatsächlich auch unheimlich viele Menschen gab, denen die Folgen der Wende das Leben sehr erschwerten, lernte ich erst im Geschichtsunterricht, denn das gehörte gar nicht zu meiner Lebenswahrnehmung.
    Das mag sicher daran liegen, dass meine ganze Familie froh war, dass die DDR-Diktatur endlich vorbei war, da sie teils erheblich darunter gelitten haben und alle einen eher freiheitlichen Drang hatten.
    Fast alle haben zum Beispiel die Reisefreiheit sehr schnell genutzt. Die Familie meiner Tante reiste oft nach Ägypten, mein Opa nutzte sogleich die Gelegenheit für Geschäfte in Niedersachsen, meine Oma bereiste ganz Spanien und meine Eltern waren mit mir in Frankreich.

  • @Ricardo. In der letzten Woche war ich zum Wandern im Vogtland. Unsere Strecke führte von Reichenbach über Bad Elster bis nach Breitenfeld. In den Ortschaften sind mir am meisten die großen Bürgerhäuser aus der Gründerzeit aufgefallen. Renoviert oder manchmal auch noch nicht. Die Gemeinden müssen zur damaligen Zeit richtig reich gewesen sein, um sich solche Architektur zu leisten. Wo ganze Straßenzüge im gleichen Baustil stehen, wirklich beeindruckend.

    "Was ist wichtiger," fragte großer Panda. "Der Weg oder das Ziel?" "Die Weggefährten," sagte kleiner Drache.

  • Ganz am Anfang war es auch normal, dass man zur Toilette die Wohnung verlassen musste und sich auf "halbe Treppe" begab. Oder dass in regelmäßigen Kohlen ausgeladen wurden, die dann von den Hausbewohnern in den Keller geschafft wurden.
    Da habe ich auch manchmal mitgemacht, aber kaum länger als 5 Minuten, weil mir die schmutzigen Hände dann reichten.
    Den Kohlegeruch werde ich wohl nie vergessen.
    Wenn die Wärme in der Wohnung trotzdem nicht reichte, wurde im Wohnzimmer zusätzlich mit einem riesigen Kachelofen geheizt.


    Das mit dem Abbort im Treppenhaus kenn ich auch noch. Hatte ne Grosstante von mir. Das Geburtshaus meines Vaters hatte im Wohnzimmer auch den Kachelofen, als einzige Heizung im Haus. Im Winter war es in der Stube herrlich warm und je weiter man sich von der Stube entfernte, desto kühler wurde es. Im Klo war es im Winter arschkalt.

    "Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag. Lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach"

    - Christian Drosten

  • Den Kohlegeruch werde ich wohl nie vergessen.

    Da gab es anscheinend noch andere, in der Nase bleibende Gerüche:


    Meine Frau kommt ja aus den annektierten Gebieten.
    Wir waren vor Jahren mal in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Als wir die Zimmer betraten, sagte sie, der Geruch erinnerte sie wieder an ihre Kindheit und da sagte der führende Zeitzeuge, dass das viele sagen würden. Bei dem "Duft" handelt es sich um das typische DDR-Reinigungsmittel!? @SGD-Herzblut


    Ich fand es sehr penetrant.

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