"Mein schönstes Ferienerlebnis" - Katers Spielberichte

  • Wow, den Fred hier hatte ich bisher noch nie gesehen!


    Ein wahres Kleinod, so liebevoll und detailliert beschrieben und dargestellt - werde ich zukünftig nie mehr verpassen. Ganz große Klasse!!! :nuke:

  • DIE STADT, DIE VERRÜCKTE MACHT – BERLIN TEIL 1

    Mit Bildern und in hübsch wie immer unter folgendem Link:


    Die Stadt, die Verrückte macht - Berlin Teil 1 - valokuva.de
    Es gibt wieder was zu entdecken! Folgt mir in den Pfälzerwald... nee, doch nicht. Folgt mir nach Berlin. Fototour! Los geht's!
    valokuva.de


    Freitagabend. Nach einem unfassbar schlechten Fußballspiel fahren wir durch das nächtliche Berlin und ich stelle die entscheidende Frage: „Wird man in dieser Stadt direkt bescheuert, wenn man zum Einwohnermeldeamt geht, oder kommt das erst mit der Zeit?“ Der im Auto anwesende Berliner weiß leider keine Antwort auf diese Frage, tut aber auch nicht sonderlich erstaunt über meinen Eindruck, dass in dieser Stadt jeder kräftig was am Helm zu haben scheint.

    DIE BAHN – DIE GRÖSSTE KASPERBUDE DER WEL

    Fleißige Leser dieses Blogs wissen, dass Beiträge gerne mal mit „eigentlich wollten wir woanders hin…“ beginnen. So auch hier. Eigentlich wollten Hannoi und ich in den Südwesten, das Saarland und den Pfälzerwald unsicher machen, aber die Wettervorhersage war mit „grauenhaft“ noch äußerst wohlwollend umschrieben. Für Berlin war auch kein besseres Wetter vorhergesagt, aber in einer Stadt ist sowas ein Stück weit egaler, als auf irgendwelchen Hügeln bei irgendwelchen Burgen, wo man auf passende Bedingugnen angewiesen ist. Also buchten wir zwei Tage vor Abfahrt schnell ein Hotel und schossen ein paar Fotospots aus der Hüfte.

    Atypisch durfte Hannoi fahren, weil meine Frau das Auto einforderte und so kam ich in den Genuss einer frühmorgendlichen Bahnfahrt von Essen zum hannoverschen Treffpunkt. „Kann jemand ein gutes Jump’n’Run empfehlen?“ „Essener Hauptbahnhof nach 22 Uhr. Ein iPhone in der Hand erhöht den Schwierigkeitsgrad.“ Diese herumlungernden Figuren vermischten sich mit den letzten Halloween-Überbleibseln, die vielerlei nach einer harten Nacht aussahen. Ein anderer brüllte „Rot Weiss Essen, F*** und vergessen“ quer durch die Bahnhofshalle. Feinste Unterhaltung, wenn da nicht die Bahn an sich wäre: 10 Minuten vor Abfahrt meines ICE war erst von einer Verspätung die Rede und weitere zwei Minuten später fiel der Bahn ein, dass sie heute keine Lust hat, in Essen und Bochum zu halten. Was zum?!?

    GLEIS-ORIGAMI

    In Dortmund mochte wieder gehalten werden, aber nun hatte ich plötzlich die Herausforderung, pünktlich in Dortmund zu sein. Zufällig (*hust*) hatte der eintreffende Intercity nach Dortmund genug Verspätung, sodass er zu meinem favorisierten Ziel wurde. Welcher Idiot hat in Dortmund eigentlich die Gleise numeriert? Gleis 11 direkt neben Gleis 16? Was soll das? Und warum laufen hier Leute in Gladbach-Trikots rum?

    Später machte ich mir die Gaudi, den Zugbegleiter nach diesem ausfallenden Halt zu fragen. Mit der Antwort, dass sie das auch erst seit Düsseldorf (also 20 Minuten vorher) wüssten, war ich doch etwas überfordert.

    Der Wurst-Basar am hannoverschen Hauptbahnhof führt morgens leider nur belegte Brötchen. Auf dem Bahnhofsvorplatz sind Waffen verboten – aber nur nachts. Tagsüber geht so’n Butterfly also scheinbar klar…


    Die weitere Fahrt bis Berlin verlief erstaunlich ereignisarm, außer dass wir bei Magdeburg einen ca. einstündigen Stau umfahren durften und wir fast von jemandem aus Hannois Heimatkreis über den Haufen gefahren wurden, was nur durch meinen äußerst präzisen Warnruf „Achtung, ein Irrer!“ verhindert werden konnte.

    Nach dem Check-In im, für solche Ausflüge perfekt gelegenen, Ibis an der Messe (kostenlose Parkplätze zuhauf und S-Bahn-Ring direkt vor der Tür), ging es für uns erstmal ziellos in die Stadt. Im Osten ist die Sonne im Winterhalbjahr ja echt früh weg, sodass es um kurz vor 17 Uhr schon ziemlich duster war. Dies kam unserem ersten Fotospot direkt entegen – dem Hauptbahnhof selbst. Die Hugo-Preuß-Brücke am Spreebogen gibt eine hervorragende Führungslinie ab, weil sie gewölbt und gebogen ist.

    DIE ERSTEN VERRÜCKTEN

    Von dort ist es auch nicht weit bis zum Regierungsviertel. Ich stelle mich auf den Balkon des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses und will gerade den Reichstag fotografieren, als ein bunt beleuchtetes Partyschiff über die Spree geschippert kommt. Danke, Schiff. 😀

    Direkt gegenüber liegt das Paul-Löbe-Haus, in dem sich – wie auch in seinem Nachbargebäude – verschiedene Sitzungssäle und Abgeordnetenbüros befinden. Ich entdeckte eine Führungslinie in Form einer Betonfuge. Hannoi saß daneben und langweilte sich demonstrativ: Blödes Haus. Blöde Kunst. Blöde moderne Architektur!

    Blöde Radfahrer! Wie du ja am Bild erkennen kannst, ist rechts auf dem Fußweg echt viel Platz. Locker mehr als fünf Meter. Warum man seinen Drahtesel dann direkt an der Treppe entlangsteuern muss, wunderte mich noch gar nicht. Warum wir von der Tante dann angepöbelt wurden, nur weil wir wegen ihr nicht in die Spree springen wollten, wird aber immer ihr Geheimnis bleiben, denn die Antwort „ich steck dir gleich mein Stativ in die Speichen, du blödes Huhn“ wirkte irgendwie nicht deeskalierend. Komisch.

    Nach diesem kleinen Ausflug fuhren wir zurück ins Hotel, um uns kurz zu sammeln und den Fotokram wegzubringen. Für den Abend stand mal wieder Fußball auf dem Programm, die heimische Hertha traf im DFB-Pokal auf den FSV Mainz 05. Kein Leckerbissen. Ich habe festgestellt, dass ich tatsächlich schon ewig nicht mehr im Olympiastadion war. Am 4. Februar 2012 sah ich ein furchtbares 0:1 gegen Hannover bei ebenso furchtbaren Minus 17 Grad. Kein Witz! Verflucht, war das damals kalt!

    Kalt war es heute nicht, und selbst wenn, wir hätten kein Geld mehr gehabt, uns irgendwie zu wärmen. Die Hertha hat uns erst das Geld und dann die Seele geraubt. 35€ latzten wir für eine Karte, auf meine Frage, wo die ganzen Tickets der 25€-Kategorie denn hin sind, die ein paar Stunden vorher noch online waren, wusste der Shop-Mitarbeiter keine Antwort.

    NOCH MEHR VERRÜCKTE

    Wir hätten natürlich auch vor dem Stadion bei irgendwem kaufen können, der noch Tickets übrig hatte. Einer hielt ein Ticket hoch. 10 Meter weiter hielt einer ein mit Edding handgemaltes Pappschild hoch und suchte Tickets. Man könnte meinen, sie hätten nach rechts geswiped und ein anderer Fan war noch so freundlich, den Suchenden auf den Verkäufer aufmerksam zu machen: „Dit weeß ick och! Kiek doch mal richtig off dat Schild!“ gab es als Antwort zu hören. Auch hier war ich irgendwie nicht sonderlich deeskalierend zu dem Montagsmaler, langsam fragte ich mich aber, warum hier jeder mit einem imaginären Messer zwischen den Zähnen durch die Gegend zu laufen scheint.

    Natürlich habe ich wieder nur mit dem Handy fotografiert. Zwangsläufig. Wir sind ja schließlich in Deutschland…

    Das Spiel ist schnell erzählt: Der Schiedsrichter hatte – zum Pokalcharakter des Spiels passend – eine erfreulich lange Lunte und Zweitligist Hertha war dem Bundesligisten Mainz in allen Belangen überlegen. Am Ende stand es 3:0, aber nicht mal 30.000 Zuschauer wollten sich für diesen Kick erwärmen. Klar, die 25€-Kategorie war bestimmt spontan restlos ausverkauft…

    Danach ging es ins Hotel und direkt in die Koje, denn Sonnenaufgänge sind im Osten Deutschlands tendenziell echt früh…

    HOCH HINAUS

    …und deshalb verpennten wir den erstmal stilecht. Eine gute Stunde nach Sonnenaufgang schreckte ich hoch und blickte in ein hell erleuchtetes Zimmer. Wir machten uns fertig und fuhren zum Drachenberg -keine 10 Minuten entfernt – und trösteten uns damit, dass der Spot für einen Sonnenaufgang Anfang November sowieso nicht perfekt war. Nicht trösten konnte uns der 70-jährige, der die Treppen des Aufstiegs mit Leichtigkeit hoch sprintete, während wir uns auf dem Weg auf den 99 Meter hohen „Gipfel“ einen abröchelten. Aber wir hatten ja auch schwere Fotoausrüstung dabei. Und überhaupt, warum habe ich eigentlich dieses Stativ mitgeschleppt?

    Der Drachenberg entstand, wie sein Nachbar, der 120 Meter hohe Teufelsberg nach dem 2. Weltkrieg, als man den Trümmerschutt irgendwo hinkarren musste. Ich kenne das Prinzip Halde natürlich von zuhause, aber allein die Vorstellung, dass für diese beiden Berge ein einzelner Krieg verantwortlich ist. Krass.

    Der Teufelsberg ist freilich bekannter, weil die Amerikaner im Kalten Krieg dort eine Abhörstation errichteten, die seit Ende der 90er lustig verfällt. Ein frei zugänglicher Lost Place, den wir allerdings nur aus der Ferne beobachteten.

    Über die immer noch leicht goldene Stunde freute sich meine Drohne, die sich zuerst am Olympiastadion austoben durfte.

    Danach durfte sie noch die Siegessäule kennen lernen. Übrigens ist es gar nicht so einfach, neben der Straße des 17. Juni zu landen, ein neuerlicher Slowakei-Moment blieb mir aber zum Glück erspart. Vielleicht wäre es auch nicht unbedingt gut angekommen, wenn mir das Ding direkt auf ne Bundesstraße geklatscht wäre. Natürlich hätte ich das Foto lieber mit der richtigen Kamera gemacht und grundsätzlich gibt es am Bahnhof Tiergarten auch einen halbwegs geeigneten Spot dafür, aber wir hatten die Rechnung mal wieder ohne unser Lieblingstier gemacht: Dem Baukran! Der sollte uns am Wochenende noch öfter heimsuchen…

    IM OSTEN DER STADT

    Naja, erstmal Frühstück jetze… das geht nirgendwo besser als an der Curry-Baude am Bahnhof Gesundbrunnen. Beste Currywurst Berlins! Danach eierten wir etwas ziellos durch die Stadt und hielten unterwegs am Sportforum Hohenschönhausen, der Heimat des BFC Dynamo, dem Serienmeister der DDR-Oberliga in den 80ern. Hohenschön sind die Hausen dort tatsächlich.

    Geschäfte mit Supernamen: Gin-Chilla! Den Salami Social Club (natürlich ne Pizzeria) sahen wir später auch noch.

    Es zog zu. Die Oberbaumbrücke ist tagsüber recht undankbar, irgendwie fanden wir keine Position und irgendwie hatte das für uns nur Schnappschuss-Charakter. Dafür hatten wir Spaß im Parkhaus:

    Nirgendwo kann man schneller die Menschenwürde verlieren, als wenn man an einer Parkhaus-Ausfahrt zu weit weg vom Karteneinführungsschlitz angehalten hat und in möglichst unnatürlicher Haltung versucht, das Parkticket einzuführen. Wenn man dann noch versucht, seinen feinen Zwirn dabei nicht dreckig zu machen, hat man jede Menge belustigte Fans. Grüße nach Kiel.

    Auch die Abteibrücke war dank des Himmels nicht so spektakulär wie erhofft.

    Nebenbei nahmen wir das Rathaus Köpenick mit.

    Auf dem Rückweg schauten wir noch an der Alten Försterei vorbei, dort spielt Union Berlin Bundesliga. Noch.

    Rückweg ist ein gutes Stichwort, wir waren für Berliner Verhältnisse echt am Arsch der Heide und wollten nun ins Hotel zurück. Natürlich verbanden wir das mit Sightseeing, denn wir machten einen Abstecher zum Kottbusser Tor. Das innerstädtische Pendant zum Kölnberg. Alter Schwede, was für eine Gegend!

    BLAUE STUNDE AM POTSDAMER PLATZ

    Im Hotel warfen wir nur kurz das Auto auf den Parkplatz und bestiegen die nächstbeste S-Bahn. In der Innenstadt wäre das Auto nur im Weg. Dies waren am Potsdamer Platz auch die Weihnachtsbuden. Am 2. November! So ein Blödsinn! Wobei nicht mal die Buden das Hauptproblem waren, sondern diese Rutschbahn, oder was zum Geier das auch immer darstellen sollte.

    Ich wollte nämlich eigentlich den Bahnhof, also diesen riesigen Glasquader, als Vordergrund nutzen. Tja, schade Schokolade.

    Auch ein Versäumnis, dass am Bahntower nicht wenigstens das DB-Logo beleuchtet ist. Wahrscheinlich ist es ihnen selbst peinlich, oder sie brauchen das Geld für die Vorstandsboni.

    Die blaue Stunde war schnell vorbei und passend fing es an zu regnen. Das ist sogar ernst gemeint, denn der Regen sorgte dafür, dass weitaus weniger Touristen vor dem Brandenburger Tor herumlungerten, als das üblich wäre.

    Bereits gestern stellten wir fest, dass der Fernsehturm irgendwie so gar nicht spektakulär beleuchtet war. Vermutlich, weil gerade die Aussichtsetage saniert wird. Der Berliner Dom war ebenfalls völlig finster. Stand aber auch ein Gerüst dran. Vom Fernsehturm machten wir daher nur einen Alibischuss, weil wir eh gerade in der Nähe waren.

    Mittlerweile goss es in Strömen, was dazu führte, dass wir unsere fotografischen Ambitionen für heute begruben und uns in den in den Zug nach Schöneweide hockten, um uns dort beim Italiener die Bäuche vollzuschlagen. Die Trattoria Il Monello, die ich von früheren Berlin-Besuchen kenne, liegt direkt am S-Bahnhof Schöneweide und wird hiermit klar empfohlen! Kein Nobelitaliener mit Chichi, sondern ein ganz bodenständiger und genau deshalb ganz wunderbarer Laden.

    Nanakorobiyaoki

  • DORT STERBEN TRÄUME – BERLIN TEIL 2

    Dort sterben Träume - Berlin Teil 2 - valokuva.de
    Vielen Dank an Kollege nordpolar für den Titel. Er las Teil 1 der Berlin-Tour und schickte mir Beileidsbekundungen via WhatsApp, die nicht unbedingt Verliebt…
    valokuva.de


    Vielen Dank an Kollege nordpolar für den Titel. Er las Teil 1 der Berlin-Tour und schickte mir Beileidsbekundungen via WhatsApp, die nicht unbedingt Verliebt in Berlin klangen:

    Zitat
    Nach Berlin kriegen mich keine zehn Pferde… Gott, finde ich diese Stadt beschissen…
    Die ganze Stadt, die Leute, alles. Ich kann diese Stadt nicht ausstehen, dort sterben Träume…

    Wer in Hamburg wohnt, darf allerdings voller Abscheu auf andere deutsche Großstädte blicken. Besser wird’s halt nicht mehr…

    FLUTLICHTFREITAG

    Da ich bekanntermaßen kaltstartfähig bin, wurde mir die Aufgabe zuteil, Sonnenaufgangs-Inspektor zu spielen. Das sah so aus, dass ich mit dem Aufzug kurz in die 8. Etage hoch fuhr und von dort einen Blick aus dem Fenster riskierte. Mit dem Hotelpersonal hatte ich vorher abgesprochen, dass wir kurz mit Kamera & Stativ auf die Terrasse dürfen, aber das forderte ich gar nicht erst ein. Heute kein Sonnenaufgang… hier ein Alibifoto mit dem Smartphone aus dem geschlossenen Fenster:

    Schade, der Spot hat echt Potential… Also legten wir uns erstmal noch ein paar Stunden hin, ehe wir um kurz vor 10 zum Schloss Charlottenburg aufbrachen. Sieht im Herbst bestimmt wunderschön aus, zumal jetzt auch das Wetter mitspielte. Tja… was soll ich sagen? Natürlich wurde der gesamte hintere Bereich des Schlosses gerade großflächig von ein paar Baggern umgepflügt.

    Ich kramte etwas Laub zusammen, das mir als Vordergrund dienen sollte und verließ mich auf das alte Motto „Blende offen und hoffen“. Vielleicht habe ich etwas übertrieben und hätte mehr als Blende 1.4 nutzen sollen, vielleicht habe ich auch falsch fokussiert. Das Schloss ist jedenfalls nicht ganz scharf geworden. Auch die Front des Schlosses wurde verunstaltet, nämlich von einer riesigen Batterie Dixi-Klos. So blieb uns nur dieser Verlegenheitsschuss.

    IM SÜDWESTEN

    Ob die gegnerischen Agenten sich verlegen anschauten, als sie während des Kalten Krieges auf der Glienicker Brücke gegen ihre feindlichen Kollegen ausgetauscht wurden? Vermutlich nicht. Ob diese Überleitung verlegen im Boden versinken würde, wenn sie könnte? Vermutlich schon.

    Nicht versenkt habe ich die Drohne, die sich den Spaß derweil von oben anschauen durfte.

    Und auch das Schloss Babelsberg kann man von dort ganz wunderbar fotografieren. Vorausgesetzt, man hat ein Tele dabei.

    Anschließend verweilten wir bei wunderschönem Sonnenschein eine gute Stunde am Wannsee, ehe es weiter zum Mommsenstadion, der Heimat von TeBe Berlin, ging.

    Halt, Moment. Hannoi wackelte am Wannsee noch schnell anne Bude. Brøndby-Mütze, Kippe im Maul… und bestellte einen Latte Macchiato. Passende Reaktion der Bedienung: „Ick hätt jewettet, du nimmst’n Bier!“ Hätte er wohl auch am liebsten, ich genoss derweil meinen Status als Beifahrer und kringelte mich vor Lachen auf dem Boden. Der Kollege hier machte es besser und genoss in seiner Mittagspause erstmal ein zünftiges Pilsken.

    Wir entdeckten am Wannsee einen Steg, der leider nicht so einsam war, wie erhofft. Boote, blauer Himmel und herbstliche Bäume gehen aber immer.

    Nun wartete doch ein straffes Programm auf uns, für das wir trotz Innenstadtlage das Auto bevorzugten. Die blaue Stunde wollten wir am Bode-Museum zubringen, was wir letztlich auch taten.

    Auch der Bahnhof Friedrichstraße und somit der „Tränenpalast“ ist ganz in der Nähe.

    Wer mal in Bonn ist und sich nur ein bisschen für Deutschland in der Nachkriegszeit interessiert, dem sei das Haus der Geschichte wärmstens empfohlen. Kost‘ auch nix. Im Tränenpalast ist eine Dependance davon eingerichtet, die sich vornehmlich mit der deutschen Teilung und den Reisen zwischen der BRD und der DDR beschäftigt. Für einen Besuch der Ausstellung blieb keine Zeit, für ein Foto des Gebäudes schon.

    DER STASI ZU FÜSSEN

    Thematisch blieben wir sogar fast dabei, denn wir fuhren jetzt nach Lichtenberg. Hier, direkt neben der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit, liegt das Hans-Zoschke-Stadion des Oberligisten Lichtenberg 47. Diese spielten heute gegen TeBe, wobei uns das Spiel absolut nicht interessierte, ich wollte nur mit der Drohne ein Bild mit dem hell erleuchteten Stadion im Vordergrund machen.

    In der Finsternis zu fliegen, ist gar nicht so das Problem, nur die Landung versprach, knifflig zu werden. Rechtzeitig erinnerte ich mich daran, dass ich eine Fotoleuchte im Rucksack hatte, stellte diese auf knallpink und legte sie als Orientierungshilfe auf den Boden.

    Spätestens jetzt wird klar, warum wir das Auto bevorzugten, wir mussten nämlich 10 km fahren. In Berlin. Zum Feierabendverkehr. Mit der Bahn hätte es noch länger gedauert, denn an unser Ziel fuhr weit und breit keine Bahn, obwohl es nicht mal einen km vom Hauptbahnhof entfernt lag. Außerdem hätten wir uns dann im Hbf. ein Schließfach für die Stative und so mieten müssen. Na? Wer ahnt es? Richtig, Fußball! 🙂

    DAS POSTSTADION

    Welches Spiel wir sahen, werde ich gleich noch schildern, zuerst mal ging es um das Stadion und hätte ich vorher gewusst, dass ich aufgrund der Platzverhältnisse dort überhaupt keine Möglichkeit haben würde, zu fotografieren, wir wären vorher schon mal hingefahren…

    Das Poststadion ist eins der typischen Trümmerstadien. Nicht, weil es in Trümmern liegt, sondern weil es mit Kriegstrümmern vergrößert wurde. In Hannover, Ludwigshafen, Augsburg, Leipzig und anderen deutschen Städten wurden ganze Stadien allein aus aufgeschichteten Kriegstrümmern errichtet und verrichten größtenteils bis heute ihren Dienst, auch wenn sie über die Jahre natürlich umgebaut, oder modernisiert wurden.

    Ein Schicksal, das dem Poststadion lange nicht zuteil wurde. Spätestens als sich Wacker Berlin 1979 endgültig aus der zweiten Bundesliga verabschiedete, übernahm der Zahn der Zeit das Zepter und nur noch die Platzanlage wurde notdürftig instand gehalten. Zum Glück war wenigstens der Denkmalschutz war auf zack und „rettete“ die Haupttribüne, die – zusammen mit dem Stadion – in vier Jahren ihren 100. Geburtstag feiert. Um das Areal einen Steinwurf vom neuen Regierungsviertel entfernt, kümmerte sich jedoch über zwei Jahrzehnte lang niemand. Pläne und Konzepte gab es genauso viele, wie mittlerweile Bäume auf dem Spielfeld wuchsen. Das „Große Buch der deutschen Fußballstadien“ schrieb noch 2001 „so wird das Poststadion, ein historisch bedeutender deutscher Sportstättenbau, wohl weiter verrotten, als trauriges Symbol für verfehlte Landespolitik.“ Die Zuschauerplätze waren zu dem Zeitpunkt schon längst aufgrund von Baufälligkeit gesperrt.

    Ende der 2000er bewegte sich plötzlich etwas, das Stadion wurde wieder hergerichtet, wenn auch freilich in anderen Dimensionen. Heute fasst es noch 10.000 von zwischenzeitlich 60.000 Zuschauern und wird seit 2008 hauptsächlich vom Berliner AK 07 genutzt.

    BERLINER AK VS. FC CARL ZEISS JENA

    Dieser Berliner AK gilt trotz des kurzzeitigen Intermezzos von Türkgücü München im Profifußball als erfolgreichster deutsch-türkischer Verein des Landes. Der BAK spielt zwar auch „nur“ Regionalliga, dies aber konstant seit 2011. Allerdings wurde im Sommer 2023 wohl der Abgesang eingeläutet, als sich das Präsidium und einige Sponsoren relativ überraschend zurückzogen. So steht der BAK zur Winterpause mit 11 Punkten am Ende der Tabelle, wenn auch nicht ganz aussichtslos.

    Dazu beigtragen hat auch diese – man muss es so deutlich sagen – furchtbare Partie gegen den FC Carl Zeiss aus Jena. Furchtbar waren gewiss beide Mannschaften und Jena eigentlich noch viel mehr. Der BAK hatte nach 17 Minuten einen Lattentreffer und der Nachschuss ging geradewegs in den Gästeblock. Hätte er mal den Vorsänger getroffen und vom Zaun geschossen, hätten wir uns wenigstens nicht 90 Minuten lang diesen Lalala-Dauergesang von 30 Mann anhören müssen.

    Danach war mit dem Heimteam nicht mehr viel los, aber auch Jena war absolut ungefährlich und hatte in 90 Minuten nicht einen echten Torschuss. Warum Jena trotzdem gewonnen hat, lässt sich mit „Kacktor des Monats“ nur recht unzureichend beschreiben, passte aber durchaus zu diesem furchtbaren Kick: Kurz vor der Halbzeit wollte Jena eigentlich einen Ball in den Strafraum flanken, dieser rutschte dem Spieler hauchzart über den Spann, nahm eine sehr eigenwillige Flugbahn und schlug hinter dem Torwart ins Netz ein, der mit großen Augen zurückblieb. Wir und unser derweil eingetroffene „Gast“ und ausgewiesener Berliner Fußballexperte Captain BlackAdder schüttelten verwundert den Kopf und Hannoi ging Bier holen.

    IM REISKOCHER DURCH DIE NACHT

    Hannoi stellte sich die geholten Bier auch in die Figur, ob aus Gewohnheit, oder um sich diesen grausigen Kick schönzusaufen und zurück am Auto wunderte er sich, dass er einen Autoschlüssel bei sich trug. Da war ja was… Ehe ich mich versah, hatte ich den Schlüssel in der Hand und durfte ihn und den Captain durch das nächtliche Berlin gurken.

    So gar nicht zufrieden mit der Speisenauswahl vor Ort, lotste Captain uns erst zum Wrangelkiez, nur um festzustellen, dass er sonst immer mit dem Drahtesel oder der BVG unterwegs ist und ich da vermutlich jetzt noch einen Parkplatz suchen würde. Also ging die Reise weiter in seine Hood, die lustigerweise gar nicht so weit von unserem Italiener von gestern Abend entfernt lag und er führte uns zu einem sensationell guten Vietnamesen. Danke dafür! Danach hieß es Abschied nehmen. Wir wollten noch ein paar nächtliche Fotospots abklappern, verloren jedoch schon beim ersten Versuch östlich der Jannowitzbrücke die Lust. Keine Parkplätze, wieder einsetzender Nieselregen und die Uhr zeigte fast Mitternacht. Ab ins Hotel!

    DRECKSBAHN II

    Nicht, dass wir am nächsten Morgen irgendwelche Termine gehabt hätten. Sonnenaufgang gab’s wieder keinen. Auch die Stadien hatten wir entweder schon alle abgeklappert, oder sie lagen in der Einflugschneise des Flughafens Tegel. Hier nix Drohne. Wir fuhren nochmal zur Frühstückscurrywurst am Gesundbrunnen und dann zum Sportplatz an der Wullenweberstraße. Dieser ist zwar weit entfernt davon, spektakulär zu sein, aber die Lage gefiel mir.

    Wenn etwas spektakulär ist, dann die Bahn. Hannoi fuhr mich wieder nach Hannover und währenddessen kristallisierten sich bereits zwei Dinge heraus. Mein Zug wird mit mindestens 30 Minuten Verspätung in Hannover angkommen UND wieder nicht in Essen halten. Die Zugbindung wurde zwar aufgehoben, aber der frühere Zug war natürlich auf die Sekunde pünktlich und ich sah nur noch die Rücklichter.

    Meine Fahrt endete also in Dortmund, wo ich eigentlich nur in einen Regionalzug umsteigen wollte. Allerdings regierte in Dortmund das blanke Chaos. Sämtliche Züge waren deutlich verspätet, zig Mal wurde das Gleis geändert. Auch die anwesende Polizei zeigte sich wieder von ihrer hilfsbereitesten Seite. Parallel spielte Bayern München in Dortmund und offenbar wurden einige nicht so gern gesehene Gäste aus Bochum (die eine Fanfreundschaft mit Bayern haben) direkt wieder einkassiert und sollten zurück nach Bochum begleitet werden. Die Anzeigen waren mittlerweile mit den ständigen Gleiswechsel komplett überfordert und ich musste in den gleichen Zug. Also fragte ich die anwesende Staatsmacht, ob der Zug in Richtung Bochum denn schon durch wäre. Ignorantes Schulterzucken war die Antwort. Naja, was erwarte ich Trottel auch…

    Die Rolltreppen funktionierten natürlich auch nicht und es macht total viel Spaß, drei Mal mit dem ganzen schweren Fotozeug quer durch den Bahnhof zu hetzen. Irgendwann kam sogar der RE und neben mich setzte sich eine Dame mittleren Alters, die sogleich damit begann, mir ungefragt von ihrem Tag zu berichten und stolz Fotos ihres Hundes zu zeigen. Dabei wollte ich doch einfach nur nach Hause… So ein hässlicher Köter!

    Nanakorobiyaoki

  • Wieder alles großartig ge- und beschrieben - da kann man richtig reinschlüpfen und sich Situationen vorstellen! :applaus: :nuke:


  • :D


    Wenn man schaut, wo ihr euch so herumtreibt, dann ist das auch kein Wunder!


    1) Olympiastadion & Hertha: massives Aufgebot an Steppjacken und 'Camp David' - Shirts. Was erwarteste? :D


    2) Hauptbahnhof / Poststadion: genau dazwischen liegt die Stadtmission. Und das Union Hilfswerk betreibt in der Gegend mehrere Unterkünfte für Leute mit diversen Diagnosen. Die Wahrscheinlichkeit, dass da einer mit IQ 50 und Drogen(vergangenheit) herumstiefelt ist gar ncith so gering.


    3) Das Kotti ist einer der Touristenattraktionen bei Hipstern. Das Berliner Gegenstück zur Sternschanze. Da sollte die olle Nappsülze aus Hamburg mal nich vergessen, in Berlin gibt's nur prozentual weniger höhere Söhne und Töchter. :*


    Und nicht zu vergessen: alle Bundesländer schicken ihre Spinner hierher. Die Masse der Kloppis sind Schwaben, Bajuwaren und aus Düsseldorf. :kuzze:



    Aber schön, dass ihr beiden Süsswassermatrosen mal wieder hier wart. Das Spiel legendär grottig, dafür was das Essen wirklich gut. Ich kenne da noch ein paar ähnlich besuchenswerte Lokalitäten und Anlass zum Essen sollte man stets freudig ergreifen. Lasst euch mal wieder hier blicken!

  • Oh, irgendwie hab ich vergessen, den Bericht aus Erfurt hier zu erwähnen. ;D Nun ja, ihr wisst ja, wo ihr den findet. An gleicher Stelle findet ihr jetzt auch folgendes:


    In Bildern und mit schön. Hier lang: https://valokuva.de/?p=26692


    BYENS BEDSTE MUSIKHUSET – JÜTLAND IM MÄRZ

    Mal wieder stand eine Tour nach Dänemark auf dem Plan, primär für das runde Leder. Das hatte Hannoi bereits vorzeitig kommuniziert, um Fotospots bemühten wir uns aber mal wieder erst einige Tage vor Abfahrt. Hektisch. Und wieder stellte ich zu Hannois Verärgerung fest, dass Jütland wirklich, wirklich arm an Highlights ist. Ja, es ist alles ganz nett, aber dieser Wow-Effekt bleibt halt einfach komplett aus.


    TECH-TALK RLOADED

    Zuerst jedoch wollte ein Zwischenstopp in Hamburg eingelegt werden. Ich brauchte ganz dringend eine neue Kamera. Nanu?! Meine X-T4 ist nicht etwa im Eimer und ich wechsle auch nicht schon wieder das System, aber dieses Erfurt hat mich wirklich nachhaltig genervt. Nicht die Stadt an sich, sondern dieses Affentheater am Stadioneinlass.

    Dabei sind diese ganzen X-Mount-Linien von Fuji so verwirrend, dass ich kurz vor der Tour eine Serie entdeckte, die mir bisher verborgen blieb: Die X-A! Für wen diese Kameras gebaut wurden, kann ich nicht mal sagen, denn es gäbe ja noch die X-E, die ähnliche Abmessungen hat. Machen wir es kurz: Die X-A ist klein. Sehr klein! Sie ist exakt 1,5cm breiter als meine uralte Canon PowerShot, hat aber ein vollwertiges X-Mount. Ich könnte daran also auch ein 1,5 Kg schweres Tele dranflexen. Will ich aber nicht, das Ding soll möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen und in die Jackentasche passen und beides erfüllt die X-A5 in Kombination mit dem Fujinon 8 mm | f3.5 perfekt.

    Der Härtetest steht allerdings noch aus, denn ein dänischer Stadionordner hätte auch mit der X-T4 überhaupt kein Problem, dort spielt man sich halt nicht so auf wie im Land des Anzeigenhauptmeisters.


    HIER LANG UND DA LANG…

    Aber alter Schwede… die Leute in Hamburg fahren Auto wie die ersten Menschen! Und ist es nicht zauberhaft schön hier?

    Zurück zum Start: Ich bin ja morgens um kurz vor 5 losgefahren. Dies beinhaltet, dass man zum Sonnenaufgang über irgendwelche Autobahnen gurkt. Als sich dann noch etwas Bodennebel einmischte, überkam mich mein Verlangen, genau jetzt zu fotografieren. Blöd, wenn du gerade über eine Autobahn gurkst. Gut, wenn eine Abfahrt direkt in der Nähe ist. Exter… dort habe ich in grauer Vorzeit, weit vor den ersten bezahlbaren Navis, mal eine Tankstelle gesucht. Nachts. Ein hoffnungsloses Unterfangen.

    Ich hielt kurz vogelwild am Straßenrand, schnallte das Tele auf die Kamera und suchte mir einfach irgendwas. Nicht das beste Foto aller Zeiten, aber für zwischendurch ganz ok. Und die kalte Morgenluft machte munter.

    Kurze Zeit später war die schöne Morgenstimmung mit einem Schlag dahin. Die Assistenzsysteme meines Autos verabschiedeten sich mal wieder – diesmal dauerhaft. Eigentlich seit Anbeginn meiner Liasion mit diesem Merkwürden fielen die Dinger völlig zufällig immer mal wieder aus. Jetzt scheint da endgültig was fratze zu sein. Der nächste Umweg führte uns nach Lübeck. Dort wohnt der AFI und den haben wir lange nicht gesehen. Außerdem konnte das Auto in der Stunde in Ruhe laden.

    Diese paar lustigen Umwege führten allerdings dazu, dass wir unseren Plan, zum Sonnenuntergang irgendwo nördlich von Aalborg zu sein, völlig vergessen konnten.


    DER FRIEDE VON AARHUS

    Deshalb fuhren wir einfach in Aarhus raus. Ich erinnere mich besser als ihr an unseren Versuch, im September dort etwas richtig cooles zu fotografieren, denn mangels richtig coolen Fotos gab’s auch keinen Bericht. Könnte auch daran gelegen haben, dass wir einen Fotospot komplett übersahen, den wir jetzt einige Tage vorher eher durch Zufall fanden. Dieses Hochhaus links ist mit 142 Metern das höchste Gebäude Dänemarks. Es hat auch eine Aussichtsplattform, die kostet aber direkt 20€ und dein Stativ bleibt draußen.

    Für die blaue Stunde wollten wir unser Glück nochmal am Musikhuset versuchen. Auch das ging im September gründlich schief, weil das Ding einfach stockfinster war. Leider führte der hauseigene Teich direkt vor der Tür auch diesmal kein Wasser, aber immerhin war genug Licht an. Nicht mal der Baukran störte mich.

    Der bunte Heiligenschein rechts gehört übrigens zum Kunstmuseum. Nun, da wir unseren Frieden mit Aarhus gemacht haben, konnten wir uns jetzt wieder um Belanglosigkeiten kümmern:


    BYENS BEDSTE MARKETING

    Dänen scheinen auf werbende Superlative zu stehen. Überall sieht man Aufschriften wie „Byens bedste Burger“ (die besten Burger der Stadt), oder die beste Autowerkstatt, den besten McDonalds, oder den besten Getränkemarkt. Wenn nicht direkt „verdens bedste“, was einfach ‚Weltbeste‘ bedeutet. Nicht verdens bedste: Das Navi meines Autos, das ich mir geradewegs in die Hölle wünschte, weil es uns fünfmal um den Block schickte.

    Auch spannend: Dänen sind amerikanische Europäer! In jeder größeren Stadt gibt’s ein ‚Storcenter‘ am Stadtrand, das nicht nur einen riesigen Supermarkt beherbergt, sondern auch viele Geschäfte, die man hierzulande eher in Hochglanz-Shoppingzentren in AAA-Lage erwarten würde.. Praktisch: Meistens haben die Dinger direkt auch noch gefühlt 500 E-Auto-Ladestationen. Und – wie am Beispiel Kolding – auch einen Burger-Drive-In mit angrenzendem Defibrillator. Traf mein Humorzentrum ähnlich wie der Zahnlose auf seinem Elektrorollstuhl, der – mit Rotzkocher im Mund – mir freundlichst einen guten Morgen wünschte. Popeye ist auch echt alt geworden…

    Um kurz nach 22 Uhr erreichten wir endlich unsere Ferienwohnung, die zu unserer Belustigung im Oberst Myhres Vej lag. Aus diesem Oberst Myhres Vej wurde – logisch – sehr schnell der Oberst-Weihrauch-Weg. Ich liebe Ferienwohnungen. Es ist immer ein Glücksspiel, ob und in welchem Zustand man Dinge vorfindet. Es wurde mit einer Küche geworben. Wir fanden fünf Töpfe, aber keine Bratpfanne, dafür allerdings locker 10 Kochmesser. Ist überliefert, wie Oberst Weihrauch gestorben ist? Wir wurden um Endreinigung gebeten, fanden aber nur Globuli-Seife, also bis zur Unwirksamkeit mit Wasser verdünnte Flüssigseife. Burgerpattys kann man zur Not aber auch in einem Topf braten.


    SONNENAUFGANG IN AALBORG

    …fiel aus! Aber immerhin schälten wir uns kurz aus dem Bett, um auf die gegenüberliegende Seite des Limfjords zu fahren. Von dort kann man die Flutlichtmasten des Stadions von Aalborg BK sehen. Erstmal wurden wir jedoch von der Nachbarskatze begrüßt.

    Das Stadion wäre mit etwas Sonnenschein wesentlich eindrucksvoller dahergekommen. Dafür haben sie sich die Flutlichtmasten beim Weserstadion zu Bremen ausgeliehen.

    Am nächsten Tag hielten wir nochmal kurz am Stadion und ich ließ die Drohne kreisen. Nachmittags wäre auch ein Spiel gewesen, aber wir hatten andere Pläne. Das Stadion mit eingeschalteten Flutlichtmasten muss ich aber irgendwann nochmal fotografieren, so malerisch, wie es dort im Wohngebiet liegt.


    VON LEUCHTTÜRMEN KRIEGEN WIR DEN HIRTSHALS NICHT VOLL

    Danach versuchten wir, noch ne Mütze voll Schlaf zu kriegen, was zumindest bei mir völlig ins Wasser fiel, so hellhörig wie die Bude war. Ich konnte jedes Wort von Ingeborg und Pernille (hier dänische Klischeenamen einsetzen) verstehen, es war zwecklos. Gegen Mittag gondelten wir einfach mal ziellos Richtung Norden und unsere Wahl fiel schließlich auf Hirtshals, weil Hannoi den Namen so ulkig findet und weil es da zumindest ein paar Fähren (nach Norwegen) zu sehen gibt.

    Schiffe waren Mangelware, allerdings erspähten wir in einiger Entfernung einen Leuchtturm und beschlossen, diesem einen Besuch abzustatten. Dieser entpuppte sich als Freilichtmuseum, denn auch hier war die Wehrmacht im zweiten Weltkrieg fleißig am buddeln. Die Bunker des Atlantikwalls sind erhalten, teils sogar in originaler Ausstattung zu besichtigen. Der Eintritt ist frei, es wird um Spenden gebeten. Fotogen sind sie allerdings nicht, stellt sie euch also vor wie… naja, Bunker. Hier zur Ablenkung ein Leuchtturm:

    Auf dem Weg kamen wir an einer Windmühle vorbei. Hannoi war fasziniert, ich vertrieb mir die Langeweile, indem ich die Fußballergebnisse des Mittags checkte. Hier sein Foto, das er mir mit gehässigem Kommentar überreichte:


    EIN LEUCHTTURM AUF WATTWANDERUNG – DAS RUBJERG KNUDE FYR

    Rubjerg Knude ist eine riesige Wanderdüne, die zweitgrößte Europas, nach der Dune du Pyla bei Bordeaux. Und was eine gute Wanderdüne ist, wandert sie unaufhörlich, was wiederum zum Problem des ortsansässigen Leuchtturms wurde, der zwar seit 1968 außer Betrieb ist und recht abgerockt aussieht, aber auch durchaus ein beliebtes Ausflugsziel darstellt.

    Nun ist die Düne blöderweise landeinwärts gewandert, sodass dem Leuchtturm quasi der Boden unter den Füßen auszugehen drohte. Der Däne – pragmatisch an sich – schnappte sich daher im Jahre 2019 einfach den Leuchtturm und schob ihn um 70 Meter ins Landesinnere.

    Vom Parkplatz (kostenfrei und mit Toilette. Logisch. Hätte nur noch ne E-Ladesäule gefehlt, hier am Arsch der Heide) läuft man ungefähr 20 Minuten zum Leuchtturm. Und ja, es ist sandig. Schon vom Weg aus konnte ich mit dem Tele ein erstes Motiv finden, das sogar mein Favorit des heutigen Tages ist.

    Und ja, es kostet Kraft, im Sand zu laufen, vor allem, wenn Temperaturen um den Gefrierpunkt herrschen, ein Teufelswind weht und Jacke und Handschuhe sich 657 km entfernt befinden. Hannoi hat lange den Helden spielen wollen, dem Angebot, sich meine Handschuhe auszuleihen, konnte er dann allerdings doch nicht widerstehen.

    Nicht den Helden spielen wollte eindeutig der Protagonist der nächsten Szene: Ein Hochzeitspaar tauchte nebst Fotografin am Leuchtturm auf. Er im Anzug und sie im dünnen Brautkleid. Dreimal dürft ihr raten, wer sich nur Nanosekunden nach dem Shooting einen dicken Mantel angezogen hat: Richtig, der Bräutigam! Die Braut stand badass in ihrem Kleidchen daneben und hat gedanklich vermutlich schon die Scheidung eingereicht.

    Derweil hatte auch meine Drohne die Schnauze voll von diesem Wind und ließ sich nur widerwillig bewegen, aber das musste ich mir unbedingt mal von oben angucken. Die Steilküste ist ca. 50 Meter hoch, dazu kommt noch der aufgewehte Sand. Schon beeindruckend, was diese Natur so anstellt, zumal sich das ja wirklich nur auf wenige Kilometer beschränkt und rechts und links von dieser riesigen Düne einfach gar nichts davon zu spüren ist.


    PARKPLATZ STATT SONNENUNTERGANG

    Entgegen des Wetterberichts sah alles nach einem vielversprechenden Sonnenuntergang aus. Wenn nicht diese vierrädrige Mistkrücke etwas dagegen gehabt hätte. Es ist total praktisch, wenn an diesem Parkplatz dieses Leuchtturms am Arsch der Welt plötzlich die Schlüssel-Batterie den Geist aufgibt. Ohne Vorwarnung. Dafür aber mit lautem Getöse, das die just anspringende Alarmanlage veranstaltet hat, als ich die Tür mit dem Notschlüssel öffnete. Mit gut zureden ließ der Schlüssel sich ein letztes Mal erbarmen, aber statt zu unserem Sonnenuntergang, fuhren wir ins 15 km entfernte Hjørring, der größten Stadt nordenfjords, wie der Däne die Region nördlich von Aalborg nennt. In Hjørring kauften wir erstmal Batterien und natürlich hing eine chinesische Fischkiste an der einzigen Ladesäule weit und breit, sodass wir nach dem Einkauf noch Strom tanken mussten und am Horizont einen wunderbaren Sonnenuntergang bewundern durften.


    BYENS BEDSTE MUSIKHUSET

    Auch Aalborg hat ein Konzerthaus. Dieses ist sogar relativ neu, erst im Jahr 2014 wurde es eröffnet. Es fügt sich in die neue Waterfront ein, die Aalborg ein modernes Antlitz verpasste und wofür die alten, ungenutzten Hafenanlagen weichen mussten. Ein bisschen Little HafenCity ist das schon und das Musikkens Hus passte da ganz gut rein, es könnte aber auch als verschrobener Zwilling des Bundeskanzleramtes durchgehen.

    Derweil lernte ich auf die harte Tour, dass Hannois Stativ den Geist aufgegeben hat. Ich wollte meine Kamera festschrauben, die Schraube wollte aber nicht und die Kamera kippte vornüber, wo ich sie gerade noch auffangen konnte. Sein billiger Amazon-Kugelkopf war endlich hinüber. Aber über mein „Snob-Stativ“ lachen… 😀


    SILKEBORG IF VS. AARHUS GF

    Sonntag! Fußball! In Aalborg setzte feinstes Schneetreiben ein. Was guckt das Haus eigentlich so traurig?

    Wir hatten unendlich viel Zeit totzuschlagen, gurkten also über Viborg und über Landstraßen nach Silkeborg. Parken ist, wie immer in Dänemark, kein Problem. Einfach auf die Wiese neben der Schnellstraße, wie alle anderen auch.

    Im Stadion wollte das Frühstück eingenommen werden. Für stabile 13€ wechselten eine Cola und eine Bratwurst den Besitzer. Diese war immerhin schmackhaft, was in Dänemark nicht selbstverständlich ist.

    Das Spiel war grauenvoll. Aarhus gewann durch die einzig nennenswerte Torchance des gesamten Spiels mit 1:0, hatte aber dabei Glück, dass Silkeborg einen klaren Elfmeter nicht bekam. Auf den Rängen war auch überhaupt nichts los, trotz des „Derbycharakters“ des Spiels, denn beide Städte trennen nur ungefähr 40 km. Bloß schnell weg hier!


    VIBORG FF VS. BRØNDBY IF

    …denn es stand ja noch ein weiteres Spiel an. Viborg liegt ca. 30 km von Silkeborg entfernt, das war in zwei Stunden ganz entspannt machbar. Das Stadion teilt sich den Parkplatz praktischerweise mit dem Rathaus. Auch standen unendlich viele Ladesäulen bereit, sodass das Auto während des Spiels auch was zu tun hatte. Hannoi wunderte sich über das komisch schmeckende Bier, das er im Stadion käuflich erwarb. Ich klärte ihn auf, dass er sich gerade ein Heineken gekauft hat. Schade.

    Ein richtiges Highlight war auch dieses Spiel nicht, aber immerhin war Stimmung seitens der Gäste garantiert. Wir wählten offiziell einen neutralen Block, stellten jedoch beim Führungstor der Gäste fest, dass wir mitten in einem Brøndby-Block waren. Erst recht merkten wir das, als Brøndby in der Nachspielzeit das Siegtor erzielte und der Block komplett ausrastete. Ja, sowas kann man schon vermissen und das kann „normales“ Groundhopping, wo man am Arsch der Welt sitzt und ein Spiel guckt, das einen bestenfalls mäßig interessiert, niemals auffangen. Klar ist es auch schön, an einem Leuchtturm zu stehen und einen wunderbaren Sonnenuntergang zu erleben. Aber mitten in einem Block zu sitzen, der von der einen auf die andere Sekunde völlig ausrastet, das ist Liebe. Das ist Gänsehaut. Und das versteht niemand, der Fußball nur im Fernsehen anschaut.


    NACH HIN KOMMT WEG

    Unser heutiges Domizil lag in Kolding, was noch einmal 90 Minuten Fahrt über Landstraßen bedeutete. Diese gottverdammten Dänen können doch endlich mal ne Autobahn nach Viborg bauen?!

    Wir hielten noch kurz in Vejle für einen Fotospot am gleichnamigen Fjord. Dadurch, dass wir nur noch ein einsatzfähiges Stativ hatten, fiel die Wahl auf Hannoi und der wäre nebst Stativ fast weggeflogen, so windig war das. Fotografieren konnte man völlig vergessen.

    In Kolding landeten wir in einem „Sporthotel“, das einzig sportliche daran war aber die Lage direkt neben der Sydbank Arena, der Heimat des 14-fachen dänischen Handballmeisters Kolding IF. Handball interessiert mich allerdings ungefähr so wie sich dieses Hotel um ein Mindestmaß an Service scherte. Bettzeug und Handtücher fanden wir in Folie verpackt auf dem Bett vor. Das Knarzen dieses Vehikels erinnerte an eine schnatternde Ente, die mittlerweile ausgepackten Handtücher rochen nach frittierten Krabbenchips. Dies ist ein dunkler Ort…

    Derweil weckte eine kreisrunde Apparatur über dem Fenster Hannois Interesse. Diese stellte sich als Lüftung heraus. Natürlich hätte man auch das 50cm tiefer gelegene Fenster öffnen können, aber bevor der Däne denkt, jemand würde ihm bei Klima-High-Tech etwas vormachen…

    Und dann ging es auch schon nach Hause, nicht ohne kurz festzustellen, dass wir im Herbst auch mal nach Kolding müssen, um den örtlichen See nebst Schloss zu fotografieren.

    Erwähnte ich schon, wie sehr mich dieses Auto nervt? Kolding und meine Haustür trennen 630 km. Mit Diesel in ungefähr 7 1/2 Stunden locker machbar, mit einem vernünftig ladenden E-Auto eine Stunde länger, was auch völlig ok ist. Ich brauchte knapp 11 Stunden, inkl. kurzem Stau, den mir das lustige On-Board-Navi beharrlich verschwieg.

    Nanakorobiyaoki

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    1.300 km für ein Foto


    Landschaftsfotografie kann bisweilen frustrierend sein. Du fährst stundenlang zu einem Spot, alle Wetterparameter passen und kurz vor Sonnenuntergang zieht es unerbittlich zu. Kennen wir alle. Haben wir alle schon erlebt. Das Gute ist: In den meisten Fällen kannst du deinen Plan zumindest theoretisch wiederholen.

    Was aber, wenn du bei deinem Zielfoto auf eine bestimmte Konstellation, bestehend aus Event, Wochentag und Uhrzeit (und freilich dem Wetter) angwiesen bist, die in den nächsten Jahrzehnten erstmal nicht mehr vorkommen wird? Nein, es geht (leider) nicht um Polarlichter, sondern ich heiße dich herzlich willkommen in der Welt der Stadionfotografie.

    Wie auch dem größten Fußballmuffel nicht entgangen sein dürfte, war Deutschland Gastgeber der Europameisterschaft. Und ich mache aus meinen Gefühlen diesbezüglich gar kein großes Geheimnis: Die EM war mir lange Zeit komplett egal, wie mir eigentlich alle Auswüchse des Turbokapitalismus namens Profifußball ziemlich egal sind, aber die Tatsache, dass ein großes Turnier erstmals seit 2016 wieder in einem richtigen Land stattfindet (die WMs in so gastfreundlichen Destinationen wie Russland und Katar blende ich mal aus), hat dann doch für ein paar selige 2006-Vibes bei mir gesorgt. Die älteren unter euch erinnern sich sicher an die abertausenden, zumeist friedlich feiernden Fans aller Herren Länder, die damals jeden deutschen Spielort unsicher machten. Spätestens die Schilderungen von Pinguin, der in Köln die Schotten erleben durfte, zwangen mich dazu, meine Kamera in die Hand zu nehmen und mich auf eine Reise zu begeben.

    Mer losse de Bahnhofskapell in Kölle

    Besagter Pinguin, Forumsmitglied und wohnhaft in Spuckreichweite der Bahnhofskapelle, hatte ein Ticket für das Spiel Belgien gegen Rumänien in Köln und ich schloss mich ihm und seinem Kumpel an. Ich hatte kein Ticket und, das mag jetzt verwirrend klingen, ich hatte auch nicht das geringste Interesse daran, eins zu kriegen. Ich wollte einfach nur etwas EM-Stimmung mitkriegen und fotografisch begleiten.

    Hierfür begaben wir uns zunächst zum Heumarkt, wo sich neben dem offiziellen Fanfest allerhand Belgier einfanden, begleitet von einem Bengalo und einer Marching Band. Ja, richtig gelesen!

    Die war eine wohltuenede Abwechslung zu dem Techno-Schrott, den die sich sonst reinballern, aber bereits einige Meter weiter auf dem Alten Markt wurde mein Klischee bestätigt, indem eine Rollkoffer-große Bassbox durch die Gassen gezogen wurde.

    Exakt so habe ich mir diesen Ausflug vorgestellt. Auch einige versprengte Schotten waren noch anwesend, angeblich sollen sich allein am Alten Markt letzte Woche über 50.000 von denen getummelt haben.

    Wir ließen uns in Richtung Hauptbahnhof treiben und nahmen von dort die S-Bahn in Richtung Stadien. Diese war komplett in rumänischer Hand, was man nicht nur an den Trikots erkannte, sondern auch an den fragenden Gesichtern, als ihnen eine Durchsage auf deutsch (!) mitteilen wollte, dass sie doch bitte nicht im Zug springen mögen.

    Ehe wir uns versahen, fanden wir uns inmitten des rumänischen Fanmarsches wieder. Hierzu organisiert die UEFA für jedes Team einen Treffpunkt ca. 1 km vom Stadion entfernt, wo sich alle Fans sammeln können und von wo aus man gemeinsam zum Stadion laufen kann. Der niederländische Fan-Marsch ging ja einigermaßen viral…

    Ich konnte mein Glück kaum fassen, dort mitten drin gelandet zu sein und beeilte mich, außen rum irgendwie vor diese Masse zu kommen, was gar nicht so einfach war. Die letzten Meter bahnte mir ein renitent klingelnder Fahrradfahrer, der überhaupt kein Verständnis dafür hatte, dass sein Weg von abertausenden Rumänen versperrt war und an dessen Fersen ich mich heftete.

    Ich hätte nie damit gerechnet, dass so viele Rumänen anwesend waren und auch nicht damit, dass viele extra aus Rumänien angereist sind. Sicher wird die Mehrzahl in Deutschland lebende Rumänen gewesen sein, ich habe aber auch eine Menge Autos mit rumänischen Kennzeichen gesehen.


    Sonnenuntergang im Schlosspark


    Die KVB war dem ganzen Spaß auch überhaupt nicht gewachsen und so war ich erst eine Stunde nach Plan zurück am Auto, gerade noch rechtzeitig für den Sonnenuntergang. Ich fuhr schnell raus ins Umland, denn südlich von Köln gibt es einige kleinere und größere Schlösser, die bekanntesten von ihnen sind Augustusburg und Falkenlust in Brühl, die als UNESCO-Welterbe eingestuft sind, nur leider für einen sommerlichen Sonnenuntergang gar nicht gut liegen. Daher entschied ich mich für das sehr viel kleinere Wasserschloss Gracht in Liblar, leider war der Sonnenuntergang nicht meiner Meinung und verzog sich gerade rechtzeitig hinter eine aufziehende Wolkenfront.

    In the summertime…


    Nun wirst du sicher gestutzt haben. Köln sind doch keine 1.300 km?! Das ist absolut korrekt, aber ich habe mir für die nächsten Tage spontan Urlaub genommen und habe mich ins Auto gesetzt, um ein Foto von meiner Bucketlist zu streichen. Ich hatte ja eingangs erwähnt, dass ich auf der Jagd nach einem Stadion war. Dieses ist bei Spielen und anderen Anlässen beleuchtet. Zweiteres teilt einem natürlich wieder niemand mit, Grüße an einen bestimmten Bochumer Wasserturm. Nur leuchtet dieses Stadion an Heimspielen in einem wirklich furchtbaren Rot, was es für mich völlig unattraktiv macht. Bei EM-Spielen hat man sich allerdings dazu entschlossen, das Stadion in den Farben des EM-Lgoos zu beleuchten und wie sang schon Verona Pooth? „Das gibt’s nur ein Mal. Das kommt nie wieder!“

    Also sattelte ich die Hühner und fuhr sehr spontan nach München. Nicht ohne Pausen, denn das Auto hatte Hunger. So trug es sich zu, dass ich gerade durch irgendeine Raststätte im Hessischen stapfte, als mir ein wüst schimpfender Mann entgegen kam: Grünes Karo-Hemd, Weste, leicht untersetzt und Vollbart. Vermutlich Wohnmobil-Fahrer, höchstwahrscheinlich auf den Namen Herbert hörend. Herbert regte sich tierisch darüber auf, dass man hier gar nicht mehr bedient wird (ist halt alles SB…) und er würde jetzt ganz dringend den ADAC in dieser Angelegenheit einschalten. Ok, Herbert.

    Die nächste Pause legte ich in Erlangen ein. Nicht zum Laden, sondern weil ein gewisses, magisches Umlaut Geburtstag hatte. Mit seiner Frau vereinbarte ich vorher die höchste Geheimhaltungsstufe und so schaute er ziemlich blöd aus dem Waschbär, als ich plötzlich neben ihm stand. So war ich dann erst um kurz vor 1 Uhr im Hotel, aber mit einer Ankunft ne Stunde vorher hätte ich auch nichts gewonnen.

    Basel-Vibes



    Für die Aktion habe ich mir ja eine ganz tolle Woche ausgesucht! Schon am Morgen waren flauschige 27 Grad und so hatte ich absolut keinen Bock, durch die aufgeheizte Stadt zu laufen, auch wenn mich schon interessiert hätte, was die abertausenden Dänen vor dem Spiel so treiben. Ich stattete daher dem Olympiapark einen Besuch ab, nur leider hatte ich die Rechnung ohne das offizielle Public-Viewing-Area gemacht, die genau neben dem Olympiastadion stand und Fotografieren dort völlig sinnlos machte. Es blieb bei einem Schnappschuss vom Olympiaberg. Während ich dort oben stand, stiefelte ein älteres Pärchen vorbei. Er fröhlich pfeifend und sie zeternd hinterher: „Leichter Spaziergang… I bin do ka Gemse!“

    Das dachte ich mir dann auch und verschob jegliche körperliche Aktivität in die Abendstunden. Da nun aber noch mächtig Zeit auf der Uhr war, fuhr ich raus zum Ammersee, was nur eine halbe Stunde dauerte. Dort war es gefühlt erheblich kühler, aber immer noch viel zu heiß für alle Aktivitäten, die nicht die Worte „Eis“ und „sitzen“ beinhalteten. Immerhin weiß ich jetzt, dass in Inning am Ammersee zwar kein Baseball gespielt wird, es dort aber das großartigste Schokoladeneis der Welt gibt. Unbedingt bei der Eismacherei Fischer vorbeigucken!

    Der fotografische Ehrgeiz packte mich dann doch kurz, denn ich erspähte ein Bootshaus am Ufer. Zum Glück zogen mittlerweile ein paar Wolken auf, sodass der Himmel zumindest etwas gut aussah. Da man dort direkt am Nordufer steht, dürfte sich das auch für verschiedene Situationen rund um Sonnenauf- und untergang ausgehen und da ich von München sowieso (mal wieder) nichts gesehen habe, muss ich eh nochmal hin.


    Die Doppelkirche vom Monte Müllo

    Nun wollte sich aber bereits ein Parkplatz in der Nähe des Stadions gesucht werden, denn das ist in München immer ein ganz großes Abenteuer, wenn man nicht 10€ im Stadion-Parkhaus latzen will. Und ich wollte ja gar nicht INS Stadion. Neben diesem liegt praktischerweise ein Hügel, der bis in die 60er Jahre als Mülldeponie genutzt wurde und für den das Dorf Fröttmaning fast komplett weichen musste. Die Kirche existiert noch und als Kunstinstallation wurde eine Kopie der Kirche in den Hang gebaut. Diese sollte mir später als Vordergrund dienen, aber erstmal musste ich diesen Hügel erklimmen.

    Oben angekommen stellte es sich als gute Idee heraus, eine Regenjacke dabei zu haben. Nicht, weil ich sie gebraucht hätte, bei immer noch fast 30 Grad, aber dank des Hochwassers einige Wochen zuvor und der seitdem anhaltenden Hitze gab es Tonnen von Mücken. Abertausende Blutsauger! Also mumifizierte ich mich ein und ärgerte mich, die Handschuhe zuhause gelassen zu haben.

    Nun aber zum Zielfoto: Die Bildgestaltung war denkbar einfach, Kunstkirche auf die linke Drittellinie in den Vordergrund, Brennweite auf 50mm (KB) und einfach warten. Neben mir waren noch 10 andere Fotografen anwesend, aber die entschieden sich alle für einen Blickwinkel ca. 15 Meter über meinem. Ich machte schließlich zwei Bilder und fügte diese hinterher in Photoshop zusammen. Der Himmel entstand eine halbe Stunde vor dem Rest.


    Nachts in München



    Das Spiel an sich hörte ich nebenbei per Sportschau-Audiostream und es war furchtbar. Gut, dass ich dafür keine 150€ ausgegeben habe. Nach Abpfiff beeilte ich mich, von diesem Hügel zu kommen, denn im Hintergrund sah ich zuckende Blitze, dank massivem Baumbewuchs konnte ich allerdings nicht bestimmen, wo genau dieses Gewitter tobte. Später zeigte sich, dass es weit entfernt irgendwo in Richtung Alpen rund ging.

    Ich gurkte mal kurz durch die Innenstadt, nur um festzustellen, dass alle bedeutenden Gebäude stockfinster waren. Da ich die Nahrungsaufnahme etwas vergessen hatte, blieb nur der Schachtelwirt irgendwo am Stadtrand, auf dem Weg zum Hotel. Dort waren ebenfalls zugegen: 10 Dänen, 8 Serben und zwei Engländer. Leider war keiner der Beteiligten betrunken genug, um einen Streit vom Zaun zu brechen.

    Achtung, Verrückte!



    Am nächsten Morgen wurde ausgeschlafen, erst um 11 Uhr machte ich mich auf den Weg zum Grünwalder Stadion. Dieses habe ich schon sehr lange auf der Liste, eigentlich zum Sonnenaufgang, aber das war beim besten Willen fernab jeglicher Motivation. Ich parkte direkt davor und machte die Drohne startklar, was eine zufällig vorbeikommende Radlerin verwunderte. Sie fragte, was ich da machen würde, ich erklärte ihr, dass ich Stadien fotografiere und dass ich über 600 km gefahren bin, um mir ein Fußballspiel von außen anzuschauen.

    „Die Verrückten werden echt immer mehr…“ war ihre nicht ganz ernst gemeinte Antwort, ehe sie mir wünschte, München in guter Erinnerung zu behalten. Das werde ich, auch wenn ich (mal wieder) nichts von München gesehen habe. Ich war schon einige Male im Stadion selber habe noch nie irgendwas signifikantes von der Stadt gesehen.

    Auch die letzte Ladepause wurde wieder überraschend unterhaltsam. Ich wollte gerade das Kabel abstecken, als aus dem VW ID.4 neben mir laute Marschmusik tönte. Hinterm Lenkrad saß ein Dude und übte dazu Trompete. Ein Blick auf das Kennzeichen ließ jeglichen Zweifel verstummen: Österreicher. Selbstverständlich.

    Nanakorobiyaoki

  • Diese war komplett in rumänischer Hand, was man nicht nur an den Trikots erkannte, sondern auch an den fragenden Gesichtern, als ihnen eine Durchsage auf deutsch (!) mitteilen wollte, dass sie doch bitte nicht im Zug springen mögen.


    EIgentlich traurig angesichts des Anlasses aber trotzdem: ;D

  • Zitat

    Dort waren ebenfalls zugegen: 10 Dänen, 8 Serben und zwei Engländer. Leider war keiner der Beteiligten betrunken genug, um einen Streit vom Zaun zu brechen.


    Wie immer ein großer Spaß, Danke! ;D :nuke: Vielleicht fahr ich ja doch mal mit, München nicht anschauen.

    "Denn anders als Arbeitsstelle, Lebenspartner oder Automarke ist der Lieblingsklub nicht austauschbar.

    Mit ihm ist der Mensch ein Leben lang verbandelt wie mit der eigenen Haut.

    Sie mag Falten kriegen, doch ablegen kann sie niemand. Selbst wenn man das manchmal gern möchte."

    (Lars Wallrodt)

  • Hinterm Lenkrad saß ein Dude und übte dazu Trompete. Ein Blick auf das Kennzeichen ließ jeglichen Zweifel verstummen: Österreicher. Selbstverständlich.

    ;D

    "Chicago ist der Ort, an den Quarterbacks gehen, um zu sterben"

  • Vielleicht fahr ich ja doch mal mit, München nicht anschauen.

    Oder mal wieder auf die Hachinger Pressetribüne?

    Du wirst koana vo UNS

    In a world of compromise....Some don’t.


    Hängt die Nazis solange es noch Grüne gibt!

  • Von da sieht man auf jeden Fall recht wenig von München.

    "Denn anders als Arbeitsstelle, Lebenspartner oder Automarke ist der Lieblingsklub nicht austauschbar.

    Mit ihm ist der Mensch ein Leben lang verbandelt wie mit der eigenen Haut.

    Sie mag Falten kriegen, doch ablegen kann sie niemand. Selbst wenn man das manchmal gern möchte."

    (Lars Wallrodt)

  • Schön und mit Bildern: https://valokuva.de/?p=26790

    Das letzte Spiel

    Es geht nicht nur um Fußball, aber diesmal stand das runde Leder im Mittelpunkt. Und auch die Besetzung war etwas anders als sonst. Außerdem war es warm. Unfassbar warm! Folgt mir auf eine Reise in ein längst vergessenes und vom Zahn der Zeit schwer gezeichnetes Stück DDR-Stadiongeschichte.


    Prolog: Hamburg

    Zunächst jedoch ging es über Umwege nach Hamburg. Dort war es alles, aber nicht warm. Hamburg halt. Mit dem ICE fuhr ich in Richtung Hannover. Und landete für eine halbe Stunde in Hamm. Zugteilung, bzw. -zusammenführung. Ich Fantast habe wirklich geglaubt, 17 Minuten Umsteigezeit in Hannover würden reichen. Auf einem Freitag. Ich Idiot! Zum Glück war die weitere Reise nicht zeitkritisch, Hannoi sammelte mich bei ihm vor der Haustür ein und fuhr mich dankenswerterweise zu meinem neuen Auto. Anschließend fuhren wir weiter nach Hamburg, nordpolar besuchen. Der wollte auch mal E-Auto fahren. Besuche bei ihm sind niemals kurz, diese Erfahrung machten wir bereits im letzten Februar. Auch diesmal kamen wir nicht vor der Geisterstunde raus, mussten dann noch irgendwo was essen und nachdem ich Hannoi wieder an seinem Auto abgeliefert habe, fuhr ich in meine Zwischenstation in der Heimat. Um 5 Uhr klingelte der Wecker…


    A few moments later

    Nicht mal drei Stunden später war es bereits 5 Uhr. Irgendein Komiker hat das erste Spiel für 11 Uhr angesetzt und zwischen mir und dem Stadion lagen noch fast 400 Kilometer und ein nicht komplett vollgeladenes Auto. A propos Auto, lest ihr hier auch direkt den Grund, warum ich den Kia Niro verkauft habe. Mit dem Ding werden solche Touren wie heute völlig undenkbar gewesen, weil die im Vergleich viel längeren Ladezeiten den verbliebenen Schlaf in eine Richtung gedrückt hätten, in der ich mich niemals hinter ein Steuer gesetzt hätte und weil wir dadurch das zweite Spiel einfach gar nicht erst geschafft hätten. Es ist wieder ein E-Auto und es lädt wesentlich schneller nach. Und es sieht viel cooler aus, irgendwie muss man ja auch die heimische Finanzministerin überzeugen.

    Und doch war der Zeitplan arg knapp kalkuliert und ich kam erst ca. 20 Minuten vor Anpfiff am Parkplatz an. Glücklich, eine Ladesäule gefunden zu haben, steckte ich das Auto an… Säule defekt. Geil. Was für mich bedeutete, dass ich nach dem Spiel noch irgendwo zwischenladen muss, um das nächste Etappenziel zu erreichen. E-Mobilität kann bisweilen frustrieren, willkommen in Deutschland im Jahr 2024.

    Vor dem Spiel traf ich meine heutige Gesellschaft. Beastieboy, der die Kassierer sämtlicher Bayerischer Dorfbolzplätze beim Vornamen kennt und Captain BlackAdder, der die Fanartikelverkäufer sämtlicher Berliner Hinterhofbolzplätze beim Vornamen kennt. Flugs drückten sie mir mein Ticket in die Hand und wir betraten das weite Rund.


    Das erste letzte Spiel

    Wir befanden uns nun im Ernst-Grube-Stadion zu Riesa, einen Hoeneß-Elfmeter vom Hauptbahnhof entfernt. Dieses wurde 1955 eröffnet und diente der BSG Stahl Riesa als standesgemäße Heimspielstätte. Als die BSG Stahl 1968 in die DDR-Oberliga, also die höchste Liga im DDR-System, aufstieg, wurde das Stadion auf 15.000 Plätze ausgebaut. Dort spielte Stahl insgesamt 16 Spielzeiten, zumeist allerdings im unteren Tabellendrittel.

    Wie so vielen Vereinen der ehemaligen DDR, tat die Wende auch Stahl Riesa nicht besonders gut. Es ging abwärts, es wurde mehrfach fusioniert und 2003 war das Schicksal des Vereins endgültig besiegelt. „Die Grube“, wie die Fans das Stadion nannten, verlor über Nacht ihren einzigen Nutzen. Stahl Riesa gründete sich zwar im gleichen Jahr neu, spielte allerdings nie wieder über einen längeren Zeitraum in der Grube, sondern pachtete einen anderen Platz, den sie sukzessive herrichteten und der – Namenssponsoren sind schon was tolles – eine Zeit lang auf den prächtigen Namen Nudelarena hörte.

    Die selbst ernannte Sportstadt Riesa hatte sich ungefähr zeitgleich mit verschiedenen anderen, völlig überdimensionierten Projekten, ziemlich übernommen und interessierte sich nicht mal ansatzweise für die Grube, die in der weiteren Zeit lustig vor sich hin verfiel. Es fanden immer mal vereinzelt Spiele im Stadion statt, aber mittlerweile hätte es einer Generalsanierung bedurft, für die niemand aufkommen wollte.

    Und so trug es sich zu, dass an diesem 8. Juni 2024 das voraussichtlich letzte Spiel in der Grube stattfinden sollte. Seit einiger Zeit kümmert sich der famose Instagram-Account lostgroundhop um die Erhaltung, oder immerhin die würdige Verabschiedung fußballdeutschen Kulturguts und organisiert zusammen mit seinen Partnern in Crime, der 1. Herrenmannschaft des Polizeisportverein Braunschweig Freundschaftsspiele in alten, nicht mehr bespielten Stadien. „Clubkrawatte“ aus dem Forum bezeichnete es passend als Groundhopper-Klassentreffen.

    So auch hier, denn es dauerte keine 30 Sekunden, bis meine Begleiter bekannte Gesichter unter den (offiziell) 999 Zuschauern ausmachten und in Gespräche vertieft waren, während ich erstmal Frühstück suchte. Man tauschte Anekdoten, Geschichten und Pläne aus und das Spiel verkam schnell zur Nebensache. Dieses war allerdings aufgrund der affigen Temperaturen und des Freundschaftsspiel-Status auch nicht gerade ein Augenschmeichler.


    Oh, Schatz!

    Nun hatten wir nach dem Spiel die Herausforderung, in ungefähr 90 Minuten ca. 90 km überbrücken zu müssen. Ausschließlich Landstraße! Ihr erinnert euch, ich konnte nicht laden und brauchte so auf jeden Fall eine kurze Pause. Diese legten der mittlerweile auf dem Beifahrersitz lungernde Captain BlackAdder und ich im beschaulichen Oschatz ein. Wir staunten aus der Entfernung über die schöne Kirche, wunderten uns über das Grafitto „Oschatz Crime Time“ und freuten uns über die örtlichen Firmenwegweiser, die direkt untereinander den Weg zur Trauerhilfe und zum Sex-Shop wiesen. Weil wir so schnell nicht anhalten konnten, hier ein Screenshot aus Google Street View:


    Quizfrage an die fußballaffine Leserschaft: Wo steht das größte Stadion Thüringens? Erfurt? Jena? Mitnichten! Im beschaulichen Altenburg, das normalerweise überregional für seine Spielkarten bekannt ist, steht die passend benannte Skatbank-Arena mit einer offiziellen Kapazität von 25.000 Zuschauern. Altenburg hat knapp über 31.000 Einwohner. Für wen haben die dieses Stadion gebaut? Erschwerend kam hinzu, dass der ansässige Verein, Motor Altenburg, seine paar Jahre in der DDR-Oberliga bereits hinter sich hatte, als das Stadion im Jahre 1957 eingeweiht wurde. Zwischen 7.000 und 10.000 Fans kamen aber dennoch regelmäßig.


    Das zweite letzte Spiel

    Leider ahnte in Altenburg niemand, was sich im knapp 90 km entfernten Riesa zusammenbraute, denn selbstverständlich hatten nicht nur wir die Idee, beide Spiele miteinander zu kombinieren. Die Kassenkraft schickte schnell einen Jugendspieler, noch nen Satz Eintrittskarten aus dem Schrank zu holen und irgendwer schwang sich kurz vor Spielbeginn in den Vereinsbus und hetzte zum örtlichen Getränkemarkt, um den vielen durstigen Kehlen gerecht zu werden. Normalerweise kommen hier mit Glück mal 80 Leute, diesmal waren es mehr als 300. Die ortsanwesenden Dauergäste freuten sich sichtlich über die zahlreichen neuen Besucher und forderten uns sogar vehement auf, ihre Zaunfahne und ihre Jubelposen zu fotografieren.

    Motor Altenburg spielt mittlerweile in der Kreisoberliga, was die achte Stufe des Thüringischen Ligasystems darstellt. Gegner war der SV Blau-Weiß 1990 Niederpöllnitz und da es der letzte Spieltag der laufenden Saison war, ging es für beide um nicht mehr als die berühmte goldene Ananas. Dabei schien es, als hätte Motor erstmal überhaupt keinen Bock auf das Spiel. So stand es zur Halbzeit 0:2, inkl. eines absurden Tores aus ungefähr 40 Metern, aber der Torwart war auch nur wenig größer als ein durchschnittlicher Hobbit.

    Kurz nach der Pause fiel direkt das 0:3 und alle dachten, dass es das bereits war. Nur eine Minute später fühlte sich Altenburg aber offenbar bei der Ehre gepackt und erzielte das 1:3, was die Gäste aus Niederpöllnitz zuerst nicht sonderlich beeindruckte. Als aber 15 Minuten vor Schluss das 2:3 fiel, flatterten plötzlich sämtliche Nerven und nur vier Minuten später traf Altenburg zum umjubelten 3:3-Endstand, der die Saison versöhnlich beendete.

    Wir sattelten derweil die Hühner, am Ausgang zeigten sich ein paar Vereinsmitglieder noch höchst dankbar für den zahlreichen Besuch und ich lud den Captain ins Auto, um ihn zum Leipziger Hauptbahnhof zu chauffieren.


    Ein Abend in Leipzig

    Nach nicht mal drei Stunden Schlaf und dieser sengenden Hitze war mein Interesse, nach den Spielen noch 500 km nach Hause zu gurken, doch arg überschaubar. Also buchte ich mir für eine schmale Mark ein Hotel vor Ort und beschloss, mich dieser Stadt mal fotografisch zu nähern. Dabei hatte ich richtiges Glück. Klar, Hannoi war ja auch nicht mit dabei. Der ganze Tag war wolkenlos, aber pünktlich zum Sonnenuntergang schoben sich ganz dünne Wolken in den Himmel. Praktischerweise stand ich sowieso gerade zufällig vor dem Bundesverwaltungsgericht herum.

    Ich beeilte mich anschließend, die einbrechende blaue Stunde am Völkerschlachtdenkmal zu erleben. Ja, natürlich hat das Ding jeder schon fotografiert, aber ich heiße ja nicht „jeder“. So stellte ich mein Stativ – so meinte ich jedenfalls – in der Mitte auf und knipste fröhlich ein paar Bilder. Ich packte zusammen, war in Aufbruchstimmung, ehe ich von einer ebenfalls anwesenden Fotografin angequatscht wurde, ob sie mir mal Platz machen soll, damit ich auch mal mittig in die Sichtachse komme. Hä? Hab ich so einen Knick in der Optik gehabt? Mir ist das wirklich nicht aufgefallen!

    Die Fotografin stellte sich als Mia vor (Link zu ihrem Insta-Account) und war als Local mit einigen, mir unbekannten Fotospots vertraut. Sie schleppte mich auch sogleich in Richtung eines dunklen Friedhofs. Was im ersten Moment creepy klingt, entpuppte sich schnell als nettes Fotomotiv keine 50 Meter neben dem Völkerschlachtdenkmal. Das Ding hätte ich niemals gefunden! Leider war die Kapelle nicht beleuchtet.

    Das und die nachfolgende Verquatschung sorgte allerdings dafür, dass meine blaue Stunde schlagartig schwarz wurde. Mehr als ein kurzer Abstecher zum Neuen Rathaus war nicht mehr drin und eins war bereits gewiss: Der Sonnenaufgang würde für mich ausfallen. Womit auch gewiss ist, dass Leipzig mich wiedersehen wird.

    So unternahm ich am Sonntag nur noch einen kleinen Umweg nach Leutzsch. Hier, mitten im Wald, steht das Stadion von Chemie Leipzig. Fußball gucken war ich da schon mal, Leser der ersten Stunde erinnern sich vielleicht. Für alle anderen ist der Beitrag hier verlinkt. Heute wollte nur die Drohne auch kurz mal ihre Berechtigung einfordern, überhaupt mitgenommen worden zu sein. Und dann ging es auch schon nach Hause.

    Nanakorobiyaoki

  • Für alle anderen ist der Beitrag hier verlinkt.

    Soso...

    "Denn anders als Arbeitsstelle, Lebenspartner oder Automarke ist der Lieblingsklub nicht austauschbar.

    Mit ihm ist der Mensch ein Leben lang verbandelt wie mit der eigenen Haut.

    Sie mag Falten kriegen, doch ablegen kann sie niemand. Selbst wenn man das manchmal gern möchte."

    (Lars Wallrodt)

  • So wichtig bist du auch net... :breitezunge:

    "Denn anders als Arbeitsstelle, Lebenspartner oder Automarke ist der Lieblingsklub nicht austauschbar.

    Mit ihm ist der Mensch ein Leben lang verbandelt wie mit der eigenen Haut.

    Sie mag Falten kriegen, doch ablegen kann sie niemand. Selbst wenn man das manchmal gern möchte."

    (Lars Wallrodt)

  • Metzchen de Lux – der Ball

    In schön und mit Bildern: https://valokuva.de/?p=34222


    Ach komm, den Klassiker droppe ich direkt zu Beginn: „Eigentlich wollten wir…“

    … nach Warschau, aber Hannoi war unpässlich. So habe ich kurzerhand beschlossen, meinen sowieso für den Sonntag geplanten Trip nach Saarbrücken etwas auszudehnen. Tex, der tapfere Grenzreiter war also allein unterwegs, was zumindest nicht allzu schlechte Fotobedingungen garantieren sollte. Theoretisch.

    Diesmal teile ich den Bericht mal etwas anders auf. Nicht chronologisch, sondern nach Fußball und Fotografie. Los geht’s mit dem runden Leder.


    Fußball de Lux

    Los ging es mit Luxemburg. Obwohl das gar nicht so weit von mir entfernt ist, war ich da noch nie, außer ein Mal zum Tanken. Und um danach in Trier aus dem DFB-Pokal zu fliegen. Gegen Mario Basler auf der Trainerbank. Der Grund ist simpel und heißt Eifel. Fast 70 km Landstraße liegen im Weg und das zieht sich dann doch. Eifeltypisch kübelte es unterwegs amtlich und das sollte sich auch heute nicht mehr bessern.

    Luxemburgs Größe ist überschaubar, das Land ebenso wie die gleichnamige Hauptstadt. Der Zuschauerzuspruch beim Fußball auch. Daraus resultierte, dass ich direkt am Stadion parken konnte. Mit den sprachlichen Gepflogenheiten vor Ort nicht vertraut, quatschte ich die Kassiererin erstmal auf Englisch an. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob die Luxemburger da selbst durchblicken. Gesprochen wird Letzebuergesch, was eigentlich deutsch sein soll, aber mit sehr vielen französischen Lehnwörtern durchsetzt ist. Zusammen mit dem moselfränkischen Dialekt klingt es, als würde ein besoffener Belgier einen Pfälzer nachäffen. Sämtliche Beschilderungen sind allerdings auf Französisch. Deutsch versteht aber auch jeder. Und wer kennt sie nicht, die Hansestadt Luxemburg… Hansafans. Luxemburg. Ich fühle mich betrogen!

    Zu meiner Verwirrung trug auch der Trainer der Heimmannschaft bei: Er kommunizierte mit seinen Spielern ausschließlich auf Französisch, nur um dann später in klarstem Hochdeutsch den Linienrichter anzupöbeln. Der Mann hört auf den Namen Yannick Kakoko, hat mal in der Jugend des FC Bayern gespielt und nach einer glanzvollen Spielerkarriere durch die Aalens, Homburgs und Legnicas dieser Welt, ist er nun Cheftrainer in Luxemburg.


    Foot villageois

    Das Kassenhäuschen befand sich in einem Container, dem in Altenburg nicht unähnlich. Als ich das Stadion betrat, blickte ich auf dreiseitige, gähnende Leere. Das Stade Achille Hammerel ist zwar das drittgrößte des Landes, aber nur eine Seite ist bebaut und auch Flutlichtmasten sucht man vergebens. Derweil ärgerte ich mich etwas, die Kamera im Auto gelassen zu haben. Nicht, weil ich sie für das Stadion gebraucht hätte, aber die startenden Flieger des nahegelegenen Flughafens passierten direkt die Tribüne. Das habe ich allerdings erst zur 80. Minute gemerkt.

    Ich war viel zu sehr mit dem Spiel beschäftigt, das zumindest zu unterhalten wusste, auch wenn das Niveau für eine westeuropäische erste Liga grausig war. Beide Mannschaften hätten wohl ihre liebe Mühe, in der deutschen Regionalliga nicht abzusteigen. Der Abräumer im Mittelfeld von Union ist ein uralter Costa Ricaner, der vor gefühlt 100 Jahren mal ne Hand voll Länderspiele gemacht hat. Der Mittelstürmer wechselte vor der Saison vom Drittligisten Waldhof Mannheim nach Luxemburg. Allerdings von der zweiten Mannschaft der Waldhofer. Damit ist über das zu erwartende Niveau des Spiels alles gesagt.

    Der Gast, ein Klub namens US Hostert, stammt aus einer 500-Seelen-Gemeinde vom anderen Ende des Flughafens, hatte allerdings keinerlei Unterstützung dabei. Auch auf Heimseite gab es gar keinen Support, unter den offiziel 286 (!) Zuschauern befanden sich aber immerhin ein Lou-Bega-Double, ein paar fränkische Groundhopper und zwei Damen, die auf der Tribüne seelenruhig ihre mitgebrachten Sektflaschen auspackten. Aus den knarzenden Boxen dröhnten vor Anpfiff Springsteen, Guns’n’Roses und die Fetenhits Stadionklassiker.

    Highlight des Spiels: Spät, als bereits der 4:1-Endstand festgelegt war, zimmerte der Stürmer von Union das Spielgerät unbedrängt in die Wolken und ließ sich aufgrund des schlechten Schusses fassungslos auf den Rasen fallen. Er hatte die Rechnung nicht mit dem Ballfangzaun hinter dem Tor gemacht, wovon der Ball abprallte und genau auf seinem Kopf landete. Er fand das nicht ganz so lustig wie der Großteil der Zuschauer.


    Sonntag ist Saartag

    Am nächsten Tag ging es ungefähr eine Stunde durch die Lothringische Prärie nach Saarbrücken. Heißt es eigentlich Saab-Rücken, wenn ein schwedisches Auto nen Hexenschuss hat? (hier bitte Horst-Schlämmer-Parodie vorstellen) Egal, erstmal wollte mein Auto frühstücken, was in Frankreich erwartungsgemäß problemlos geht. Es gibt schlicht überall Schnelllader von allen möglichen Anbietern und sogar in vergleichsweise großer Stückzahl. Wo man in Deutschland vier arme Ionity-Säulen an ne Autobahn quetscht, stehen dort einfach 18 von den Dingern auf einem Fleck.

    Die erste Runde des DFB-Pokals stand an und schon früh hatte MagicOe (alias Herr Umlaut) die gar hinreißende Idee, dem Auftritt seiner Nürnberger beizuwohnen. Mit mir. Hurra. Und da gurke ich nun an einem Sonntag high noon durch das gar nicht mal so schöne Saarbrücken, suche verzweifelt einen Parkplatz und stelle fest, dass es der Fußweg ebenso tut. Nachricht von Herr Umlaut: „Stehe am Spörlein-Bus“. Schau an, Harald Spörl hat einen noch kleineren Bruder.

    Rein in den Gästeblock, die obligatorische Kontrolle war mal wieder lächerlich. Wieder die Handgranaten zuhause vergessen, schade aber auch. Das Sicherheitskonzept wollte nicht ganz einleuchten: Hier vergittern sie sogar die Getränkestände, schenken die Softdrinks aber in 0,5er-Flaschen aus. Flaschen fliegen viel besser als Becher, aber sie werden schon wissen was sie tun. Sie sind ja schließlich nicht blod.

    Dieses Stadion ist schon eine ziemlich lustige Bastelei. Immerhin blieb jetzt der Rasen trocken, nachdem in der letzten Saison reihenweise Spiele abgesoffen sind, aber was sie sich bei der Gegentribüne gedacht haben, weiß nur der liebe Gott. Dort ist ihnen im Unterrang wohl der Beton ausgegangen und sie haben nur in die Mitte Stehstufen gebaut und an den Seiten die übrig gebliebenen Rasenwälle einfach mit Folie abgedeckt. Sieht furchtbar aus! Auf den Hintertortribünen haben sie das Dach mindestens fünf Meter zu hoch angesetzt. Wahrscheinlich wird man – wie in Ingolstadt – klatschnass, wenn man bei Regen in einer der letzten Reihen steht. Als Krönung hat irgendein Schlaumeier den Einfall gehabt, die rechte Seite des Gäste-Sitzblocks mit Planen abzudecken, sodass alle Karteninhaber nur eine statt zwei Treppen zur Verfügung hatten.


    The Folter is real – The Glubb is real

    Ob das Spiel furchtbar war? Selbstverständlich! Ob Herr Umlaut und ich dennoch Spaß an diesem Kick hatten? Selbstverständlich!

    Nürnberger Ultras klettern auf den Zaun. Kommentar von rechts: „Ein schwäbisches Sprichwort sagt: Wenn die Affen steigen, wird’s Wetter schön.“

    „Dieser Querpass wird Ihnen präsentiert von spielaufbau.at – Ihrem zuverlässigen Partner rund ums Automobil. Reifen von spielaufbau.at – nur jetzt in der besten Werkstatt der Stadt.“

    Damit ist sowohl über das Spiel, als auch über uns beide alles gesagt.

    Zunächst jedoch folterte uns der Gastgeber mit allerhand lustiger lausiger Musik. Da ließ sich die Heimkurve nicht lange bitten und folterte unsere Lachmuskeln mit einer Blockfahne. Aux Armes stand drauf. Also Audiokabel mit Ärmeln. Eine Kanone war auch noch drauf und für die Special Effects haben sie einen einzelnen Rauchtopf durchgesteckt, der in der Mündung der Kanone rauchen sollte. Wie Rammstein, nur größer.

    Fanclubs mit Supernamen: Für Nürnberg war der ‚Souphpark‘ anwesend und für Saarbrücken die Flagge ‚Verlebte Jungs‘. Blümchen würde jetzt nen Sommerhit draus machen.

    Nun aber schnell zum Spiel: Nürnbergs Neuzugang Sevcak (tschechischer Saftsack) besorgte mit einem sehenswerten Distanzschuss die frühe Führung, Brünker glich für Saarbrücken ebenso sehenswert zehn Minuten vor Schluss aus. Toll, eine Verlängerung. Wir konnten alle gar nicht genug bekommen von diesem hochklassigen Kick. Die Spieler auch nicht, sie wollten unbedingt ein Elfmeterschießen, in dem – zu unserer Überraschung – der Glubb alle Fünfe souverän verwandeltet. Die Entscheidung lasse ich Herrn Umlaut kommentieren: „Oh, ein Ehemaliger. Das wär doch was, wenn der etz verschießt…“ Tat er. Abpfiff. Nürnberg in Runde zwei.


    Foot urbain

    Am Montagabend stand Metz auf dem Spielplan, denn der dortige FC, jüngst mal wieder in die Ligue 2 abgestiegen, hatte ein Heimspiel gegen den SC Bastia. Über 1.000 km auf einem Montagabend, da freut man sich doch als Fan der Gastmannschaft. Also die zwanzig, die vor Ort waren. Aufseiten des FC Metz interessierten sich gut 18.500 Zuschauer für das Spektakel. Zumindest offiziell, denn so voll sah es eigentlich gar nicht aus.

    Das Stade Saint-Symphorien liegt auf der gleichnamigen Moselinsel. Durch die Lage erinnert es etwas an das Bremer Weserstadion und durch das verbastelte Antlitz ist es für mich eins der schönsten Stadien in ganz Frankreich.

    Das Spektakel dauerte geschlagene 117 Minuten. Ohne Verlängerung. Und das kam so: Der TV-Partner beIn Sports mit Sitz in Katar handelte im Sommer einen neuen Vertrag mit der Liga (Ligue 1 & Ligue 2) aus. Dieser sah wesentlich weniger (!) Einnahmen für die Klubs vor, als im vorherigen Vertrag (schlechtester Vertrag seit 2005!) und gleichzeitig fließen von den Einnahmen nochmal 13% an einen Investor. Gleiches hatte die DFL mit der Bundesliga ja auch vor und sich dabei ne kräftig blutende Nase von den Fankurven geholt. Im Zentrum des Protestes der Teams der Ligue 2 ist somit der Deal und das Festhalten an den unbeliebten Montagsspielen. Und was in deutschen Fankurven prächtig funktionierte, kann auch für Frankreich nicht unnütz sein, dachte man sich und so flogen zwei Minuten nach Anpfiff hunderte Tennisbälle auf das Spielfeld.

    Größter Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland: Während der Protest in Deutschland, von den Fankurven organisiert, gerne mal von den anderen Stadionbesuchern niedergepfiffen wurde (man will ja schließlich in Ruhe Fußball gucken und pünktlich zuhause sein!), schloss sich das „normale“ Publikum in Metz freudig dem Protest an und applaudierte jedem einzelnen Tennisball.

    Als die erste Halbzeit nach einer ungefähr 20-minütigen Unterbrechung wieder lief, bemerkte man den Unterschied zur vorherigen Unterbrechnung nur daran, dass ab und zu mal ein Ball über die Bande flog. Das Niveau war unterirdisch! Die zweite Halbzeit war besser, auch, weil der FC Metz jetzt mal Interesse daran zeigte, den zwischenzeitlichen Rückstand zu egalisieren. Wann machen Tore am meisten Spaß? Richtig, Sekunden vor Abpfiff. Und so legte er sich in der 116. Minute den Ball für einen direkten Freistoß zurecht, dieser flog kunstvoll über die Mauer und schlug linksoben im Knick ein. Und wer nicht bereits eingenickt ist, hatte seine helle Freude an diesem Ausgleich.

    Vor der Heimreise am nächsten Morgen war ich sogar nochmal in Metz, denn meine Drohne wollte sich das Stadion auch mal anschauen.

    Nanakorobiyaoki

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