• Die Normandie - raue Schönheit am Ärmelkanal

    Wir hatten unseren Normandie-Urlaub eigentlich schon im Sommer 2019 für das Frühjahr 2020 gebucht. Leider hat uns Corona letztes Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zum Glück konnten wir die Buchung auf 2021 verschieben. Dieses Jahr sollte es letztendlich klappen.

    Coronasituation vor der Reise

    Zu Reisebeginn war ganz Frankreich vom RKI als Hochinzidenzgebiet ausgewiesen, wodurch wir einige Dinge zu beachten hatten. Für die Einreise musste ein negativer PCR-Test mitgeführt werden, der nicht älter als 72 Stunden sein durfte. Außerdem galt in Frankreich von 19:00 bis 5:00 Uhr eine allgemeine Ausgangssperre, die Gastronomie hatte geschlossen. Das war uns bewusst und da wir uns im Ferienhaus selbst versorgt haben, hat es uns auch nicht so sehr gestört.

    Die Anfahrt

    Ziel unserer Reise war das Dörfchen Saint-Sauveur-Lendelin auf der Halbinsel Cotentin am Ärmelkanal. Da unser Heimatort im Landkreis Schwandorf in Ostbayern liegt, bedeutete das eine Anfahrtsstrecke von rund 1200 km. Der Tag der Anfahrt war ein Samstag, was aus unserer Sicht ein geringes Verkehrsaufkommen versprach. Zunächst musste die Entscheidung über die genaue Anfahrtsroute getroffen werden, da hier mehrere Alternativen möglich sind:


    Die mit 1188 km kürzeste Route führt zunächst auf der A6 über Nürnberg, Heilbronn, Mannheim, Saarbrücken, in Saarlouis über die Grenze und weiter über Metz, Reims, Paris, Rouen und Caen ans Ziel. Von dieser Strecke wurde uns von mehreren Seiten abgeraten, da sie durch Paris führt und dort zum einen auch am Wochenende ein hohes Verkehrsaufkommen herrscht und die Streckenführung durch Paris wohl etwas unübersichtlich ist. Aus diesem Grund haben wir auf die kürzeste Anfahrt verzichtet.


    Die Anfahrt über Nürnberg, Würzburg, Frankfurt, Köln und dann durch Belgien haben wir gleich verworfen, weil sie zum einen mit 1260 km am weitesten ist und wir aufgrund der Corona-Situation nicht mehrere Staatsgrenzen überschreiten wollten. Die in jedem Land unterschiedlichen Corona-Auflagen hätten die Sache nur unnötig verkompliziert.


    Letztendlich haben wir uns dafür entschieden, auf der A6 über Nürnberg, Mannheim, Saarbrücken und Metz zunächst der kürzesten Strecke zu folgen, dann aber bei Reims eine nördlichere Richtung einzuschlagen und über Amiens, Le Havre und Caen ans Ziel zu gelangen. Mit 1228 km war die Strecke nur ca. 40 km länger und wir konnten Paris weiträumig umfahren. Das war ein guter Kompromiss.


    Frisch gestärkt und mit vollgepacktem Auto machten wir uns früh um 5:00 Uhr auf den Weg. Da ich nicht mit viel Verkehr gerechnet hatte, wir aber unsere zwei Hunde mit auf die Reise genommen haben, hatte ich inkl. Pipi- und Kaffeepausen im Schnitt 100 km Strecke pro Stunde angepeilt, so dass ich nachmittags gegen 17:00 Uhr da sein wollte. Dieser Plan ging voll auf, um ca. 15:00 Uhr passierten wir die Pont de Normandie bei Le Havre, eine beeindruckende Hängebrücke über die Seine-Mündung, die mit 856 Metern die Brücke mit der größten Spannweite in ganz Europa ist. Um 16:45 Uhr erreichten wir schließlich nach 11 Stunden und 45 Minuten und nach 2 Tassen Kaffee und 3 Litern Cola unsere Unterkunft.


    Die Route führte fast vollständig über Autobahnen, erst ab Caen mussten wir die Autobahn verlassen, durften dann aber noch einige Kilometer auf einer zweispurigen Schnellstraße zurücklegen, bevor uns die letzten ca. 20 km über Landstraßen ans Ziel führten.


    Besonderheiten:

    • In Frankreich gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 130 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 50 innerorts. Auf gut ausgebauten und/oder manchen zweispurigen Straßen darf man manchmal auch 90 oder 110 fahren. Kurioserweise darf auf Straßen sehr oft auch 70 gefahren werden, obwohl sie durch Ortschaften führen.
    • Die meisten Autobahnen in Frankreich sind mautpflichtig. Diese sind mit der Beschilderung „peagé“ gekennzeichnet, was nichts anderes als „Maut“ bedeutet. Es gibt Stationen, an denen man ein Ticket zieht und welche, an denen man dann die Maut bezahlt. Dies geht problemlos entweder in bar oder mit Karte. An keiner einzigen Mautstation kam es zu nennenswerten Verzögerungen.
    • Die Autobahnen in Frankreich sind in einem hervorragenden Zustand. Während sich auf den 500 km in Deutschland eine Baustelle an die andere reihte, hatten wir auf 700 Autobahnkilometern in Frankreich nur zwei Baustellen.
    • Nicht an jeder Tankstelle ist wie bei uns in Deutschland Super bleifrei 95 (E5) erhältlich. Gerade auf Autobahntankstellen gab es nur Super bleifrei 95 (E10) oder Super plus 98. Im Schnitt kostet Benzin ca. 10 – 15 Cent mehr als bei uns.
    • An den meisten Tankstellen kann man nur mit Karte zahlen und zwar vor dem Tankvorgang. Mit Bargeld bekommt man dort keinen Sprit. Die Tankstellen haben normalerweise auch keinen Shop, wie man das bei uns kennt.


    Fortsetzung folgt….

    I can't breathe.

  • 10 Tage Scotland The Brave - 1. Station: Glasgow - zwischen Gotham City und Woodstock


    Erstmals nach Schottland und dann gleich eine zehntägige drei-Städte-Tour - ein Traum. Und mit Glasgow gleich eine Reiseziel als Einstieg ausgewählt, vor dem uns alle gewarnt haben. Und dann gleich drei Tage? Vom Flughafen im westlich gelegenen Paisley führt ein Bus direkt in die Innenstadt. Und der erste Eindruck ist erstmal verheerend. Über eine Stadtautobahn an eher tristen Wohn- und Gewerbegebieten führt endlich über den Clyde in's Zentrum. Auf einer tristen autobahnbrücke über eine andere Straße und überquert von einer Fußgängerbrücke (!), um sich diesen verkehrsinfrastrukturellen Brutalismus auch von oben anschauen zu können. Diese Straße führt dann direkt in die hoch und eng bebaute Innenstadt, wo sich hässliche und leerstehende 70er-Jahre-Bausünde und moderne Bankengebäude Aug' in Aug' gegenüberstehen. Erste Assoziation: Gotham. Die Szene mit Batman und der Hochbahn. Zu Fuß ging es wieder über den Clyde zurück zu usnerem Ibis (Low) Budget in der Paisley Road, nahezu legendär heruntergekommen. Zur Straße sieht man erstmal das Parkhaus und eine freistehende Fassade, die wohl das Parkhaus verdecken soll, aber selbst komplett versifft ist.


    Doch nicht unterkriegen lassen. Gepäck im Zimmer abladen und Attacke auf das Zentrum und die sicher zu entdeckenden Sehenswürdigkeiten! Über eine andere Fußgängerbrücke ging es wieder über den Clyde. Auch der dortige Stadtteil wirkt eher mau. Arm, altes ist marode und neues ist häufig wenig schön. Als wir Glasgow schon als schottisches Frankfurt/Oder abkanzeln wollten tauchte die Central Station auf. Und Leute. Und Leben. Und ein Laden mit Fish'n'Chips! Gut, die Chips sind fettleinige, blasse Fritten, aber Frau Schwester wagt sich als erstes an IRN BRU heran. Und das Zeug ist tatsächlich klasse, quasi eine Art Uludaq in orange. Und die Central Station! Ein riesiger, wunderschöner Sackbahnhof, der an den Längsseiten komplett mit ordinären Häusern und Geschäften zugebaut wurde udn daher kaum auffällt, nur die traumhafte Vorderfront erinnert an ein teures Hotel. Und endlich mal eine Fußgängerzone - die Buchanan Street ist einladend und für später auch schon Lokalitäten ausgeguckt. Das erste Bier gibt's im Grant Arms. Ein gutes Dunkel, aber der Laden zündet bei uns noch nciht. Da war doch ein anderes, schönes, ganz in der Nähe ..? Das MacSorley's wird sofort unser Anlaufpunkt für zwei Tage. Live-Musik, unfassbar freundliche Menschen und das gute Belhaven's Best aus Dunbar.


    Tags darauf ist das Old Firm und da wir unser Hotel in der Nähe des Ibrox Stadiums (rein zufällig!) gebucht haben, geht's auf einen Abstecher dorthin. Die Stimmung ist entspannt und zahlreiche Händler säumen den Weg mit allerlei Pins, Schals und dergleichen. Zwei Pins und ein Schal kommen in die Sammlung. Vier Polizei-Reiter hoch zu Ross stehen Spalier und die Pferde sind trotz der vielen Menschen ruhig. Eine einzelne Karte hätten wir erstehen können, aber nicht zwei und bei Sitzplatzstadien ist das mit festen Nummern eh schwierig. Also den Fanshop besichtigen, an der legendären Rangers-Fankneipe Louden Tavern vorbei zur nächsten Stadttour. Der Schwenk über Ibox lohnte sich auch für Claudia, denn dadurch kamen wir an den wunderschönen Glasgow Science Centre und nördlichn des Clyde am Amardillo vorbei, einer Konzerthalle in Form eines Gürteltiers.

    Ziel war der Kelvingrove Park und eher zufällig entdeckten wir das phantastische Gelände der University of Glasgow. Auf einem Hügel gelegen und im Süden mit einem wunderschönen Park umgeben ging es an bettelnden Eichhörnchen vorbei zur Uni und zum Kelvingrove-Museum. dort allerdings nur in den Shop, um schöne Wohnungsdeko im Mackintosh-Design zu beschaffen. Die gesamte Gegend wirkt studentisch und an der Stewart Memorial Fountain im gut besuchten Park feirte eine Horde Afro-Damen anscheinend einen Geburtstag und sorgten mit einer Gesangseinlage für Unterhaltung. Vo da ging's in die Innenstadt zum Theatre Royal Glasgow (sieht wieder nach schlimmen 70ern aus) und zum MacSorley's.

    Für den letzten Glasgow-Tag hatten wir uns die St. Mungo - Kathedrale ausgeguckt. stattliche 800 Jahre alt. Auf dem Weg dahin entdeckten wir eher zufällig einen Mackintosh-Shop. Charles Rennie Mackintosh war ein Wegbereiter der Glasgow School und nahm vieles vorweg, was Gropius in seinem Bauhaus dann großflächig berühmt machte. An den Laden angeschlossen war ein Museum und der Nachbau eines von Mackintosh entworfenen Lokal: dem Willow Tea Room. Britischer kann es nicht mehr werden. Und von außen kaum zu erkennen, dieses Kleinod.

    Danach ging es zu der imposanten Kathedrale. Direkt dahinter liegt die alte Nekropole. Es geht über Serpentinen den Gräberhügel hinauf, der einen schönen Blick auf stadt und St. Mungo bietet. Unbedingt machen - und sich beeilen, denn die schließen früh. Abschließend ging es zur Brauerei-Besichtung der lokalen Marke Tennent's. Als Tasmania-Freund ist das markante "T" ohnehin großartig. Der Eingang ist allerdings schwer zu finden. Man kann die Brauerei für 18 Pfund besichtigen oder wahlweise das Brauereimudeum kostenlos und bezahlt das Bier dann in der hauseigenen Bar selbst. Das Museum reicht vollkommen und oben das gute Gesöff verköstigt. Obacht: das Scotch Ale hat stolze 9%!

    Zum Abschluss ging es wieder zu unserem Hotel südlich des Clyde und zu einem Absacker in der schönen Viceroy Bar in der Nähe. Auffällig: in allen Bars sind zahlreiche Bildschirme installiert. Und dort läuft dann Sport. Beziehungsweise: Golf. In einem Pub. Kommentiert mit sonorer Stimme. Irre. Doch nciht zu lange machen, denn am nächsten Tag wollten wir direkt weiter nach Stirling ...

  • 10 Tage Scotland The Brave - 2. Station: Stirling


    Ursprünglich war nur geplant, Glasgow und Edinburgh zu bereisen. Eher zufällig entschieden wir uns zu einer Zwischenstation - die Wahl fiel auf Stirling. Eine hervorragende Entscheidung, denn das Städtchen liegt nicht nur günstig zwischen den beiden Metropolen (ca. 45 Minuten per Bahn), sondern bietet auch viel Historie dem geneigten Besucher.

    Der putzige Bahnhof liegt nah der Stadtmitte und unsere Unterkunft, das "Golden Lion" war einen Katzensprung entfernt. An einem wirklich großartigen Weihnachtsladen vorbei (ganzjährig geöffnet!) ging es nördlich bergauf Richtung Schloss - das Stirling Castle ist eine nationale Berühmtheit, doch Pustekuchen. Durch einen Filmdreh war das Schloss leider für Besucher gesperrt, der darunter liegende Friedhof war aber erstmal ein Ersatz. Danach die strategische Grundsatzfrage: nördlich aus der Stadt heraus Richtung Stirling Bridge und dem William Wallace-Memorial oder ganz an das andere Ende am südlichsten Punkt zum Schlachtfeld Bannockburn mit entsprechender Gedenkstätte?

    Wir entschieden uns für Ersteres, laut der komoot-App liegt das Memorial schlappe 3,5 Kilometer entfernt. Dabei kommt man an der besagten Stirling Bridge vorbei - einem Nachbau aus dem 15. Jahrhundert, nachdem William Wallace 1297 die mittelalterliche Holzbrücke bei durchmarschierendem englischen Truppen zerstören ließ und das englische Heer so teilte und besiegte. Schwer leserliche Steintafeln geben etwas Informationen. Durch einen Vorort zieht sich der Weg und ich musste zugeben, dass wir noch einen Berg hochmüssen, um zum Besucherzentrum zu gelangen. Die Wander-App verschwieg gottseidank noch ein paar Meter. Hier kraxelt man nämlich noch einige Höhenmeter stramm bergauf durch den Wald zur einer alten Abtei, wo Mitte des 19. Jahrhunderts ein Turm mit Aussichtsplattform zu Ehren William Wallace errichtet wurde. Wer also den Weg nach oben geschafft hat, muss nun nur noch die sehr enge Wendeltreppe überstehen. Wer schon alte Kirchtürme bestiegen hat, sollte ein ungefähres Bild vor Augen haben. Auf drei kommenden Etagen ist jeweils ein Austellungsraum, bis man ganz oben ist. Es ist sehr zugig, aber der Ausblick ist schon phantastisch.


    Anschließend wieder zurück in das Städtchen und die Altstadt bewundert. Zur Abwechslung gibt es noch ein Denkmal von Rob Roy, der einige Jahrhunderte nach Wallace sein Unwesen trieb. Tags darauf sollte es dann Richung Edinburgh weitergehen, doch vorher schnell in den Weihnachtsladen und danach noch ein Anlauf beim Castle - das war nur leider ausgebucht. Ärgerlich, aber dann gibt es noch einen weiteren Grund, nach Stirling zurückzukehren. Ein schöner Ort!

  • Catania - die 'Schwarze Stadt'


    Catania an der Ostküste Siziliens bietet Reisenden mehrere Vorteile. Einen Flughafen am südlichen Ende der Stadt, der von von Berlin aus direkt angesteuert wird, die unmittelbare Nähe zum Ätna und eine Anbindung an das spärliche Eisenbahnnetz, wodurch Reisen nach Syrakus und Taormina oder Messina problemlos möglich sind.

    Der Name rührt offiziell von dem schwarzen Lavagestein, auf und mit dem die Stadt gebaut wurde - insbesonderere das Pflaster der Nebenstrassen. Inoffiziell aber sicher auch wegen des Drecks und dem Smog. Von den breiteren Hauptstraßen abgesehen sind die Straßen eng und knapp bemessen, von Bürgersteigen ganz zu schweigen, zudem wird im Kerngebiet hoch gebaut. Und in diesem Gewirr lauern verbeulte Kleinwagen und Mopeds hinter jeder Kurve. Vermutlich wegen der schmalen oder wie gesagt nicht vorhandenen Bürgersteige gibt's auch kaum Mülltonnen, für die gar kein Platz wäre - der Müll wird einfach in Plastiktagen nach Abholkalender auf die Straße gelegt und Abends abgeholt. Rollatoren, Kinderwagen und Fahrräder haben's schwer und sind so gut wie nciht zu finden.


    Obwohl die Stadt direkt am Meer liegt, ist baden schwierig. Das liegt an dem "Strand" aus Lavasteinen. Und selbst zu dem gelangt man nicht ohne Weiteres, nördlich des Hafengeländes liegt zwischen Küste und Stadt der Schienenstrang als Barriere, zudem eine wichtige Verkehrsachse, so dass die Luft dort bei Wärme zum Schneiden ist und mir selbige tatsächlich wegblieb, als wir den Hafen erkunden wollten. Sowas hatte ich noch nie erlebt, ob wohl ich die ersten Lebensjahre im Land der Braunkohle und des Zweitakters verlebte. Sandstrände gibt's weiter südlich, gut erreichbar muss man mit dem Steinstrand Vorlieb nehmen oder sich in die wenigen Nischen mit schwarzem Sand legen.

    Apropos "Lavagestein": die heutige Küstenlinie "verdankt" Catania einem heftigen Ätna-Ausbruch 1669, bei dem die Lava um die Standmauer herum floss und das Meer auffüllte und die Wasserlinie immerhin zwei Kilometer weiter nach Osten verlagerte. Die sehenswerte Stauferburg Castello Ursino lag beim Bau im 13. Jahrhundert an der Küste und nun südlich der Innenstadt ..


    Die Stadt wurde beim besagten Vulkanausbruch und keine 30 Jahre später bei einem Erdbeben nahezu vollständig zerstört. Wenn Naturgewalten mal Ruhe geben, legen die zahlreich wechselnden Eroberer Hand an, zuletzt 1943. Allerdings war früher nicht alles schlecht. Hinter einer unscheinbaren Häuderfassade verbirgt sich im Innenhof ein 2.700 Jahre altes Amphietheater. Absolut irre. Die Reste einer 16.000 - Zuschauer-Arena lassen sich in der Mitte bewundern. Die in Nord-Süd-Ausrichtung gebaute zentrale Straße "Via Etnea" ist natürlich dem Vulkan gewidmet, sorgte das Ungetüm doch schließlich für tabula rasa und Platz zum Neuaufbau. Der Universitätsplatz liegt nördlich des feinen Piazza Duomo mit dem Elephantendenkmal. Der Dom und die Abteikirche St. Agata mitsamt Kuppel sind ein würdiger Mittelpunkt der Stadt.


    Ebenfalls sehenswert ist das Benediktinerkloster westlich des Platzes, immerhin die größte Klosteranage Siziliens und beherbergt heute die Uni. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich neidisch war, wenn ich meine Alma Mater mit dem schnöden Nachkriegszweckbauten denke.


    Insgesamt wirkt die außer den wenigen touristischen Hotspots relativ arm. Ruinen vegetieren vor sich hin, ist ein Ort dermaßen kaputt wie manche Badeplattformen oder Spielplätze an der Küste, werden diese notdürftig abgesperrt und nebenan neu gebaut. Kurios ist auch der Mussolini-Kult für Besucher. Ein Touri-Shop bot neben den üblichen Stadtmotiven auch Magnete mit dem Konterfei des Duce an - direkt neben Che Guevara. Selbst zentrale gelegene Shops bieten allerlei Nippes aus Lavagestein an, darunter aber auch Büsten Mussolinis. Bei den vielen Shops am Ätna waren diese eher in die hintere Ecke sortiert, aber präsent. Straßen waren auch nach Gabriele D'Annunzio benannt.


    Relativ unvermittelt stößt die Via de la Finanza (!) arglose Besucher statt einem mondänen Bankenviertel in eine Abbruchhäusergegend. Bei Google sieht man, dass dort überall die Dächer eingestürzt sind (!) - und trotzdem weiter in Gebrauch sind. Ältere, bärbeissige Damen auf Plastikstühlen halten Wacht an diesem vermeintlichen Geisterorten. Die Via Buda ist eine winzige Gasse mit vermauerten Fenstern, Häusern direkt auf mannshohen Vulkangeröllüberbleibseln gebaut und Afrikanern, die recht überrascht, aber teilnahmslos auf die verirrten Teutonen reagierten. Die Bursche, der vollgedröhnt auf einer gammligen Couch seinen Trip oder Rausch ausschlief war ohnehin nicht mehr ansprechbar. Und das alles nur, um einen Laden in der nächsten Straße zu erreichen ..

  • Sizilien II - Syrakus & Taormina


    Catania hat zwar mehrere Bahnhöfe, aber nur am Hauptbahnhof hält auch wirklich alles. Für eine 300.000-Einwohner-Stadt ist das Gebäude zwar passend, aber die wenigen Gleise und vor allem der überschaubare Fahrplan relativ wenig. Aufzüge und Rolltreppen sucht man vergebens, dafür geht's am Schalter relativ fix und problemlos. Italienische Gelassenheit gibt's aber nicht, die Kontrolleure können genauso pedantisch sein wie in den vermeintlich überkorrekten Ländern.


    -> Syrakus

    Knapp siebzig Minuten die Küste entlang nach Süden gondelte die Bahn, vorbei an Ruinen am Wegesrand und einem größeren Chemiewerk, Lukoil hat hier eine Raffinerie. Erinnert etwas an Leuna früher. Die Stadt entschädigt aber für alles und bildet einen interessanten Gegenpol zu Catania. Die alte Zentrale Siziliens hat stolze 2.700 Jahre auf dem Buckel und war in der Antike kurioserweise doppelt so bevölkerungsreich wie heute, wo nur noch etwas über 100.000 dort wohnen. Neben der Kernstadt bildet eine vorgelagerte Insel das kulturelle und touristische Zentrum. Diese ist über zwei parallele Brücken mit dem Festland verbunden und dazwischen wurde das Denkmal des Archimedes platziert, dem wohl bekanntesten Sohn der Stadt, der sein Leben bei der Eroberung durch die Römer ließ.

    Die Stadt ist wirklich schön, aber auch mit entsprechendem Touristennepp. Lokale nehmen schnell die Getränkebestellung an, dann fiel ihnen ein, dass es nur ein paar Gerichte gibt - wenigstens eine Pizza für den Zwerk und eine Vorspeise, dafür war die Rechnung höher als ein vollständig gedeckter Tisch in Catania. Sei's drum, das Straßengewirr der Insel entschädigt und eine Süsswasserquelle wenige Meter vom Mittelmeer entfernt (!) entschädigt. Die Festung am südlichen Ende kann man sich sparen, aber ist auch kein Reinfall. Die Panacotta und das Tiramisu in einem nahen Cafe ein Gedicht.

    Ganz passt das Saubermannimage allerdings nicht. Zwar fand ich diesmal keinen Duce als Magnet oder Büste, doch prangte ein leicht abgeblättertes Zitat mit Namensnennung an einer alten Häuserwand. Zudem erstand ich dort den Penismagneten von Catania Calcio (gab auch Lazio oder die Mailänder Teams zur Auswahl). Leider war der einzige Magnet des lokalen Siracusa Calcio 1924 von derart mieser Qualität, dass ich den schweren Herzens hängen ließ.


    Es hat uns recht gut gefallen, also ging es Sonntags gleich noch mal hin. Da Catania während meines Aufenthalts nur auswärts spielte, bot sich Messina oder Syrakus an. Bei letzterem liegt das Stadion günstigerweise direkt im Stadtgebiet und keine zwanzig Minuten vom Bahnhof entfernt. Und das Kerngebiet des Festlands hatten wir nicht gesehen. Die kuriose Kegelkirche und den knappen Strandabschnitt zum Sprung in's Mittelmeer genutzt, danach ging es in's Stadion.


    Stolze sieben Tore fielen beim 6:1 des Gastgebers gegen San Luca in der Serie D. Ein schönes Stadion mit einer halben Haupttribüne, die andere Hälfte gab's eine abenteuerliche Stahlrohrtribüne, ebenso der Hintertorblock für die Ultras, die ordentlichen Rabatz machten. Karten kann man online oder in Cafes ordern, direkt um's Eck liegt die Bar Serafino, die mit feinem Gebäck, Kaffee und einem älteren Herren mit Tickets aufwartet. Vor spielbeginn sammelt sich dort der harte Kern und zieht dann zum Hauptportal. Mit der üblichen Orientierungslosigkeit einfach vorne direkt bei den Ordnern nach dem richtigen Block gefragt und einfach hineingelotst, ohne anstehen zu müssen. Drinnen gibt es übrigens exakt ein Lokal mit doppelt besetzem Tresen. Für alle. Und das übliche breite Grinsen, wenn ich arglos nach Bier frage. Also doch nur eine Cola. Es ist schlimm. Obendrein gibt es keinerlei Fanshop, weder in der Bar oder im Stadion. Also Hopperpunkt, aber kein Mitbringsel.


    Postkuriositäten

    Somit ging es ohne Fußballsouvenirs, aber wenigstens mit schönen Postkarten zurück. Für die braucht es bekanntlich Briefmarken und die gab es in einem der vielen Touristenläden. Beim näheren Inspizieren im Zug später fiel mir erst auf, dass auf der Rückseite des Bogens der Hinweis gedruckt steht, dass diese nicht in die roten Briefkästen der Posta Italiana zu werfen sei. Es handelt sich um ein privates Unternehmen mit orangenen Briefkästen, die es bei solchen Shops gibt. Nur eben nicht in Catania ..


    Also doch offizelle Briefmarken gesucht. Nahe der Innenstadt wurde eine Postfiliale angezeigt, also nix wie hin. aber gemächlich - ähnlich wie bei der deutschen Postbank ist dort Geld und Post parallel untergebracht und das nervige Schiebetürenschleusensystem mit gefühlt einem Viertelquadratmeter Platz nix für Leute mit Hummeln im Hintern. Drinnen: kein Nummernsystem? Mehrere Schalter, zwei davon besetzt, aber ohne Kundschaft. Zwei Kunden warten hingegen mit eintsprechender Nummer. Beide können kein Englisch, weisen aber auf ein Panel, wo man sich durch ein italienisches Menü quält und man sein genaues Anliegen auswählen muss - nur um dann auch nur eine lapidare Nummer zu ziehen .. :stoehn:


    Irgendwann wurden die anderen beiden auch mal aufgerufen, wurden eher semi-schnell bearbeitet und nach einer weiteren Wartezeit war ich endlich mal dran. Aus Erfahrung klug geworden einfach mein Pidgin-Italienisch in den Raum geworfen, schwer ist ja nicht, wenn man sich in einer Post befindet und eine unfrankierte Postkarte in der Hand hält. "Due stampa for una post card to Germania." - als Antwort erfolgte ein wütender Redeschwall des schrägen Typen auf der anderen Seite des Schalters. Ich verstand nur "in Italia" und "Sicilia".

    - "English ok?"

    Das Gesicht des Postbeamten klarte augenblicklich auf und mit passablen Englisch willigte er ein und fragte gleich. ob ich Brite sei. Die Antwort überraschte ihn und er wollte gleich wissen, warum man in Deutschland gutes Englisch lernt. In der Schule? Der Verweis auf Filme und Serien mit Untertitel überzeugte ihn noch nicht wirklich.Nun war er dran: er berichtete von seiner Frau, halb Sizilianerin, halb Hamburgerin und seiner Meinung aus "Eisen". Anscheinend eine lokale Umshreibung einer gebieterischen Person. Und sie triezt ihn wohl sehr. Sein Ratschlag: niemals heiraten!

    Irgendwann durfte ich dann auch mein Anliegen schildern: eine Marke für die Postkarte, eine weitere separat zum Mitnehmen. Er verschwand mit der Karte hinter der Wand und musste erstmal alles bisher Besprochene mit seinen Kollegen teilen. Nach geraumer Zeit tauchte er dann mit der frankierten Postkarte auf. Aber ohne die mehrfach erwähnte zusätzliche Marke. Also noch mal hinter die Wand. Wieder warten. Irgendwann kam er auch mit der zweiten Marke wieder. Das abgezählte Geld lag schon bereit, doch halt! Erstmal was in den Computer eintippen und ein DIN A4 - Formular ausdrucken. Mit zwei Zeilen. Der Beleg für zwei Briefmarken im Wert von insgesamt 2,60. Unfassbar.

    Zurück zu meiner wartenden Schwester, die zwischenzeitlich von jemanden auf Italienisch was gefragt wurde, zu erkennen gab, dass sie die Sprache nicht spricht und daraufhin deswegen Beschimpft worden. Dass sie die Sprache nicht spricht. In der Sprache, die sie nicht spricht. Anscheinend hatten die Kloppis gerade Freigang an dem Tag.


    Und wofür die separate Briefmarke? Die andere Schwester wollte auch noch eine Postkarte schreiben. Eine entsprechende Karte zu erwerben fiel ihr allerdings auch erst in unserer Vorstadt ein, wo es keine Touri-Läden gibt - und einen Tag vor Abflug. Morgens am Flughafen sie noch daran erinnert und auf den einzigen Laden in der Wartehalle mit Postkarten verwiesen. Der habe ihr irgendwelche Marken aufschwatzen wollen. Meine Marke draufgeklebt. Sie kommt mit der Karte zurück und meinte sauer, dass die Marke nicht akzeptiert sei, es wäre irgendwas privates .. und siehe da, vor dem Laden war wieder einer diesen orangenen Briefkästen. Also kam zumindest eine noch zum Einsatz.


    Taormina

    Neben Syrakus und dem Ätna stand auch Taormina auf dem Programm. Rund eine Dreiviertelstunde nordwärts mit dem Zug Richtung Messina. Taormina wird in allen Reiseführern genannt, da es eine wunderschöne Stadt hoch droben auf den Bergen mit phantastischen Blick auf auf das Meer und die Felsen. Klingt in der Tat richtig gut. Haken: der Bahnhof liegt etwa auf Strandhöhe. Hoch fahren nur Busse und die erwähnt spärlichen Zugverbindungen lassen wenig Spielraum. Der Busfahrer ist (maul-)faul, auer beim Meckern und nur Mühe und Schimpfen öffnet er die Seitenklappe, um den Kinderwagen zu verstauen. Über Serpentinen dauert es eine Weile, bis man oben ist.

    Und oben ist von der malerischen Stadt nur partiell etwas zu sehen. Es gibt sie schon, aber Horden von Reisegruppen stehen vor allen Sehenswürdigkeiten und auf unseren Füssen. Glücklicherweise dient das Fähnchen oder der Schirm des Brigadeführers als Warnsignal und dahinter tapsen genauso genervte Gruppen vorbei. Vermutlich gibt es mehr Erkennungsstandarten der Touristikbranche als weiland auf Parteitagen des Duce, der hier allerdings mal nicht sein Unwesen in den Nippesläden trieb.


    Coperto

    Es wäre also wirklich schön, wenn es nicht so voll wäre. Die Restaurants waren ebens überlaufen und teuer, doch etwas abseits gab's ein kleines Lokal mit wenigen Plätzen. Wir waren die ersten Gäste und nur zögerlich kamen andere nach. Das Essen war hervorragend, aber sehr kleine Portionen zu einem relativ hohen Preis. Und die dreisteste Abzocke beim Thema Coperto. Dies ist kein Trinkgeld, sondern ist eine Art Servicezulage, die eben nicht für die Angestellten angedacht isz, sondern dem Betreiber in die Tasche fließt. Bestellten wir zunächst immer eine Flasche Wasser zum Essen, so zahlten wir die für Flasche und die Anzahl der benutzten Gläser. Also nur ein richtiges Getränk und die Gläser demonstrativ weggestellt - wie von Zauberhand verringerte sich der Betrag oder wurde kleinlaut korrigiert. Dafür gab's aber eben auch Trinkgeld an die Mitarbeiter. Hier hingegen setzte es nicht nur eine saftige Rechnung, sondern auch eine saftiges Aufgeld. Fazit: die Stadt ist malerisch, aber man wird ziemlich abgezogen.

    Höhepunkt dann der Versuch, mit einem Taxi zurück zum Bahnhof zu kommen. Laut dem Taxifahrer ist ein Mercedes-Kleinbus (!) zu klein für drei Erwachsene, einen Zwerg und einen zusammenklappbaren Kinderwagen. Achtung, Kunde droht mit Auftrag! In Deckung!

    Also doch Bus. Und siehe da: der hatte die Seitenklappe offen, es ging absolut problemlos. Nur hatte dann der Zug geraume Zeit Verspätung und dass sich die größte Nervensäge des Zuges natürlich genau neben uns platzierte, um uns mit lautem Gebell in ihr pinkes Handy und dem lauten Tablet für ihren vernachlässigten Sohn zu unterhalten. Passte perfekt zu dieser leider misslungenen Tour.

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