Spielberichte aus aller Welt

  • FK Metta - BFC Daugavpils 0:0


    Vor ein paar Wochen hab ich einen Städtetrip geplant und konnte als "Sahnehäubchen" diesen Kick unterbringen. Hätten die Spielpläne etwas früher gestanden hätte ich alles zwei Tage nach hinten geschoben, dann wären ein Europapokalspiel in Vilnius und eins in Riga möglich gewesen, dazu dann auch noch mit isländischer Beteiligung. So blieb es bei dem einen Kick, der dazu noch am Stadtrand zwei Stunden nach meiner Ankunft beginnen sollte. Nachdem ich mein Gepäck vom Busbahnhof zum Hotel geschleppt habe ging es wieder in die andere Richtung. Per Bus in ein Gewerbegebiet, von da aus per E-Scooter an die Daugava und den Rest zu Fuß. Hab ich alles ein wenig unterschätzt, denn angekommen bin ich ziemlich exakt fünf Minuten vor Spielbeginn um dort vier weitere Minuten mit einem Ordner zu diskutieren. Die Anwesenheit meiner Kamera stellte ein ernsthaftes Problem da. Klare Ansage: wird die Kamera rausgeholt, wirst du auch rausgeholt. Die haben doch nicht mehr alle Letten am Zaun!


    Gerade gesehen .. und rate mal, welche Truppe gestern hier zu Gast war. ;D - Aber sie mussten reichlich bluten.


    Es ging in den relativ neuen RNV Sporta Parks, der auf westlichen Daugava-Seite tief im Süden liegt. Dort hat der FK Riga Futbola Skolas sich ein eigenes Anwesen errichtet mit einer Kapazität von sage und schreibe 1737 Sitzplätzen. Und selbst in diesem putzigen Stadion blieb noch reichlich Platz trotz Derby.

    RFS ist ein junger Verein aus dem Jahr 2016, ursprünglich eine Abspaltung aus dem Jugendbereich von Skonto Riga (die ihrerseits nur von 1991 bis 2016 bestanden und da 14 Meisterschaften in Folge feiern konnten ..), die letzte Saison Meister wurden und auch diese Saison beste Chancen haben, vor Lokalrivalen FC Riga den Titel zu verteidigen.


    RFS vs Metta 5:1


    Die Anfahrt gestaltete sich schwierig. Vom Stadtzentrum gen Süden lohnt sich der abstecher zum zentralen Marktplatz (Centraltirgus), ehemalige Zeppelinhangare, die 1930 sinnvoll umgewidmet wurden). Dort gibt's Essen und gutes Bier einer lokalen Brauerei. Cayenne in einem Bier, dass quasi eine eigene Mahlzeit ist. Ansonsten lohnt dort der Uni-Turm, klassischer stalinistischer Prachtbau, so ein Teil steht auch in Warschau. Das Holocaustmuseum und eine Gedenkstätte am Platz der ehemaligen Synagoge befinden sich in unmittelbarer Nähe. Ansonsten werden die Häuser gen Süden ärmlicher und gehen in Plattenbausiedlungen über. Ein weiteres Problem ist die Überquerung einer dreispurigen, viel befahrenen Strasse, da bis zur Brücke über die Daugava exakt eine Fussgängerampel das Erreichen ohne Kamikaze ermöglicht. Auch die Brücke über die Daugava ist nicht ohne. Der Fluss ist drei Nummern größer als die Spree. Das zieht sich, aber wir sind relativ früh am Stadion und es bleibt Zeit, dass überschaubare Gelände zu erkunden.


    Die Anlage ist relativ modern, in einem Container befindet sich ein Fanshop, Kappen, Pullis und Trikots. Nur eine Sorte Schal, keine Wimpel, Nadeln oder anderen Kleinkram. Also ging der Schal mit. In einem Zelt-Pavillon nebenan wird allerlei Kram und gutes Bier feilgeboten. Dann mit Dunkelbier bewaffnet Richtung Einlass und hier wird erste Kritik fällig: die guten Kräcker im Rucksack sind nicht erlaubt, das Schweizer Messer bemerkt aber keiner. Also die Tüten ausräumen und zur Gegentribüne, die noch vollkommen leer ist. Außer uns nur einer mit Darmstadt-Shirt und diverse Aufkleber der Gegner (Bodö/Glimt) und von Hoppern (Gteinfswalder FC) entdeckt. Nach und nach füllt sich die Szenerie. Metta hat ca 15 sangesstarke Ultras und einige weitere Unterstützer am hinteren Ende, am vorderen Ende sammelt sich der Heimblock. Insgesamt sind es wohl zwischen 900 und 1000 Zuschauer, großzügig gezählt, für ein Spiel des amtierenden Meisters am Sonntag um 20:00.


    Doch das Spiel entschädigt die weite Anreise auf Schusters Rappen. Zumindest die Heimseite - die Gäste sind sichtlich überfordert und kommen kaum aus ihrer Hälfte. Schnell das 1:0 nach einer abgewehrten Ecke und einem saftigen Nachschuss von der Strafraumgrenze. Dazu noch ein abgefälschter Schuss an die Latte. Die Gäste mit dem knappen Rückstand gut bedient und doch gelingt ihnen der Ausgleich nach einem unfassbaren Bock der Gastgeber: der abgefangene Ball des Außenverteidigers will diesen wahlweise zum Keeper oder zum Verteidigerkollegen direkt an den Strafraum spielen und findet dort nur den Gästestürmer, der den Ball abfängt und mit einem Heber den Torwart überwindet.


    Doch das Glück währte nicht lange. Noch vor dem Pausentee spitzelt die bockstarke Offensive der RFS einen an sich abgelaufenen Ball am Verteidiger und dem herauseilenden Torwart vorbei in die Maschen. Da sah die Verteidigung Mettas nicht gut aus. Apropos Metta: der Support der Gäste klang eher nach "Metto". Das passt auch zum Vereinswappen, einem grünen "M", dass in der Tat wie eine Metro-Haltestelle aussieht.


    Die Überlegenheit zahlte sich weitere aus. Die Gastgeber kombinieren nach Belieben, ein saftiger Schuss schlägt flach im langen Eck ein, bis die Gäste endgültig schwindelig gespielt werden und augenscheinlich resignieren. Eine Ecke segelt quer durch den Fünfer an den langen Pfosten, wo der Bursche nur noch den Fuss hinhalten muss. Eine weitere Kombination schaufelt der Keeper noch weg, doch hinter der Linie. Danach war bald Schluss, für uns gings zum Bus Richtung Innenstadt zurück.



    Übrigens muss ich mich ausdrücklich bei Cliftonville bedanken: die schieden tatsächlich gegen FK Auda aus und die spielen diesen Donnerstag im alten Skonto-Stadion gegen irgendeine kosovarische Truppe. :yes:

  • Geil, die spielen einfach alle im gleichen Stadion. In dem Ding hatte Metta auch das Heimspiel, was ich besucht habe. :D

    Auch die Brücke über die Daugava ist nicht ohne. Der Fluss ist drei Nummern größer als die Spree.

    ;D

    Hatte ich extrem unterschätzt und meinen fahrbaren Untersatz (E-Scooter) auf der anderen Seite stehen lassen. Für „mal eben über die Brücke“ brauche ich nur meine Füße… Hat das lange gedauert!

    FK Auda (…) die spielen diesen Donnerstag im alten Skonto-Stadion gegen irgendeine kosovarische Truppe.

    Ich erwarte einen umfassenden Scouting-Bericht. Aus Gründen ist diese Partie seit gestern interessant für mich. :D

    "Chicago ist der Ort, an den Quarterbacks gehen, um zu sterben"

  • Auda ist aktuell Vierter der Liga. Die sollten als Gegner keine große Hürde sein. Ich werde berichten und hoffe, dass die da einen Fanshop mitbringen. Glaube aber nicht wirklich daran ..


    Die Webseite einmal durch den Google Translator gejagt:


    "Der 1969 gegründete Fußballverein „AUDA“ ist einer der ältesten Fußballvereine Lettlands. Der Verein entlehnte seinen heutigen Namen von einer gleichnamigen Paj-Gesellschaft – „AUDA“. In Anbetracht der Tatsache, dass Vecmilgravis ein Hafenviertel ist, war die Hauptbeschäftigung der paju-Gesellschaft „AUDA“ natürlich eng mit der Fischerei verbunden


    [...] „AUDA“ hat sich anstelle des ehemaligen Fischerkollektivs „9. Mai“ entwickelt. Die Geschichte der Mannschaft des Fußballvereins „AUDA“ ist auch weitgehend auf diesen Kolchosbau verwandt. Zum ersten Mal bewarben sich die Fußballer „9. Mai“ für Anfang der siebziger Jahre und spielten in den unteren Ligen der lettischen Meisterschaft."

  • Europapokal - Conference League


    FK Auda vs FC Drita 1:0


    Im Urlaub Europapokal live sehen - endlich hat's mal geklappt und den Verein kannte ich vorher nicht mal. Bekannter dürfte international wohl Skonto Riga sein, die allerdings schon vor acht Jahren wegen Steuerrückstände gestrichen wurden. Geblieben ist das Stadion, dass immer noch den Namen trägt, obwohl der FC Riga mittlerweile dort beheimatet ist und sein Signum bereits in die Sitzschalen gebrannt bzw geklebt hat. Dieses Stadion ist ziemlich zentral und günstig gelegen, knapp außerhalb des Innenstadtrings in der Nähe des Jugendstilviertels, wo ich noch vorher schnell letzte Souvenire erbeutet habe.


    Verkauft wurden nur Tickets für die Haupttribüne - aus gutem Grund, so wurden die knapp über Tausend Zuschauer etwas konzentriert. Der Einlass ging fix, zwei Getränke beschafft und den Fanshopstand begutachtet. Zumindest mich diesmal auf einen Pin und das Programmheft beschränkt. Im Stadion war aber auch den Fanshop des FC Riga geöffnet und deren Schal sah schon ziemlich gut aus. Aber die spielen ja nicht, also blieb es auch hier bei einem Pin.


    Ansonsten ist hier alles recht kuschlig. Im Block neben uns sammelte sich der harte Kern der Gastgeber, wir saßen oben direkt vor der VIP-Reihe. Dazwischen wurde sinnigerweise ein Geländer gebaut, das verhindert, dass man sich bei der Sitzschale zurücklehnen kann, da man dann eine Stange im Rücken hat. :stoehn:


    Zum Spiel: das Spiel muss Auda eigentlich locker mit drei, vier Toren Vorsprung gewinnen. Die Gäste sind passable Einzelspieler, aber Spielzüge und vernünftig verteidigen gehört wohl nicht zum Trainingsplan. Bei Auda stehen gleich sechs Schwarzafrikaner in der Startelf, die sich vor allem offensiv austoben, da aber in der

    Regel Einzelaktionen bringen, drei Gegner ausspielen und dann überlegen, was sie nun mit dem spielgerät so anstellen können.


    Die Gäste wagten nach Anstoß der Gastgeber einen Konter, den einer der Audaer mit Anlauf und beiden Beinen auf den Außen umgrätschte. Eine Dunkelgelbe in der ersten Minute. Respekt. Danach spielten aber nur noch die Gastgeber. Ein taktisches Foul vor der Strafraumgrenze (gibt's für sowas nicht normalerweise Gelb?) führt zum goldenen Tor per Freistoß. Der Torwart bahnschrankt aber auch reichlich träge in die kurze Ecke. Danach verpasst Auda, dass Ergebnis höher zu schrauben. Drita immerhin mit einem Kopfball über's Gehäuse, in Halbzeit zwei dann immerhin noch an die Lattenoberkante, macht zwei torschüsse im Spiel, plus einige abgefangene Flanken ein dürftiger Arbeitsnachweis der Offensive.


    Deutlich mehr dagegen von den Letten, die allerdings reihenweise Konterchancen vergaben. Falls Hannois Vorortdänen das Spiel gegen Legia noch umbiegen können, winkt in der nächsten Runde ein einfacherer Gegner.

  • Ich lebe mein ganzes Leben schon hier in Wetter, war aber noch nie bei einem Fußballspiel hier im Ort. Bei keinem der Vereine. An diesem Wochenende war ein befreundeter Groundhopper (Kaffchris, wer ihn noch kennt) hier oben und wir waren eben beim Bezirksligaspiel


    FC Wetter 10/30 - Kirchhörder SC


    Zuerst bekam ich böse Erinnerungen, weil im Stadion auf dem Harkortberg ich zu Schulzeiten immer Bundesjugendspiele machen musste. Dann haben wir uns einen Platz an der Mittellinie gesucht. Wetter hat relativ früh zwei dumme Fehler gemacht und Kirchhörde führte 3:0 nach 20 Minuten. Danach haben sie sehr das Tempo rausgenommen. Halbzeitstand war 0:3 aus Heimsicht. Wetter ist im Fußballspielen nicht wirklich gut. Vor allem nicht was die Defensive ausgeht. Nach vorne ging auch nicht viel. Ein Highlight war, dass sich ein Wetteraner mit dem Linienrichter anlegte und der dann rief "Du spielst doch auch scheiße." :D Der Linienrichter hatte aber Recht mit dem Fahne heben.


    Wetter wechselte zur Pause und dann wurde es nicht besser, aber einer der beiden Neuen konnte wirklich Fußball spielen. Hat ein paar schöne Dribblings gezeigt, zweimal wen getunnelt, aber dann doch festgestellt, dass seine Teamkollegen eher Mist sind. :D War aber bester Wetteraner. Am Ende machte Kirchhörde noch ein Elfertor und ein sehr schönes Tor nach einem Torwartfehler. Wetter hatte eine Torchance und ein Spieler musste noch vom Platz. Die zweite gelbe Karte war aber keine. Laut übereinstimmender Meinung der FC-Spieler war aber der Schiri an allem Schuld.


    Wetter war gut, Frikadellenbrötchen für 2,50 €, Eintritt 5 €. War ok.

    Interesse an Datenbanken/Statistiken zum Fußball in den Niederlanden? Einfach fragen. ;)

    2 Mal editiert, zuletzt von Lion ()

  • Bei einer 5:0 Niederlage kann Wetter nicht so gut gewesen sein.



    Hab gesehen, dass er was geplant hat, aber nicht mit dir in Verbindung gebracht.

    Du wirst koana vo UNS

    In a world of compromise....Some don’t.


    Hängt die Nazis solange es noch Grüne gibt!

  • Bei einer 5:0 Niederlage kann Wetter nicht so gut gewesen sein.



    Hab gesehen, dass er was geplant hat, aber nicht mit dir in Verbindung gebracht.

    Du meinst die letzte Zeile, ne? Da meinte ich das Wetter in Wetter. :D Also es war sonnig.

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  • Ich sitze aktuell noch an einem längeren Reisebericht aus Wien, der aber noch ein paar Tage dauern wird. Den fußballerischen Teil hab ich aber schon mal fertig und kopiere den einfach mal aus dem restlichen Kram raus, daher der etwas aus dem Zusammenhang gerissene Beginn... :D


    First Vienna FC - Rapid Wien II


    Ich musste zum Glück nur eine kurze Zeitspanne überbrücken und machte mich auf den Weg in den Norden der Stadt. Mit U-Bahn und Tram ging das relativ problemlos, aber hatte dennoch mehr Zeit gefressen als vermutet. Auch waren doch mehr Zuschauer da als erwartet („außer ein paar Idioten wie mir kommen sowieso nur 250 Leute“) und alle kamen wie ich auf den letzten Drücker. Schnell die 16€ für den Einlass hingeblättert (16€ für einen Steher! In der zweiten bergdeutschen Liga!) und die Einlasskontrolle über mich ergehen lassen, schon konnte ich von weitem das Netz wackeln sehen. Keine Minute hatte es bis zur Führung der Heim-Elf gedauert. Als ich meinen Platz ganz außen auf der Tribüne erreicht habe war der kleine Mob schon bester Stimmung. 2.100 Zuschauer waren vor Ort, wovon aber doch einige Rapidler waren, die ihre Zweitvertretung, den heutigen Gegner unterstützten. Wobei sich das mehr auf moralische Unterstützung durch Anwesenheit beschränkte, irgendwelche akustischen Akzente konnten/wollten die Gäste nicht setzen.

    Auf den Rängen und auf dem Feld dominierte gelb-blau. Wobei der kleine aktive Stimmungskern minütlich was anderes sang, irgendwie wird einfach jede Melodie verwurstet, die dort irgendwer mal irgendwo gehört hat. Wirkt manchmal ein wenig schräg, aber hat auch was.

    First Vienna ist nur die Nummer 3 der Stadt und für Rapid und Austria sportlich keine Konkurrenz. Die erfolgreiche Zeit lag in den 30ern, 40ern und 50ern, als man insgesamt sechs nationale Titel in den Norden der Stadt holte und auch einen Tschammerpokalsieg (Vorgänger vom DFB-Pokal) im Finale gegen den Luftwaffen-Sportverein Hamburg erobern konnte. Auch der Mitropapokal (Vorläufer des modernen Europapokals) konnte gewonnen werden. Mit dem Abstieg 1968 läutete man eine längere Phase als Fahrstuhlverein ein, wobei die Aufenthalte in der Bundesliga zwischen einem und fünf Jahren dauerten. Mit dem Abstieg 1992 verabschiedete man sich dauerhaft aus dem Oberhaus und verlor endgültig an Anschluss und Bedeutung. Mittlerweile ist man auf allen Ebenen abgehängt, dafür hebt sich der Verein anders deutlich ab. Spielen die beiden großen in modernen Betonbunkern ist die Hohe Warte eines der schönsten Stadien, in denen ich jemals war. Die ganze Anlage mit den Naturtribünen ist absolut einzigartig und während die Dulli-Quote in den beiden großen Szenen enorme Ausmaße hat (dazu später mehr) sieht man hier eher studentische oder alternative Leute rumlaufen. Aber auch Normalos, Familien usw., die sich aber insgesamt stark von irgendwelchen rechtspopulistischen Strömungen abgrenzen. Auch wenn ich persönlich eher zur Fraktion derer gehöre, die Politik aus der Kurve so weit wie möglich raushalten wollen; sowas wie bei First Vienna ist mir viel lieber, wenn die Option aussieht wie bei Rapid oder Austria.

    Doch zurück zum Geschehen auf den Rasen. Sportlich waren beide Teams etwa auf Augenhöhe. Vienna hatte bis dahin sieben Zähler gesammelt, Rapid zehn. Nach fünf Spielen schien es für beide schon auf Mittelfeld der Liga hinauszulaufen. Spielerisch trennte beide heute auch nicht so viel, aber die Hausherren schafften es in drei, vier Szenen die Abwehr der Gäste überraschend auszuhebeln. So auch in der neunten Minute, als nach einem Steilpass Flügelverteidiger Bauer auf der rechten Seite allen davoneilte und in der Mitte Kelvin Boateng (nein, kein Tippfehler) mustergültig bediente, der nur noch zum 2:0 einschieben musste.

    Die Tribüne explodierte aber regelrecht, als Torwart Unger (wie konnten die Eltern so versagen und ihm keinen Vornamen geben, der mit H beginnt?) in der 25. Minute einen Elfmeter von Tobias Hedl hielt. Es ist auch einfach dämlich, mitten im Anlauf zu stoppen, dann keine Idee mehr zu haben und den Ball zum Tor zu schieben. Dennoch begann damit Rapids beste Phase. In dieser fing man sich dann auch selbstverständlich das 3:0 durch Boateng in der 40. Minute nach einem Freistoß aus dem Halbfeld, inklusive wildem Gestochere um den Ball. Die zweite Halbzeit plätscherte vor sich hin. Vienna wollte nicht mehr, Rapid fehlte der Glaube daran, noch irgendwas zu reißen ohne alles schlimmer zu machen.

    Fünf Minuten vor Ende verkürzte Vincze dann aber doch noch für die Gäste, die vorausgegangene Flanke ließ der hungrige Unger im Tor aber auch ziemlich albern an sich vorbeiziehen. Für mich war das der Moment den Platz zu wechseln. Um nicht in der Tram zerTram-pelt zu werden wollte ich pünktlich zum Abpfiff raus, stellte mich also schon mal beim Ausgang an einen Aufgang zum VIP-Zelt. Als wenn ich ein Schild auf der Stirn trage wurde ich direkt von zwei Hoppern gefragt ob ich auch einen Doppler mit Admira Wacker vorhabe und das Taxi teilen will. Kurz kam ich doch ins grübeln, ließ es dann aber doch sausen, der Tag war lang und anstrengend genug, außerdem stand auch am Wochenende noch ein bisschen was auf dem Programm.


    SK Rapid Wien - Austria Wien


    Morgens ging es voller Vorfreude aus den Federn. Derby-Tag. Das Ereignis, weswegen mein Urlaub in genau dieser Zeit stattfindet. Zunächst gab es erstmal Frühstück bei meiner Schwester und grimmig-starken Kaffee, bevor ich ziemlich zeitig gen Hütteldorf aufbrach. Ein bisschen Fehlplanung meinerseits brachte mich aber reichlich früh ins Stadionumfeld, also hockte ich mich in den Schatten und beobachtete die Leute, deren Laune der nächsten Tage viel stärker an dieses Spiel gebunden sind. Endlich mal ein Derby, welches mich ergebnistechnisch völlig kalt lässt, sonst finde ich bei jedem noch so banalen Fußballspiel irgendwelche Sympathien oder – viel häufiger – Antipathien. Es reicht ein hässliches Trikot, eine nervige Fankurve, schlechtes Bier oder ein langweiliges Stadion und schon hat es sich ein Team bei mir verscherzt. Ein bisschen nostalgisch wurde ich ja schon und musste zwangsläufig daran denken, wie sehr Spiele gegen den Zonenrand früher tagelang meinen Gemütszustand beeinflusst haben...

    Hier konnte ich mich nicht dazu durchringen, irgendwem ernsthaft die Daumen zu drücken. Umso mehr ich mich mit beiden Vereinen auseinandersetzte, desto stärker wurde meine Abneigung gegen beide. In Wien kommt sowieso an erster Stelle First Vienna, dann von mir aus der Wiener Sportclub und dann eine ganze Weile gar nichts. Trotzdem hier mal eine wilde Aneinanderreihung von historischen Fakten, Halbwahrheiten und haltlosen Anschuldigungen:

    Beide Vereine stammen aus Hietzing im Westen Wiens, wobei Hütteldorf (Heimat Rapid) später zu Penzing gehörte und das benachbarte St. Veit (Heimat Austria) zu Rudolfsheim. Bevor jetzt irgendwer diese Aneinanderreihungen von Häusern googelt – das ist alles mehr oder weniger das selbe. Irgendwo tief im Westen der Stadt. Ein wichtigerer Baustein der Rivalität als die unmittelbare lokale Nähe ist aber mehr die Tatsache, dass Rapid früher der klassische Arbeiterverein war, Austria hingegen bürgerlich geprägt war, man hatte sogar einen Intelligenzparagraphen in seiner Satzung. Was auch immer man sich darunter genau vorstellen kann - vielleicht wäre dieser heute doch keine allzu verkehrte Idee…

    Dabei bekam gerade die Austria enorme Probleme als es 1938 zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich kam. Der Verein stand „unter nichtarischer Führung“, was kurzerhand dazu führte dass das Klubvermögen beschlagnahmt wurde und die Klubführung in andere Länder floh. Dem schlossen sich auch einige Spieler an, während der Rest unter dem neuen Namen SC Ostmark weitermachen durfte, wobei diese Umbenennung nur kurzzeitig bestand hat. Aber bis zum Ende der NS-Zeit hatte der FAK keine allzu große Bedeutung (immer wieder witzig, dass überraschend oft diejenigen Sympathien für nationalsozialistische Ideen haben, deren Vorfahren unter genau diesen Leuten gelitten haben), während sich Rapid mit der neuen Situation besser anfreunden konnte und 1941 der einzige deutsche Meister wurde, der nicht auf dem Gebiet der heutigen BRD gegründet wurde.

    Nach Ende des zweiten Weltkriegs dominierten die beiden Vereine den österreichischen Fußball, wobei Austria vor allem in den 60er bis 80er Jahren ein bisschen erfolgreicher war. Anfang der 70er war auch der einzig nennenswerte Zeitraum von insgesamt sieben Jahren, wo keiner von beiden den Titel holte. Ende der 90er und in den frühen 2000ern dominierte Rapid die Stadt, mit der neuen Konkurrenz durch einen Brausekonzern eines alten Fascho-Milliardärs in Salzburg waren aber beide Vereine kein Kandidat mehr für den Titel, wobei Rapid in der Zeit fast immer die Vizemeisterschaft „gewann“.

    Was die Stadien betrifft war die Situation bei beiden kompliziert, wobei das bei der Austria ein ziemlicher Euphemismus ist. Der Verein mutierte zu einer Art Wanderzirkus, der irgendwann in Wien-Favoriten im Süden der Stadt seine Heimat fand. Heute spielen beide in modernen Neubauten mit wenig Seele, wobei das Stadion in Hütteldorf von außen beeindruckender aussieht, während das Ding in Favoriten insgesamt ein bisschen mehr Charme haben dürfte.

    Aber nun zur Gegenwart und diese ist insgesamt ziemlich witzig in Österreich. Warum? Rapid ist Zweiter in der Admiral-Bundesliga (Admiral, natürlich… die österreichischen Seefahrer sind weltberühmt in Österreich), hinter dem SK Puntigamer und knapp vor dem RZ Pellets, während die Austria zwischen Red Bull und dem Cashpoint SCR auf Platz 6 dümpelt, nur drei Punkte mehr als der TSV Egger Glas. Wer die Tabelle für eine Werbeanzeige hält hat noch kein österreichisches Trikot gesehen.

    Ich saß locker anderthalb Stunden vor Anpfiff auf meinem Platz ganz oben auf der Nordtribüne, direkt gegenüber der im Süden gelegenen Westtribüne. Uhren und Kompasse gehen hier einfach ein bisschen anders. Mit der vielen Zeit konnte ich ein bisschen was von der Atmosphäre vorher aufsaugen und überteuertes Gösser in mich schütten. Weit vor Anpfiff begann dann auch „endlich“ eine endlose Aneinanderreihung verschiedenster homophober Gesänge der Heimkurve, was auch erst kurz vor Spielbeginn eingestellt wurde. Immer wieder liest man, die Rapid-Kurve wäre nur ein bisschen rechtsaußen, während die Austria-Kurve sehr weit rechtsaußen steht. Nach der anderthalbstündigen akustischen Viktor-Orbanisierung des Stadions war ich nicht sicher, ob ich diese Ansicht unterschreiben würde. Ich habe viele Fankurven in meinem Leben gesehen, aber so viel Menschenmüll auf einem Haufen hab ich wirklich lange nicht mehr gesehen. Vor allem in der Masse. Hier würden auch die „unpolitischen“ Gestalten aus Chemnitz und Cottbus noch Anschluss finden. Höhö, Anschluss. Österreich…

    Was die Heimkurve dann aber für eine Choreo hingelegt hat war schon ziemlich stark und eines Derbys absolut würdig. Davor ziehe ich dann doch mal meinen Hut! Der Gästeblock verschwand währenddessen unter violetten Folien, bevor eine ziemlich hässliche Blockfahne entrollt wurde. Von dieser hab ich leider nirgendwo wirklich annehmbare Bilder finden können und von meinem Platz aus war die Perspektive eher ungünstig. Akustisch behielt auch Rapid die Oberhand, was aber weniger daran lag, dass die Stimmung überragend gewesen wäre, aber der Gegner hätte auch Wolfsberg, Hartberg oder Altach sein können. Von Unterstützung konnte eigentlich zu gar keinem Zeitpunkt des Spiels die Rede sein. Man sah ein bisschen Bewegung im Block, hörte auch ab und zu mal ein bisschen was, aber das war zu keinem Zeitpunkt ein Auftritt, der ein Derby hätte vermuten lassen. Nie war ich heftiger von einem Mob enttäuscht als hier von Austria. Das war insgesamt ziemlich jämmerlich!

    Sportlich blieb die Partie auch erstmal hinter den Erwartungen zurück. Austria begann die ersten paar Minuten besser, wurde dann aber sehr schnell passiv und blieb in dieser Passivität fast das gesamte Spiel gefangen. In der 23. Minute wurde diese Passivität auch endlich bestraft. Flanke Auer, Kopfball Beljo, drin. Der Treffer sah so aber auch nicht unbedingt gewollt aus, aber den Hausherren war es egal. Jetzt explodierte auch endlich mal die Westtribüne und die nächsten Minuten gab es wirklich mal brachiale Stimmgewalt.

    So hatte ich mir das in etwa erhofft/vorgestellt. Auch wenn das Niveau nicht allzu lange gehalten wurde, aber hier wurde es dann doch mal ein wirkliches Derby. Vom 1:0 beflügelt taten die Hausherren auch danach deutlich mehr, blieben aber meistens ungefährlich. Erst ein paar Minuten vor dem Seitenwechsel fanden die Gäste Zugriff auf das Mittelfeld und damit auch auf das Spielgeschehen. In der letzten Minute flankte Malone dann flach in den Strafraum, wo Gruber den Ball geschickt ins lange Eck verlängerte. Ausgleich.

    Hatte ich ehrlich gesagt auch drauf gehofft. Sportlich war es mir immer noch egal, aber ich wollte von beiden Kurven Eindrücke gewinnen und jetzt waren erstmals die Gäste zu vernehmen. Nur so viel: am Stadion liegt es nicht, dass sie auf den Rängen untergegangen sind. Zwei Minuten lang dominierte Violett akustisch das Stadion. Etwas verwundert nahm ich zur Kenntnis, dass auch in meinem Block zahlreiche Gästefans vertreten waren und sich nun zu einigen Sympathiebekundungen hinreißen ließen, die aber allesamt folgenlos blieben. Erstaunlich!

    Nach der Pause verflachte das Spiel komplett. Immerhin konnte Matthias Seidl das Stadion nochmal aufwecken, als er nach einer Stunde aus der Drehung aus 14 Metern das 2:1 erzielte. Auch danach blieb Austria erstaunlich passiv und eher verhinderte Sahin-Radlinger im Tor des FAK das 3:1. In den letzten Minuten dann auch endgültig großartige Atmosphäre im Stadion, was den Gästemob offenbar ziemlich verärgerte. Mit dem Abpfiff sah ich ein bisschen Gehampel und ein oder zwei Böller detonierten. Als sich der ganze Spaß zu beruhigen schien verließ ich das Stadion um dann von außen eine Detonation nach der anderen zu hören, offenbar musste im Stadion dann doch noch ein bisschen was geklärt werden. Draußen liefen überall Polizisten mit Hunden durch Vorgärten und suchten systematisch alles ab. Keine Ahnung, was die Strategie der Polizei war, aber sie ist gründlich in die Hose gegangen. Dabei hatte man während des Spiels schon auf beiden Seiten des Gästeblocks eine Polizeikette gebildet, aber offenbar sind einige Gästefans auf die benachbarte Tribüne gestürmt und auch aus der Heimkurve fanden einige motivierte ihren Weg aufs Feld. Hierbei kam es zum Austausch einiger pyrotechnischer Artikel in gebrauchtem Zustand und sonstiger Freundlichkeiten. Generell sind da wohl einige Sicherungen durchgeschossen, durfte ich aus der U-Bahn noch einige umdekorierte Stationen bewundern.

    Nach meinem Urlaub habe ich noch zwei, drei Artikel zu den Geschehnissen gelesen, aber auch relativ schnell wieder das Interesse verloren. Es ist eigentlich wie bei uns. Sobald mal etwas passiert kommen alle reaktionären Kräfte aus der Deckung und verlangen den Polizeistaat. Der Maßnahmenkatalog kann da natürlich gar nicht dick genug sein.

    Zwar werde ich Wien sicher nochmal besuchen und dabei definitiv Fußball schauen, aber das Derby muss es dann nicht zwangsläufig sein, sondern eher noch ein, zwei kleinere Vereine. Vielleicht auch ein Heimspiel der Austria, aber das Duell ist dann doch nicht ganz an meine Erwartungen herangekommen...

    "Chicago ist der Ort, an den Quarterbacks gehen, um zu sterben"

  • An diesem Wochenende war ein befreundeter Groundhopper (Kaffchris, wer ihn noch kennt) hier oben und wir waren eben beim Bezirksligaspiel…,


    Ich bin immernoch sauer, dass der Vogel hier oben war letztes Jahr und nix gesagt hat :motzen: :bierkruege: :vogelzeigen: :shock2:

    Grüße gehen raus

    "Es muss ja niemand 'Herr Fröhling' sagen. Trainer reicht." - Weiche Trainer Fröhling möchte gesiezt werden.

  • An diesem Wochenende war ein befreundeter Groundhopper (Kaffchris, wer ihn noch kennt) hier oben und wir waren eben beim Bezirksligaspiel…,


    Ich bin immernoch sauer, dass der Vogel hier oben war letztes Jahr und nix gesagt hat :motzen: :bierkruege: :vogelzeigen: :shock2:

    Grüße gehen raus

    Richte ich aus.

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  • An diesem Wochenende war ein befreundeter Groundhopper (Kaffchris, wer ihn noch kennt) hier oben und wir waren eben beim Bezirksligaspiel…,


    Ich bin immernoch sauer, dass der Vogel hier oben war letztes Jahr und nix gesagt hat :motzen: :bierkruege: :vogelzeigen: :shock2:

    Grüße gehen raus

    Ich soll dich zurückgrüßen und sagen "Selber Vogel". :D

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  • Weniger Spielbericht, mehr Katastrophenbericht!


    Danke an den Kater für die Plattform. Ich wünschte, es wäre fotografisch erfolgreicher gewesen, damit es sich auch wirklich lohnt… |-)

    "Chicago ist der Ort, an den Quarterbacks gehen, um zu sterben"

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