In Extremo - Quid Pro Quo (Mittelalter-Rock)

  • Ich muss gestehen, nach dem doch sehr durchschnittlichen 'Kunstraub' habe ich keinen Pfifferling mehr auf In Extremo gesetzt und auch die erste Single 'Sternhagelvoll', die ich ja im anderen Thread mit Haudegen verglichen hatte, ließ Schlimmstes befürchten. Doch dann liest man die erste Kritik auf metal.de, wundert sich über 10/10 Punkte und ist doch sehr gespannt.


    Gleich vorweg: Ich habe das Album seit gestern jetzt 4 oder 5 mal durchgehört, das dürfte einiges über die Scheibe aussagen. In Extremo nehmen den Hörer mit auf eine Zeit- und auf eine Weltreise. Zuerst geht’s ins 14. Jahrhundert, wo 'Störtebeker' gleich mal die Ansage macht: "Wir sind In Extremo und haben jetzt drei Scheißalben veröffentlicht. Jetzt machen wir mal wieder Musik.“


    ‚Roter Stern‘, eine Liebeserklärung an Russland mit dem Moskauer Kosaken-Chor im starken Refrain und Hansi Kürsch als Gastsänger. Auf Deutsch!


    Der Titeltrack 'Quid Pro Quo' kommt direkt gesellschaftskritisch daher und knüpft thematisch direkt an 'Des Bänkers neue Kleider' von Saltatio Mortis an. Musikalisch ist's definitiv In Extremo, mit den Schellen im Hintergrund, dem packenden Mitsing-Refrain und dem atmosphärischen Hintergrund.


    Pikse Palve, ein estnisches Donnergebet, beginnt mit einer Zeitreise ungefähr ins Jahr 1998, als sieben relativ unbekannte Typen mit Dudelsäcken eine Platte aufgenommen haben. Die erste Hälfte des Liedes kommt tatsächlich komplett akustisch daher, ehe dann nach und nach moderne Instrumente dazukommen und sich das Ganze zu einer amtlichen Rocknummer entwickelt.


    'Lieb Vaterland, magst ruhig sein' ist ursprünglich eine Textzeile aus der inoffiziellen preußischen Nationalhymne 'Die Wacht am Rhein', von In Extremo allerdings als epische Antikriegshymne umgesetzt, die erstmal ruhig, mit einem Flötenpart ja fast atmosphärisch startet und im Verlauf erst mit stakkatoartiger Strophe und, völlig konträr, mit einem starken melodischen Refrain aufwartet. Später wird der Refrain dann von einem kleinen Mädchen gesungen (laut.de verrät uns, dass es sich dabei um die 7-jährige Tochter des Produzenten und ihre Cousine handelt), ehe plötzlich Sirenengeheul losbricht, die traditionellen Instrumente komplett verschwinden und In Extremo klingen wie Kreater oder Destruction. Ganz stark! Und gerade in diesem Lied setzt sich mein Eindruck vom Rockharz 2014 fort: Das Einhorn kann mittlerweile echt singen!


    In eine ganz andere Richtung geht ‚Flaschenteufel‘, startet erstmal etwas punkig und könnte im ersten Teil auch von Betontod sein, dann wird’s jedoch etwas…nennen wir’s verstörend. Auftritt von ‚Heaven Shall Burn‘, die einmal kurz den Proberaum in ihre Bestandteile zerlegen und so schnell gehen, wie sie gekommen sind.


    Dacw ‘Nghariad ist ein walisisches Volkslied, das in typischer In Extremo-Manier dudelsackrockig vertont wird. Also ich versteh kein Wort! :D


    ‚Moonshiner‘ sieht sich in der neueren Tradition der „Saufballaden“, die wir auch schon von Sängerkrieg und Sterneneisen kennen. Micha erzählt aus der Ich-Perspektive, wie er nachts durch die Gassen streift und den Mond ansingt. Textlich naturgemäß eher keine hohe Lyrik, dafür hat’s ne schöne Melodie.


    In ‚Glück auf Erden‘ wird es wieder moderner. Die Säcke werden zurückgefahren und heraus kommt eine wuchtige Metal-Nummer, die thematisch die Liebe von Eltern zu ihrem Kind behandelt und die Angst, vor diesem zu sterben.


    Wieder begeben wir uns nach Russland. Der ‚Schwarze Rabe‘ stammt aus dem Film ‚Tschapajew‘ von 1935, in dem es um einen russischen Bürgerkriegshelden geht und wird traditionell vertont präsentiert.


    Den Rausschmeißer bildet die schon angesprochene Single ‚Sternhagelvoll‘, die ich im Albumkontext zwar hörbarer finde, als einzeln für sich. ‚Moonshiner‘ ist aber klar besser und so gibt’s zum Schluss die schwächste Nummer des Albums, die aber immerhin mit der fröhlichen Melodie überzeugen kann, die mich etwas an ‚Village of Dwarves‘ von Rhapsody erinnert. :D


    Fazit: So gesellschaftskritisch habe ich In Extremo noch nie gehört und so stark mindestens seit 'Sünder ohne Zügel' nicht mehr erlebt. In Extremo entdecken ihre Vorliebe für alte Texte und Mythen wieder, wagen sich an aktuelle Themen ran und schreiben nebenbei noch eine Liebeserklärung an ihre russischen Fans. Ein großartiges Album und wer hätte es nach den drei Rohrkrepieren seit 2008 noch geglaubt, dass die so eine Scheibe raushauen?! 7 Punkte

    Nanakorobiyaoki

  • Mit Dudelsack im Arm, Honigwein lauwarm, wollen wir wieder Mittelalter-Meister sein. Leider nein. Dabei geben sich InEx hörbar
    größte Mühe auf 'Quid pro quo' das beste aus beiden Welten (Schalmei und Slayer, Phalangenpfeife und Punk) zu vereinen und zu Gehör zu bringen. Das gelingt zwar deutlich besser als auf dem spektakulär unspektakulären Kunstraub, alles in allem haben ihnen die toten Tänzer aber mittlerweile den Rang als Flöten-Platzhirsch abgelaufen.


    Nix desto trotz gibt es hier mit "Störtebeker", "Roter Stern", "Lieb Vaterland", "Flaschenteufel" etc. eine gute Hand voll überdurchschnittlich guter Nummern zu belauschen, wobei besonders "Pikse Palve", "Schwarzer Rabe" und "Palästinalied 2" (Bonus) beglückend offensichtlich an "die alten In Extremo" erinnern.


    Mit dem Titelsong, dem walisischen Volkslied (eine Hommage an Finntroll!? ), dem scheinenden Mond und dem Glück auf Erden kann ich persönlich dann eher weniger anfangen; Das ist wieder Durchschnittsware. Und zu guter Letzt taumeln die Sieben sternhagelvoll, Arm in Arm mit 10 kleinen Jägermeistern und den Böhsen Onkelz aus dem Bild.


    Fazit: In Extremo 2000 bleiben sich treu und werden damit sicher auch den allergrößten Teil der Fans zufrieden stellen. Als Referenzwerk dient es eher nicht. 5,5 Punkte

    "Denn anders als Arbeitsstelle, Lebenspartner oder Automarke ist der Lieblingsklub nicht austauschbar.

    Mit ihm ist der Mensch ein Leben lang verbandelt wie mit der eigenen Haut.

    Sie mag Falten kriegen, doch ablegen kann sie niemand. Selbst wenn man das manchmal gern möchte."

    (Lars Wallrodt)

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