Guten Morgen, Freunde.
Durch Katers schönen Beitrag aus Berlin fühlte ich mich nun doch einmal dazu animiert, auch meine schönsten, dramatischsten, lustigsten und was auch immer Erlebnisse rund ums Leder auf Papier ins Internet zu bringen.
Das meiste betrifft natürlich Auswärtsfahrten, denn einerseits passiert da mehr und andererseits wäre zum tausendsten Mal "Willkommen daheim" für den Rezipienten höchst langweilig.
Aus verschiedenen Gründen fahre ich derzeit kaum noch auswärts, was sich vielleicht mal wieder ändern wird.
Also muss ich fürs Erste auf alte Fahrten zurückgreifen und berichten, aber auch da lagern bereits einige saftig abgehangene Anekdoten und wollen nur von euren Augen verspeist werden.
Wo es geht und mit der Forensoftware zu vereinbaren ist, werde ich zur Auflockerung auch Bilder einbauen.
Ich werde keine strengen Unterscheidungen vornehmen zwischen Hoppingberichten, Stadiontests, Spielberichten und was es sonst noch gibt, da das für mich alles irgendwo zusammengehört.
Also schreibe ich es auch so, wie es mir einfällt.
Mal wird für einen Verein und ein Stadion ein Beitrag reichen, vielleicht werde ich hier und da auch mal mehrere machen.
Je nachdem.
Ich gebe mir da keine Strenge.
Fangen wir ohne weiteres langweiliges Gelaber an mit:
Kapitel 1: Markranstädt
in dem ich lerne, dass es doch noch Gerechtigkeit auf der Welt gibt, diese Welt manchmal auf dem Kopf steht und man der Liebe wegen alles macht.
Markranstädt?
Warum beginne ich ausgerechnet mit Markranstädt?
Will ich meine Leser quälen und gleich vergraulen?
Mitnichten!
Aber ich möchte mit dem beschissensten Ort direkt anfangen, um mich danach besseren widmen zu können.
Darum gilt:
Nicht lange aufschieben, sondern hau wech, den Scheiß!
Und los!
Was gibt es über Markranstädt zu wissen?
Vielleicht das:
Die Betonung geht so: Márkranstädt - NICHT Markránstädt, wie oft von unwissenden Wessis gedacht.
Das hat nichts mit Kränen zu tun.
Wenn man von der Welthauptstadt Leipzig aus sieht, findet man das Nest so:
Man geht ins Plattenbauparadies Grünau (oder versucht, so schnell wie möglich daran vorbeizukommen) und macht es sich am beliebten Ausflugssee "Kulki", eigentlich Kulkwitzer See, bequem.
Dann schaut man ans andere Ufer.
Et voilà: Markranstädt.
Näher sollte man nicht kommen, außer es muss unbedingt sein.
Dann kann man eine S-Bahn nehmen oder die B 87.
Auswärtige nähern sich am besten über die A 9 oder A 38, je nachdem, woher man kommt.
Markranstädt erlangte Weltruhm durch die Geburt und Beherbergung unserer roten Lieblingsbullen.
Nachdem Chemie und Lok zur großzügigen Offerte, ihnen das Blut auszusaugen, "No" gesagt hatten, wanderten die RB-Werber ein wenig im Lande herum, bis man in Markranstädt voller Freude "Aber bitte mit Sahne" antwortete.
Dafür wurde aus dem bis dahin unbekannten SSV Markranstädt über Nacht Red Bull Markranstädt.
Etwas später wurde der SSV Markranstädt als Verdauungsprodukt wieder ausgeschieden und mit ein paar Geldscheinen vom klebenden Zuckersaft saubergetupft.
Und was macht man, wenn am Wochenende die dreißigste Wiederholung von Richterin Alexander Lenßen läuft?
Genau, man schaut sich das Elend mal an.
Immerhin ist der Weg nicht so weit wie nach Delitzsch, Grimma oder Wurzen.
Mit den eigenen gesunden vier Reifen in "Markrans" angekommen, wie sowohl Verein wie auch Nest liebevoll verarscht werden, gestaltet es sich aufgrund einiger Polizeisperren nicht ganz einfach, das Welthistorie produziert habende "Stadion am Bad" zu finden.
Ich bin mir übrigens sicher, dass das "Bad" im Namen für "Böse" steht.
In einer komischen Nebenstraße zwischen Stadion, Park und Acker taucht die Spielstätte dann doch nach ein paar unfreiwilligen Runden durch die "Stadt" auf.
Ich bin recht früh da und will mich sogleich der Kasse nähern, um Näheres in Erfahrung zu bringen.
Da sehe ich direkt daneben dieses Pentagramm, dieses allsehende Auge der Fußballilluminaten prangen und weiche instinktiv einen Schritt zurück.
Ich beginne zu beten.
Liebe Fußballgötter, die ihr allmächtig seid, jedes Fallen des Spielers unserer Mannschaft mit Elfmeter zu würdigen und jedes Fallen des Spielers unserer Gegner mit Schwalbe zu ahnden, lasset an mir vorübergehen den Fluch des teuflischen Dreiecks mit spitzem M in der Mitte und führe mich nicht in Versuchung, seinen hypnotisierenden Kräften zu erliegen.
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Jetzt spüre ich die Gegenwart des Bösen ganz nah.
Kennt ihr das, wenn ihr euch an einem Ort befindet, von dem ihr wisst, dass dort Böses geschah und ihr diese Aura noch spüren könnt?
Zum Beispiel auf einem Indianerfriedhof, in einem alten Stasi-Gefängnis oder in einer Halle, in der mal "Musikantenstadl" produziert wurde?
So ist es auch beim Stadion am Bad.
Man weiß einfach, dass hier finstere Taurinmächte am Wirken waren und dieser Ort für immer verflucht ist.
Schon spüre ich den eisigen Griff des Todes auf meiner Schulter.
HAAAAAALT!
Es war doch nur ein Platzwart, der wissen möchte, was ich hier will.
Wahrscheinlich ist er von der gewaltigen Polizeipräsenz in seinem Ort eingeschüchtert und will nichts dem Zufall überlassen.
Ich könnte ja auch ein üble Dinge im Sinn führender Lok-Hool sein, der vor dem Spiel das ganze Stadion in die Luft sprengen will.
Was mehr oder weniger auch stimmt.
Ich verwerfe das Vorhaben aber wieder, allein schon aus Mangel an Sprengstoff.
Ich wusste, dass ich etwas vergessen hatte.
Also sage ich dem Platzwart-Mund Sauron Mateschitz', dass ich Einlass verlange in das Schicksalsstadion, um die Dose der Macht ins Bengalfeuer zu werfen und dem finsteren Treiben ein Ende zu bereiten!
Sofort verwandelt sich der Platzwart in einen Kassierer und überreicht mir das Billet.
Die erste Hürde ist genommen.
Nachdem ich den Eingang passiert habe, der mehr an einen Freizeitpark erinnert, sehe ich die bunte Zusammenwürfelung dieses Stadions.
Gleich hinter dem Eingang stehen ein paar Bänke und Buden, die mich an ein Volksfest erinnern.
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Dahinter kommt die hingeklotzte Tribüne, die so gar nicht ins Gesamtbild passen will.
Sonst macht das Gelände, besonders mit dem Bad dahinter, den Eindruck eines Vorstadtsportplatzes.
Es gibt sogar den Tennisplatz, auf dem sich Manager und bereits versnobte Privatgymnasiasten vernetzwerken.
Aber die Tribüne passt nun gar nicht hinein.
Sie stammt aus Zeiten, als der Mateschitz Markranstädts, ein unangenehmer Maschinenbauer namens Nussbaum, den Großangriff auf den Profifußball startete.
Den soll er ziemlich wahrscheinlichen Gerüchten zufolge nur gemacht haben, weil man beim 1. FC Lok seine Genialität nicht würdigen wollte.
Danach wollte er das bessere Lok aufbauen.
Um es dann an Österreich zu verkaufen...
Gegenüber der Tribüne bis in die eine Ecke hinein befindet sich die schmale und steile Auswärtstribüne.
Von einem Block kann man bei einer Länge von einem Tor zum anderen nicht mehr sprechen.
Hinter dem anderen Tor machen sich Werbebanden von Nussbaum und Red Bull breit, je nachdem, wer da spielt.
Oder aber, man höre und staune, RB-Hooltras.
Doch dazu später mehr.
Langsam füllt sich das Stadion und weil noch viel Zeit ist, genehmige ich mir ein frisches Stadionwürstchen aus Markranstädter Zubereitung.
Nicht schlecht, geht aber besser.
Dabei lerne ich "Ginger, die Tonne" kennen.
Ginger, die Tonne, ist ein naturrothaariger Mann im Alter zwischen 15 und 35 (genauer kann man es wirklich nicht sagen).
Er bringt bei geschätzten 1,15 m Körpergröße circa 500 Kilo auf die Waage.
Dennoch hat es die Trikotagenschneiderei Markranstädt geschafft, ihm ein Trikot in Zirkuszeltgröße bereitzustellen.
Wie viele Polyester wohl dafür sterben mussten?
Ginger fängt unvermittelt ein Gespräch mit mir an.
Wahrscheinlich hat er es auf meine noch nicht ganz vertilgte Bratwurst abgesehen und will einen Moment ausnutzen, in dem ich nicht hinschaue.
Dabei erzählt er mir, ohne dass ich je danach gefragt hätte, dass er eigentlich aus Würzburg kommt, aber während der Ausbildung ein Mädchen aus Markranstädt kennengelernt hat, wegen ihr hierher gezogen und jetzt glühender Anhänger des SSV M ist.
Es gibt wirklich schlimme Schicksale auf der Welt.
Später erzählt er mir noch, dass er mal eins auf den Deckel bekommen hat, als er nach einem Spiel des SSV beim 1. FC Lok noch eine halbe Stunde nach Abpfiff vorm Haupteingang des Plache-Stadions in seinem schicken Trikot umherstolzierte, um allen zu zeigen, wer erfolgreich einen Punkt mitnehmen konnte.
Mittlerweile redet Ginger so lange und so viel auf mich ein, dass ich ihm auch eins auf den Deckel geben will.
Stattdessen entscheide ich mich, das Gelände etwas mehr zu inspizieren.
Dabei entdecke ich VIP-Plätze, die man ohne die explizite Beschilderung niemals als solche erkannt hätte.
Sie sehen einfach aus wie ganz gewöhnliche Plastikschalensitze.
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Links und rechts der Tribüne stehen dann noch alte "VIP-Plätze" herum, die aus der Zeit vor der Tribüne stammen.
Schön sind sie nicht, aber dafür einzigartig in ihrer einreihigen Anordnung.
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Auch das Bad, das dem Stadion seinen Namen gibt, kann ich hinter der Tribüne entdecken.
Es ist nicht befüllt, dafür aber fast genauso lang wie die Tribüne.
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Dann sehe ich den Lok-Bus eintreffen.
Spieler und Trainer steigen aus.
Man kennt und grüßt sich.
Nach und nach treffen dann auch die blau-gelben Schlachtenbummler ein und die Markranstädter Bauern müssen bald einsehen, dass sie an diesem Tag auch auf ihrer eigenen Tribüne in Unterzahl sein werden und besser die vorlaute Klappe halten, wenn der blau-gelbe Stadtadel gastiert.
Ich würde Ginger gerne darauf hinweisen, aber kann ihn trotz seines unübersehbaren Erscheinungsbildes nicht finden.
Vielleicht bekam er Angst und ist nach Hause gegangen.
Dann beginnt auch schon das Spiel.
Die Tabellensituation gestaltet sich so, dass hinter RB II direkt RB III (also Markranstädt) an der Tabellenpitze steht, Lok bereits am 16. Spieltag mit 7 (!) Punkten dahinter.
Es sollte also bitteschön ein Sieg her.
Einmal wegen der Punkte, andererseits um den Bauern und besonders Nussbaum das Maul zu stopfen.
In der ersten Halbzeit passiert nicht viel, in der zweiten kann Lok endlich durch Winterneuzugang Ondrej Brusch in Führung gehen.
Doch die Freude währt nur kurz, denn nur 4 Minuten später kann Robert Zickert ausgleichen.
Das ist auch der Endstand.
So ein Scheiß!
Na ja, wenn wir schon nicht gewinnen können, kaufen wir ihnen den Kader kaputt.
Zickert spielt bis heute bei Lok (im letzten Spiel zwei Lattentreffer gegen den BFC), auch Ibold wurde weggeholt.
Die Rückfahrt gestaltete sich nervig, weil die Polizei alle Leipziger in eine bestimmte Richtung lenkte und deswegen für teils drastische Staus und Wegänderungen sorgte.
Am Ende der Saison stand der SSV M kurz vor Lok und durfte in die Aufstiegsrelegation, die sie allerdings nach Auswärtssieg zu Hause gründlichst verloren.
Im Folgejahr trafen Lok und der Vorort noch mal aufeinander, aber die großen Tage von "Markrans" waren vorbei.
Zu Hause konnten sie noch ein Unentschieden ermauern, im Plache setzte es eine deutliche 4:0-Pleite.
Beim zweiten Besuch des SSV M war der Hochmut der Bauern schon verflogen und kleinlaut wurde mir erzählt, dass Nussbaum hinschmeißen will, RB kein Geld mehr zahlt und die Stadt alte Schulden eintreiben will.
Kurz: Der SSV M stand kurz vorm Aus.
Und so kam es dann auch.
Ein Jahr, nachdem Nussbaums "besseres Lok" in der Relegation scheiterte, stieg der originale FC Lok ungeschlagen auf.
In der Saison danach stieg Markranstädt in die sechste Liga ab, wo sie heute im Mittelfeld herumgurken.
Der eine oder andere Abstieg wäre von mir aus aber noch zu verschmerzen.
Aber nicht nur der SSV Nussbaum bespielte dieses Stadion, sondern ebenso Red Bull wie auch Red Bull II.
Deutschlandweit bekannt wurde das Stadion am Bad, nachdem der Retortenschiss RB dort das Training aufnahm, nachdem mittels Spruchbändern und Unkrautvernichtern klargemacht wurde, dass sie hier unerwünscht sind.
Nach dem ersten Aufstieg zog die Dosentruppe ins Zentralstadion um.
in Markranstädt spielte weiterhin RB II, gegen die Lok manches Mal antreten musste.
Auffällig war der komplett andere Umgang im gleichen Stadion.
Während bei Spielen von Markranstädt griesgrämige Bauern die Kontaktpersonen waren, fuhr RB geleckte Marketingfuzzis und "Wie kann ich Ihnen helfen"-Verkäufer auf.
Alles wirkte professioneller, aber auch irgendwie wie eine BWL-Justus-Veranstaltung.
Bei einem Spiel gegen RB II präsentierten die Lok-Fans eine schöne Choreo mit Engelsmotiv.
Außerdem fiel mir auf, dass so ziemlich die gleichen Bauern, die sonst zu Markranstädt gingen, auch gerne bei RB II herumhangen.
Aber was soll man in so einem Kaff auch sonst mit seiner Freizeit anfangen...
Als bildungsfernes Landei im Flanellhemd kann man mit den kulturellen Verlockungen der großen Nachbarstadt natürlich nichts anfangen.
Da muss es eben "Äs Äs Fau" und "ERR BÄH" sein.
Doch nun zu den versprochenen Hooltras:
Leider von keiner Kamera festgehalten begab sich Folgendes:
Ein paar in Rot und Schwarz gekleidete Figuren versammelten sich hinter der breiten RB-Werbebande hinterm Tor und präsentierten dort ein Spruchband.
Außerdem sangen sie RB-Gesänge.
Ob es sich nun um verkleidete Ex-Chemiker oder um ganz andere Erlebnisorientierte handelte, ist bis heute nicht klar.
Klar ist, mit RB haben sie sonst nicht viel am Hut.
Nach dem Abpfiff versuchten sie dann auch einen Blocksturm auf die Auswärtstribüne.
Natürlich warteten die feigen Typen damit lange genug, bis die meisten Lok-Hools und -Ultras das Feld geräumt hatten.
Um ehrlich zu sein:
Wer rechnet auch mit so etwas?
In die Mangel der prügelnden Jungbullen gerieten dann ein Lok-Spieler und ein paar Lok-Fans, die noch am Zaun mit den Spielern diskutierten.
Es ist klar, dass das nie Konsequenzen hatte und auch nie ein Medienbericht darüber erschien.
Angeblich sollen RB-Anwälte Medien mit Prozessen gedroht haben, sollte so etwas an die Öffentlichkeit kommen.
Hoppla, jetzt ist es ja doch passiert.
So, ich hoffe, meine erste Reise ins Land der Erinnerung hat gefallen.
Wenn dem so ist, abonniert meinen Kanal, gebt mir einen Daumen nach oben und schreibt es in die Kommentare.
Außerdem:
Interaktive Mitmachtaktion:
Aus welchem Bundesland soll mein nächster Bericht stammen?
Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg oder Berlin?
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