London & Cardiff 2020
Mindestens ein halbes Dutzend mal war ich mittlerweile auf der Insel, ein Spiel gesehen hab ich da bis zu diesem Jahr aber noch nie. Dabei wäre das eigentlich naheliegend gewesen, zumal ich jedes mal in Städten mit halbwegs sinnvollen Zweit- und Drittligisten unterwegs war. So dauerte es eben bis zu diesem Januar, bis ich das endlich nachholen konnte. Hoppen ist teuer, also wird wenigstens die günstigste Verbindung rausgesucht, für einen Zwanni pro Flug kann man nicht viel falsch machen. Meine Trödelei bei der Suche nach Unterkünften kam mir preislich auch noch entgegen, wodurch auch hier nur hauchdünn über 50€ zu entrichten waren. Früher hätte ich auch nicht suchen können/dürfen, einige Spiele haben sich in der Zwischenzeit zerschlagen und mit dem walisischen Derby drängte sich sehr kurzfristig eine neue Option auf.
So ging es am Samstagmorgen gutgelaunt zum Flughafen in Dortmund und die Laune wurde nicht mal dadurch verhagelt, dass ich direkt nach dem Start aus meinem Fenster das hässliche Westfalenstadion zu Gesicht bekam. Muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass über dem Festland teilweise gute Sicht herrschte und ab der Insel nur noch eine finstere Wolkendecke zu sehen war? Erheiternd fand ich auch die Tatsache, dass sich Engländer jetzt schon bei Passkontrollen an den Non-EU-Schaltern anstellen. Ob das Ungeduld oder Unwissen war entzieht sich der Kenntnis des Verfassers dieser Zeilen. Vor mir am Schalter wurden auch die ersten Klischee-Teutonen erspäht, welche durch ihre Motorrad-Club-Klamotten zum einen auffielen, zum anderen dadurch, dass sie Bierbüchsen in der Hand hielten. Wo auch immer die da schon ihr Bier her hatten...
Per Bus ging es vom Flughafen "London" Stansted in die Stadt, wobei es auch am Olympiastadion vorbeiging. Dort trägt ja mittlerweile West Ham seine Heimspiele aus um in der Kategorie "seelenlose Heimspielstätte" endlich mit den Spurs und Arsenal gleichziehen zu können. Immerhin ist man relativ nah an seiner Heimat geblieben. In der Stadt angekommen wurde der erstbeste Pub angesteuert, der sich mir in den Weg gestellt hat. Nachdem ich mein Gepäck losgeworden bin war einfach noch ein wenig Zeit und trotz des kurzen Stopps mit einem Pint "Hop House 13" war ich deutlich zu früh in Charlton. Direkt eine Karte geordert und in den Fanshop gestolpert, um diesen unter die Lupe zu nehmen. Gestolpert ist dabei genau der richtige Begriff, das bin ich nämlich über eine dusselig platzierte Tasche. Nach einem kurzen "blöde Scheiße", welches reflexartig über meine Lippen kam wurde ich direkt von einer Verkäuferin angesprochen, die nun Interesse an meiner Herkunft hatte. Deutsche Hopper sind dort wohl seltener gesehen und wenn, dann vorwiegend mal am Boxing Day. Der Fanshop hat mich nun weniger glücklich gemacht und auch der erworbene Schal ist keine Schönheit, aber bei den grimmigen Wetterverhältnissen eine der besten Investitionen meines Lebens. Wissen die in England denn nicht, dass der Rest des Kontinents schon Frühling hat? Direkt vorm Stadion stand noch sehr verlockend eine Burgerbude mit halbwegs vernünftigen Preisen. Aber hier gibt es für den Touri/Hopper aus Deutschland einen wichtigen Unterschied. Fragt dich in Deutschland beim Burgerkauf jemand, ob du Zwiebeln drauf haben willst lautet die Antwort selbstverständlich "ja, so viele wie möglich", in England muss ein grimmiges Gesicht gemacht, verneint und dabei noch energisch der Kopf geschüttelt werden. Zwiebeln werden da aus irgendwelchen Gründen einfach so lange in Öl geworfen, bis sie einen wirklich bestialischen Geschmack entwickeln, während man sie hier einfach roh auf einen Burger wirft. Das hatte ich einen Moment lang vergessen, gehorchte dem alten Reflex und das alte Trauma brach wieder auf, als ich diesen Berg matschiger, fettiger Ölzwiebeln auf meinem Burger erspähte. Aber eine der größten Umstellungen zum Rest des Kontinents ist der Bierkonsum in englischen Stadien. Nach der letzten großen Stadionkatastrophe sprach der "Taylor Report" ja einige komplett bescheuerte Empfehlungen aus, wie den Verbot des Ausschanks alkoholischer Getränke. Kurze Zeit nach der Umsetzung wurde diese Regel gelockert und in "keine alkoholischen Getränke" in Spielfeldnähe abgeändert, diese Einnahmequelle wollten sich die Vereine dann doch lieber nicht nehmen lassen. Das führt dazu, dass der Engländer vor dem Spiel und in der Halbzeit so zecht als wenn es kein Morgen gäbe und während des Spiels keinen Tropfen trinkt. Selbstverständlich hab ich mich da gut eingefügt und schon vor Spielbeginn mit zwei Pints gestärkt. Dabei wurde natürlich der ganze Bereich vor der Tribüne mal in unter die Lupe genommen und als ich ein Plakat erblickte, welches den Leser darauf hinwies doch bitte seine Sprache zu zügeln, da Charlton ein Familienverein ist habe ich kurz überlegt das Stadion zu verlassen und einfach in den versifftesten Pub zu gehen den ich finden kann. Was tun die hier bloß dem Fußball an?
Kurz vor Spielbeginn wurde ich auf meinem Sitzplatz aber doch ein wenig durch den kahlköpfigen Stiernacken schräg hinter mir beruhigt, der schon vor Anpfiff durch wirklich hässliche Unflätigkeiten auffiel. Auffallend ist aber sofort, dass der Alterssschnitt in den Stadien ein anderer ist als bei uns. Aber wer kann da auch regelmäßig mit Familie hin? Unter solchen Bedingungen hätte mich mein Vater damals als Kind nicht regelmäßig ins Niedersachsenstadion gebracht. Gegen sämtliche Befürchtungen war die Stimmung trotzdem durchaus okay, wobei der Gästeblock zwar seltener, dafür aber dann lauter zu hören war. 19.720 Zuschauer sahen ein von Beginn an munteres Spiel, in welches die Gäste als Favorit gingen, stehen sie doch immerhin auf einem direkten Aufstiegplatz, während Charlton dringend ein paar Punkte braucht, um nicht auf einen Abstiegsplatz zu rutschen. Die Hausherren begannen auch direkt mal druckvoll, um ihrem neuen Besitzer (East Street Investments) zu gefallen. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen...
Schon beim aufwärmen sieht man die Spieler nur den Ball hoch und weit übers Feld schlagen, das ist doch sehr vielversprechend. Beide Mannschaften begannen schwungvoll und leisteten sich defensiv atemberaubende Aussetzer, aber beim ausnutzen sieht man dann, wer oben steht und wer unten... Trotz des besseren Starts der Hausherren gingen die Gäste nach 21 Minuten etwas überraschend in Führung. Ein dusseliger Ballverlust außen, Zohore sprintet diagonal in den Strafraum. Zwar wird sein erster Schuss noch per Grätsche geblockt, aber den Nachschuss setzt er trocken flach in die Tormitte. Charlton war davon wenig beeindruckt und kam nur sechs Minuten später zum Ausgleich. Nach einer kurz ausgeführten Ecke flankt Callagher in die Mitte, wo Josh Davison per Kopf sein erster Tor erzielt. In der Invalidentruppe ist das aktuell der einzig verbliebene Stürmer. Bevor die Ecke ausgeführt werden konnte amüsierte sich der Gästeblock noch mit dem Ball, der da zur Ecke geklärt wurde und rückten diesen nicht raus, sondern warfen ihn fröhnlich von A nach B. Erst mit einem Ersatzball, der viele Sekunden später zum ausführenden Spieler geworfen wurde konnte die Ecke ausgeführt werden. Ist mir übrigens mehrfach aufgefallen, dass es irgendwie kaum Ersatzbälle gibt und Balljungen wie bei uns auch eher nicht. Vor der Pause verspielte West Brom dann noch astrein einen Konter in Überzahl, sonst passierte vor dem Seitenwechsel nicht mehr allzu viel. Mein Pausenbier dauerte einen Moment zu lang, so sah ich nur noch beim Gang zu den Rängen den Ball von Robson-Kanus Fuß nach flacher Hereingabe ins Netz springen. Das ganze war 30 Sekunden nach Wiederanpfiff und der Gästeblock rastete ziemlich sehenswert aus. West Brom danach mit seiner besten Phase und es gab ein paar gute Gelegenheiten Charlton jetzt den Rest zu geben, stattdessen lud man diese ab der 70. Minute immer wieder ein und in der 76. Minute wurde man dafür dann auch direkt "belohnt"; Daughty mit wundervoller Flanke auf Lockyer, dessen Kopfball landet am Pfosten, springt aber auf dem Rückweg an den Rücken des Torhüters. 2:2. Die "You're not singing anymore"-Rufe danach kamen schon ziemlich geil, trotzdem stellt sich die Frage, wieso es vorher zehn Minuten lang auf der Heimseite totenstill war. Trotzdem konnte ich nach Schlusspfiff durchaus zufrieden sein. Ein wirklich ausgezeichnetes Spiel und auch auf den Rängen war es nicht allzu schlecht, auch wenn es längst nicht an andere Länder heranreicht. Es war immerhin lauter als bei allen Spielen, die ich in Holland bisher gesehen habe zusammengenommen.
Außerhalb des Stadions war nach Ende des Spiels enorm viel Polizei zu sehen und diese wirkten irgendwie komplett unentspannt, lustigerweise kann auch ein englischer Polizist wie auf Knopfdruck freundlich lächeln und eine höfliche Auskunft erteilen, wenn man etwas fragt. In Deutschland hätte mir beispielsweise die simple Frage nach der Uhrzeit wahrscheinlich schon nur ein Schlagstock beantwortet. Nach fast vier Stunden an der frischen Luft musste in der Innenstadt eine kurze Rast bei einem Pint Bier eingelegt werden, diesmal allerdings mit etwas mehr Eile, denn es wartete eine annähernd vierstündige Busfahrt in die walisische Hauptstadt auf mich. Der Kater hat ja hier im Forum schon mal einen inzternationalen Vergleich bei Bahnpreisen aufgestellt und auch für meine beiden Fahrten wäre ein nettes Sümmchen im dreistelligen Bereich zusammengekommen. "National Express" bot mir die einfache Fahrt für 15,80 GBP an, was dann letztendlich auch ohne eine Sekunde zu zögern den Zuschlag bekam.
Dort angekommen wurden erstmal sämtliche Pläne durchkreuzt. Eigentlich wollte ich nur kurz meinen Kram in die Unterkunft bringen und dann ein erfrischendes Kaltgetränk in dieser fabelhaften Stadt zu mir nehmen, aber in der Behausung angekommen war ich vom Regen schon wirklich komplett durchnässt. Da ich nur leichtes Reisegepäck bei mir hatte wollte ich nicht auch noch einen zweiten Kleidungssatz durchnässen und kaufte stattdessen einen Viererträger Bier bei einer Esso-Tankstelle, die nur zehn Minuten entfernt war und wärmte mich den Rest des Abends im Zimmer auf. Irgendwie blöd, gerade an einem Samstagabend weiß Cardiff sehr zu gefallen und in den Pubs der Stadt ist immer was los. War zumindest vor wenigen Jahren noch so und ich bezweifle, dass sich daran groß was geändert hat... Wer hier neulich im Laberthread mitgelesen hat weiß, was für eine Unterkunft das war, aber das gehört hier natürlich ebenso rein. Für 20 GBP erwarte ich natürlich nicht viel, sondern einfach nur eine warme, saubere Unterkunft mit einem brauchbaren Bett und dem Zugang zu einem ebenfalls sauberen Badezimmer. Mehr nicht. Alles, was darüber hinausgeht kostet halt auch mehr, das sagt einem schon die Vernunft, vor allem 20-25 Minuten Fußweg vom Stadtzentrum entfernt. Aber meine Herren, war das schäbig! Ein typisches britisches Reihenhaus mit eingebauten Zahlenschlössern, so weit, so gut. Aber den ersten Lacher gab es für die "Lampe", also eine Glühbirne, die am Kabel von der Decke baumelt, den zweiten gab es für das Bett, welches auch mal selber zusammengebastelt wurde (man konnte aber tatsächlich gut darin schlafen, konnte ich jedenfalls nach den paar Pullen Bier ziemlich gut). Ansonsten stand ein kleiner Nachttisch im Raum und es gab einen Fernseher, sowie ein großes Foto von New York an der Wand - das wars. Ach ja, einen Spiegel gab es noch, der stand aber noch halb ausgepackt an der Wand angelehnt. Aber der Blick aus dem Fenster war doch sehr schön, welcher einen Blick auf einen Messi-Garten (dort werden Steine gesammelt) und eine Fensterbank freigab, wo die Farbe abbröckelt. Das Badezimmer wimmelte von Farbflecken, also muss hier zumindest irgendwann mal jemand gestrichen haben, ist aber auch schon etwas länger her. Vorhanden waren ein kleines Regal, eine angebrochene Rolle Klopapier und ein paar Dübel in der Wand, das helle Rechteck auf der Tapete lässt darauf schließen, dass dort mal ein kleiner Hängeschrank an der Wand hing. Dass das Licht erst drei Minuten nachdem man an der Schnur gezogen hat anging war da noch das kleinste Problem. Wobei ich mich schon frage, wer je auf die Idee gekommen ist, dass ein Lichtschalter per Schnur praktisch oder sinnvoll sein könnte... Immerhin die Heizung in meinem Zimmer war stark genug um meine nassen Klamotten über Nacht zu trocknen. Ist vielleicht kein besonders netter Zug von mir, die Heizung auf Hochbetrieb arbeiten zu lassen und das Fenster über Nacht offen zu lassen damit ich nicht in dem kleinen Hochofen einen grausigen Tod zu sterben, aber man möge es mir bitte nachsehen. So schlürfte ich noch mein Bier, sah das jähe Ende der Vikings in den Playoffs und wie auch das spektakuläre Jahr der Ravens schlagartig beendet wurde.
Aber wie gut, dass ich gar nicht vorhatte mich morgens lange dort aufzuhalten. Das Spiel beginnt ja schon mittags und vorher musste unbedingt noch ein Abstecher in die feine Stadt unternommen werden. Langsam meldete sich auch mein Magen zu Wort und ich begann einen brauchbaren Imbiss zu suchen. Döner hat mich im UK bisher nie glücklich gemacht, aber natürlich hatte ich genau darauf jetzt Hunger. Mir sprang dann doch eine Kebabbude ins Auge, in welchem nur zwei oder drei Türken/Araber saßen und kein einziger Einheimischer, während die Imbissbuden nebenan halbwegs gut gefüllt waren. Nichts wie rein! Eine ausgezeichnete Wahl meinerseits, denn wenn im Königreich nicht ein einziger Engländer/Waliser Gast eines Lokals ist, dann ist das ein gutes Zeichen. Guten Döner können Türken/Araber sowieso viel besser beurteilen und so konnte ich zufrieden den Imbiss verlassen. Portionsgröße Medium hat mich schon überfordert, wer soll denn dann bitte die große Portion vertilgen können?
Wieder ab nach draußen und schnell noch ein bisschen durch die Straßen geschlendert und nochmal das Millennium Stadium angeschaut, welches zwar keine Schönheit ist, aber einfach toll gelegen ist, direkt am Rande der Innenstadt. Irgendwann vor zig Jahren hab ich in dem Ding mal eine Stadionführung mitgemacht, erinnere mich aber an absolut gar nichts mehr, außer an die tolle Sicht von den Rängen. Jetzt geriet ich aber plötzlich in Panik. Die Uhr zeigte 11:10 und ich hatte ja noch mein gesamtes Gepäck bei mir. Schnell zum Bahnhof um dort festzustellen, dass man in britischen Bahnhöfen offenbar kein Gepäck verstauen kann. Jedenfalls erntete ich auf die Frage danach an der Information einen Blick, als hätte ich gerade eine Niere verlangt. Zum Glück verriet Google mir ein Hotel, wo man für 5 GBP Taschen verstauen kann. In anderen Ländern kostet dich das höchstens einen Dackelblick, hier will man lieber Kohle. Lag aber auf dem Weg und nahm mir den Stress ab, jetzt konnte ich auf dem Weg Richtung Stadion wieder auf Kleinigkeiten achten, wie beispielsweise die ganzen "Amnibyniaeth"-Aufkleber (Unabhängigkeit), die es so vor ein paar Jahren noch nicht gab. Generell sieht man viel Anti-UK-Zeug, obwohl gerade die Leute im walisischen Süden immer deutlich pro-britischer waren. Eine gewisse Abneigung gibt es da auch eher im Norden, wo auch öfter noch wirklich walisisch gesprochen wird und selbst da nicht mal allzu stark ausgeprägt. Was man noch sieht sind Aufkleber anderer Fanszenen. Gladbach, Elfsborg, Hansa. Alles dabei. "Union Bears" stand auch auf einem, keine Ahnung was das bitte sein soll, aber der Union Jack darauf ist sicherlich in letzter Zeit nicht beliebter geworden.
Das Stadion erreichte ich ziemlich genau fünf Minuten vor Anpfiff, fand auf Anhieb die richtige Kasse für meine reservierte Karte und stieg die 110 Stufen hinauf zum Oberrang. Das ist keine Übertreibung, ich hab auf dem Rückweg gezählt und kann sagen, dass die genannte Zahl maximal um vier oder fünf abweicht (scheiß Gedächtnis). Eigentlich hätte ich ja jetzt ein Bier gebraucht, aber das Spiel lief seit zwei Minuten und auf meinem Platz angekommen sah ich eine Heimmannschaft, die sich Chance um Chance herausspielte, aber vor dem Kasten einfach kein Glück hat. Swansea konzentrierte sich darauf mit Nadelstichen immer wieder zu zeigen, dass die Heimelf sich keine Fehler erlauben darf.
Auf den Rängen demonstrierte man gesangstechnisch auch direkt mal die gegenseitige Abneigung. An anderer Stelle las ich vor kurzem einen Vergleich zwischen Cardiff und Swansea auf der einen, sowie Hannover und Braunschweig auf der anderen Seite. Einen kurzen Moment stutzte ich beim lesen, aber eigentlich ist es recht naheliegend. Hier die wunderschöne Hauptstadt, die optisch viel mehr zu bieten und einen gewissen Wohlstand erwirtschaftet hat, die Touristen in Massen anlockt. Dort das drogenverseuchte (keine Übertreibung) Dörfchen, welches einem keine Perspektive bietet, außer die Wirtschaftsflucht in die glorreiche Hauptstadt. Trotzdem schaffte Swansea vor Cardiff den Aufstieg in die neue Premier League, konnte sich dort jahrelang behaupten, den Ligapokal gewinnen, international spielen und als Sahnehäubchen konnte man mit Gerhard Tremmel sechs Jahre einen Spitzentorwart unter Vertrag halten, der keinen Vergleich mit Borel, Mielitz oder David Seaman scheuen muss.
Ein Reintasten in das Spiel gab es (wie schon am Vortag) nicht und zumindest die Hausherren legten gut los. Was für eine Wohltat im Vergleich zur Bundesliga, wo 14 von 17 Mannschaften erstmal ganz lange keine Gegentore kassieren wollen.
Glatzel vergibt nach wenigen Minuten per Kopf auf der einen Seite, Routledge aus der Drehung auf der anderen Seite. Vor allem Robert Glatzel konnten die Hauptstädter mit ihrem Flügelspiel über Hoilett und Whyte immer wieder gut in Szene setzen, aber selten war es zwingend genug um Torwart Woodman richtig zu prüfen. Auf der anderen Seite führt eine verunglückte Hereingabe von Celina fast zur Führung. Wenige Minuten später kommt dessen Abschluss dafür aber gewollt und platziert, aber nur an den Innenpfosten. Glück für die Gastgeber, aber das Momentum schien bis zur Pause dennoch erstmal gekippt, von der Spiellaune Cardiffs blieben nur noch mäßig gefährliche Standardsituationen. Fünf Minuten vor der Pause setzte sich ganz Cardiff in Bewegung um sich an den raren Bierbuden für die Pause zu versorgen. Ich schaute mir das Schauspiel nur aus sicherer Entfernung an, dafür fehlte mir die Geduld und so reifte der Plan in mir, statt eines ausgiebigen Stadtspaziergangs nachher einfach noch in einem Pub rumzuhängen, bis der Bus gen London abfährt. Auch 10 Minuten nach Wiederanpfiff sah man immer noch größere Gruppen wieder zu den Plätzen drängen.
Die Pause tat den Gastgebern ganz gut um sich zu sammeln und es entwickelte sich ein netter Schlagabtausch, der aber nicht mehr für ernsthafte Torchancen sorgte. In der 70. Minute brachten die Hausherren dann Josh Murphy und Callum Paterson für Gavin Whyte und den glücklosen Robert Glatzel. Damit hätte man um ein Haar den Sieg eingewechselt denn schon nach wenigen Minuten setzte sich Murphy toll auf dem linken Flügel durch, findet mit seiner Flanke präzise den Kopf Patersons, der aber aus maximal zweieinhalb Metern nur die Latte trifft. Der Rest war dann Brechstange auf der einen, harmlose Konter auf der anderen Seite. Nach den obligatorischen 5 Minuten Nachspielzeit beendete der Schiedsrichter die Partie, mit deren Ausgang die Gäste vermutlich etwas besser leben können, sind sie doch ein Stück näher an Platz 6, welcher zur Aufstiegsrunde berechtigt. Cardiff braucht da schon ein paar Zähler mehr um den Wiederaufstieg doch noch erreichen zu können. Aber noch sind ja knapp 20 Spieltage...
Etwas eilig marschierte ich jetzt Richtung Zentrum um doch noch einen kleinen Rundgang machen zu können. Das Schloss, die "Castle Arcade", die Einkaufsmeile und ganz wichtig: Kneipenviertel. Ich fand eine Pinte nah genug am Busnahnhof um wirklich bis fünf Minuten vor Abfahrt noch ein bisschen entspannt sitzen und vor allem zwei oder drei Pints Guinness schlürfen zu können. So verlebte ich die letzten Minuten in dieser wunderbaren Stadt mit dem Vorsatz, bald nochmal so zurückzukommen (und vielleicht ein Spiel der walisischen Liga zu sehen).
Vier Stunden dauerte die Rückfahrt und damit nochmal 30 Minuten mehr als ursprünglich geplant. Der Bus, den ich nehmen wollte fiel spontan aus und stattdessen nahm mich ein anderer Busfahrer mit dem gleichen Ziel (London Victoria Station) mit, nur mit dem Zwischenhalt in Bristol, wo die zusätzlichen 30 Minuten draufgingen. Zuschlag für die Rückfahrt bekam übrigens der Anbieter "Megabus" mit dem unschlagbaren Preis von 10,80 GBP. Vor dem Umstieg in die U-Bahn gab es noch einen schnellen Einkauf im Sainsburys, für den Abend im Hotel bei Football musste noch Bier gekauft werden. Dazu gab es noch ein schnelles Pint in einem Pub, immerhin war noch ein 40-minütiger Zeitpuffer übrig, den ich noch irgendwie vertrödeln wollte. Das Hotel meiner Wahl befand sich übrigens in Notting Hill, weltberühmt für günstige Übernachtungen und preiswerte Lokale. So gratulierte mir auch der Typ an der Rezeption zu dem günstigen Kurs, eine Übernachtung kostet sonst wohl mindestens das doppelte, in besseren Monaten auch mal das dreifache. Da von meinem Zeitpuffer jetzt wirklich nichts mehr übrig war ging es ohne Umwege ins Zimmer, nochmal zur Rezeption (um mir erklären zu lassen, dass ich meine Chipkarte benutzen muss um den Strom einzuschalten) und wieder zurück. Gerade noch rechtzeitig um dabei zusehen zu können, wie die Packers die Seahawks vermöbeln. Das ganze Spektakel ging dann auch lange genug um meine Schlafzeit wirklich auf ein Minimum zu reduzieren, dadurch hatte ich morgens dann auch recht wenig Laune mich mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, mit denen man zum Flughafen kommen könnte und nahm einfach den Zug. 18 GBP, das würde sich nicht mal die unverschämt teure deutsche Bahn trauen! Uhrensöhne! Ich hasse Züge! Der Flughafen war dann direkt der nächste Nervfaktor, da ich für eine etwas genauere Kontrolle ausgesucht wurde. So konnte ich mal einen von diesen futuristischen Körperscannern bei der Arbeit bewundern und einem Sicherheitsvogel dabei zusehen, wie er meine Tasche mit seinen Griffeln durchwühlt. Ich hatte ja auch noch so furchtbar viel Zeit... Der Flieger hob pünktlich ab und setzte pünktlich auf deutschem Boden wieder auf. Noch nie eine so harte Landung erlebt und noch nie so viele kreidebleiche Gesichter gesehen, aus denen fast das Frühstück gefallen wäre. War ein spaßiger Abschluss einer wirklich netten Tour.