Irgendwo in nem bedeutungslosen Kuhkaff kurz vor Sinsheim greift an ner Bushaltestelle, die stattliche dreimal am Tag angefahren wird, ein aufgeregter Mann zum Telefon und wählt die Notrufnummer der örtlichen Freunde und Helfer. "Isch da die Polizei? Legt euer Seitenbacher-Müsli bitte mal zur Seite und kommt mit allen verfügbaren Kräften vorbei...die wollen hier...es ist dringend...woischt?!" Eine Maschinerie kommt in Gang und selbst aus der Landeshauptstadt setzen sich zähnefletschende und zu allem bereite Truppen in Bewegung, in ihrem Schlepptau aufs Armaturenbrett des Daimler sabbernde Reporterazubis mit der Aussicht auf DIE Schlagzeile. Der eine oder andere Staatsanwalt kauft derweile frischen Schampus ein, ein kurzes Telefonat hat ihn prompt dazu ermuntert. In Stuttgart ist in der Zwischenzeit die dynamische Reisegruppe in ordentlicher Mannschaftsstärke eingetroffen und viele von ihnen klingen, als hätten sie mit Reißzwecken gegurgelt, die eiskalte Berliner Luft vom Mittwoch fordert im Nachgang ihren Tribut...
Wie geht man an so ein Spiel nach so nem Wahnsinns-Pokalerlebnis ran? Niedergeschlagen? Desillusioniert? Hoffnungslos? Nee - offensiv! Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Endlich, endlich, endlich wieder eine Doppelspitze, endlich wieder Zug nach vorne. Und lieber Christian Fiel: Bitte keine größeren Experimente mehr diesbezüglich, wir habens gesehn, du hasts gesehn, die Mannschaft hats umgesetzt - nur so funktionierts bei uns. Bielefeld is Geschichte, Hertha is Geschichte, aus beiden Spielen sollten die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Am Mittwoch haben wir Dynamos aufm Platz erlebt, die sich aufgeopfert haben, die gekämpft haben, die Willen gezeigt haben und damit bis zum leider bitteren Ende auch Erfolg hatten. Wohlgemerkt gegen einen Erstligisten, wohlgemerkt auswärts! Bei allen müden Knochen und auch trotz des Umstandes einer sehr begrenzten Regenerierungsphase, auch am Sonntag gilt - Einsatz zeigen, den Kampf annnehmen und Mut beweisen. Einfach die guten Eindrücke vom Mittwoch mitnehmen und im Liga-Alltag auf die Platte bringen. Egal, welcher Gegner uns da vor die Flinte kommt, wir sind Dynamo!
Und der Gegner ... ein größeres Loch zwischen Anspruch und Wirklichkeit, ein Möchtegern-Großer und doch immer wieder und immer öfter zurechtgestutzter Gegner. Letztes Wochenende wurden ihnen im Daimler 6 alte, stinkende Fische im Tank versenkt, der Pokalerfolg an gleicher Stelle paar Tage später verdeckt das nun wieder etwas. So richtig kommen sie erst jetzt in dieser Liga an und haben trotz der spielerischen Möglichkeiten eigentlich die gleiche Aufgabe wie wir - sich den Gegebenheiten anzupassen, zu kämpfen, die um Auf- und wir gegen den Abstieg. Mal sehn, wer diesen Kampf besser annimmt und verinnerlicht. Wir haben eigentlich keine Chance, die hatten wir objektiv betrachtet auch in Berlin nicht. Aber auch Stuttgart sollte sich warm anziehn...
Währenddessen treffen die ersten Streifenwagen an jener Haltestelle ein und die Spurensicherung kratzt zwei Aufkleber vom Fahrplankasten, zwei Beamte klettern auf ne mitgebrachte Aluleiter und entfernen ein aufgehängtes Bettlaken vom Haltestellendach. Drauf steht "Hior, Kolleechn im Fahrzeuchmuseum - iohr habt eene Stunde Zeit, uns den Trabi zeriggzegähm!!!" Die eingetroffenen Reporter fotographieren sich in Ekstase, einer nässt sich dabei ein und alles ist in bester Ordnung.
Nee, war alles nur Spaß - natürlich sind se wieder alle in Stuttgart, natürlich wieder mit dem gleichen runtergezogenen Visier, natürlich wieder mit den gleichen Weltuntergangsszenarien und natürlich auch wieder mit den vermutlichen "Aufarbeitungen". Ganz sicher, woischt?! Eins bleibt dennoch in Stein gemeißelt: Erpressung, Amtsanmaßung und Rechtsbeugung sind, auch was einen Kübel-Trabant angeht, in Deutschland Straftatbestände. Schönes Spiel dann.