"Mein schönstes Ferienerlebnis" - Katers Spielberichte

  • Endlich wieder Fußball. So richtiger. Ohne Fanmeilen, geschminkte Gesichter und Hawaii-Kettchen, denn schließlich ging es zusammen mit dem Schorsch ins beschauliche Walldorf. Nachdem wir am Abend zuvor in der Hans-guck-in-die-Luft-Arena schon Zeuge wurden, wie der Glubb höflich aus dem Pokal geleitet wurde, machten wir uns mit einer Mischung aus Frohmut und typisch hannöverschem Optimismus ("hoffentlich fliegen die wenigstens nach 90 Minuten raus. Kein Bock auf Verlängerung") auf den Weg ins Nordbadische. Dort angekommen, staunten wir erstmal nicht schlecht über dieses Kuhdorf, das aber (dank SAP, HDM und IKEA) zu einer der reichsten Städte Europas zu zählen ist. Dies machte sich an den piekfeinen Straßenlaternen, solarbeleuchteten Straßenschildern und einer zweispurigen Umgehungsstraße bemerkbar. Nicht zuletzt kann das Schwimmbad, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft auch das Astoria-Stadion zu finden war, locker mit karibischen Ferienanlagen mithalten. Von Schildern hielten die am Stadion selbst nicht so viel, da half nur durchfragen: "Wie komm ich denn zum Gästeblock?" "Hier weiter und nach 80 Metern links in den Wald." "Sagte der gerade, 'links in den Wald'"? Tat er und so stiefelten wir tatsächlich über einen 50 cm breiten Waldweg durch's Gestrüpp einmal um die ganze Butze rum. Die Einlasskontrolle gab sich ähnlich entspannt wie die Parkplatzsituation und die allgemeine Stimmung der Sicherheitskräfte. Hektik ist dem gemeinen Walldorfer scheinbar fremd. Die ganze Anlage hat ungefähr den Charme des Dietmar-Hopp-Stadions ein paar Kilometer weiter östlich. Eine überdachte Haupttribüne mit 6 Sitzreihen, ein paar "Logen" und einer Steh-Brüstung oberhalb der Sitzreihen für den "FCA-Fanclub 87", sowie eine unüberdachte Gegentribüne mit 4 Stehstufen, die für den Pokalkick mit einer Zusatztribüne ergänzt wurde - fertig ist das Teil. Eine Anzeigetafel fehlt gänzlich, aber immerhin haben sie unaufhörlich versucht, im Gästeblock FCA-Merch an den Mann zu bringen. :nuke: Ein Kumpel ist unterdessen mit dem Fahrrad aus Hannover angereist. 6 Mann, einer mit'm Transporter und Material vorne weg, wurden seit Montag Dorfvereine auf der Route angesteuert und um Asyl ersucht, welchem alle auch begeistert stattgaben. Sogar Radio Regenbogen wurde auf das Gespann aufmerksam und wollte ein Interview. :rotate:


    Für den größten Erfolg der Vereinsgeschichte hatten sie sich teilweise etwas ganz besonderes überlegt. Highlight war defintitiv der Typ mit seiner (einzigen!) übergroßen Schwenkfahne, der sich mit eben dieser auf den Rasen stellen sollte, wenn die Mannschaften einlaufen. Dummerweise hatte er seine Rechnung ohne den Rasensprenger gemacht, der just in dem Moment aus dem Boden geschossen kam und ihm eine volle Breitseite verpasst hat, als er mit stolz geschwellter Brust und gehisster Fahne stramm in Richtung Mittelkreis marschiert ist. Die Fahne, die nun im nassen Zustand ein paar Gramm schwerer gewesen sein dürfte, wollte er nun zum Trocknen auf den Rasen legen. Der Platzwart hatte jedoch mitgedacht und machte sich nun seinerseits einen Spaß daraus, den Fahnenmann etwas mit den anderen Wassersprengern zu piesaken. Zweites Highlight war die ausgedachte Choreographie zum Anpfiff. Nun ist es per se schon mal keine gute Idee, eine Choreo und sei sie noch so simpel, ausgerechnet auf der Haupttribüne zu machen. Wenn dann noch der Umstand dazukommt, dass Walldorf sonst nicht vor 3.200 Leuten kickt, sondern vor 600, war eigentlich vorher schon sicher, dass das eine brutale Bruchlandung geben müsste. Es kam, wie es kommen musste, selbst das einfache Hochhalten von einem farbigen Pappzettel überforderte die Kuchentribüne gänzlich und so ergab sich doch eher ein kümmerliches Bild, das mit ca 40% der verteilten Pappen auskommen musste.


    Da spielt ein Stadler! Bei Walldorf! Fantastisch! #muppetshow Dummerweise spielte da auch ein Marcelo. Innenverteidiger! Bei 96! Hatte sich dann nach 40 Minuten aber dank allgemeiner Überforderung der 96-Hintermannschaft und spezieller Dusseligkeit bei Marcelo schon wieder erledigt. Notbremse. Rot. Danke. Bitte. Das Spiel ist dann auch schnell erzählt: Die im Gegensatz zu allen anderen Mannschaftsteilen nicht neu formierte Abwehr von 96 hatte selbst mit dem Viertliga-Aufsteiger Astoria Walldorf arge Probleme, gerade im Stellungsspiel, was deren schnelle Stürmer immer wieder zu gefährlichen Kontern animierte. Einem Pfostenschuss, Ron-Robert Zieler und der nötigen Portion Doofenglück war es zu verdanken, dass es beim zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich für den FCA geblieben ist und letztlich die höhere individuelle Klasse der Bundesligakicker den Ausschlag gab. Wenn die allerdings in der bevorstehenden Saison genauso auflaufen, wird es eine verdammt interessante Saison. Und warum Joselu 5 Mio. € gekostet hat, konnte er gestern auch noch nicht unter Beweis stellen.


    Zum Schluss noch etwas in eigener Sache, denn gestern hat man wunderbar gesehen, zu welch elektrisierender Stimmung es in der neuen Saison bei Spielen des Premiumproduktes gleich reihenweise kommen wird. Selbst die 20 Ü50-Männchen des FCA-Fanclubs haben die 500-Mann Gästeblock-Besatzung mal eben locker an die Wand gesungen und wenn auch wieder Worte wie "Halbjude" öffentlich ausgesprochen werden dürfen, ist klar, wohin die Reise ohne Korrektiv und ohne organisierte Unterstützung der Fankurve hingeht. In einem vorherigen Beitrag hatte ich ja mein zukünftiges Fernbleiben von 96-Spielen angekündigt und das muss ich etwas revidieren. Vereinzelte Kicks werde ich mir auch zukünftig geben. Wahrscheinlich zu 96% nur im Pokal, was ja traditionell meistens in der 2. Runde bereits erledigt ist. Allerdings habe ich das gestern mehr so aus Interesse an einer Tour nach Walldorf getan, und meinetwegen hätte da auch der FV Illertissen gegen die spielen können, ich hätte es wohl genauso gleichgültig geschehen lassen. Anspannung hat sich gestern jedenfalls zu keinem Moment wirklich breitgemacht, obwohl der Spielverlauf einiges dafür getan hatte. So bleibt festzuhalten: 96 ist für mich eigentlich (weiterhin) emotional so gut wie gestorben und das gestern hat mein Gefühl nur weiter bestätigt.

    Nanakorobiyaoki

  • Der tschechische Teil der Tour wurde aus Geiz natürlich nicht auf den mautpflichtigen Autobahnen zurückgelegt, sondern es wurde die Route über die Dörfer gewählt. Direkt nach der Grenze hat man noch gedacht, dass es doch irgendwie ganz nett ausschaut. Gut, 12% Steigung auf ner Straße sind hier nur im Gebirge üblich. Nach Stribro jedoch, der einzigen Ansiedlung auf den immerhin 100 km nach Pilsen, die die Bezeichnung „Stadt“ verdient, sollte sich das jedoch schlagartig ändern. In den Dörfern, durch die man da teilweise gefahren ist, schaute es auf einmal sowas von schäbig aus… real gescheiterter Sozialismus in Reinkultur. Die Käffer sahen aus wie in nem Weltkriegs-Shooter für’n PC die Dörfer in der Normandie, nachdem (!) die Wehrmacht durchgefahren ist. Pilsen selbst ist (abgesehen von sozialistischen Randbezirken mit grell lackierten Plattenbauten) recht hübsch und sieht aus, wie ne normale europäische Großstadt eben so aussieht. Das Stadion selbst erkannte man schon recht früh an den zwei Flutlichtmasten, die entfernt in den Himmel ragten. Vor eben selbigen ging das mit der Parkplatzsuche auch erstaunlich schnell. Allerdings sind die Parkplätze in Tschechien wohl auf alte klapprige Skodas ausgelegt. War doch ganz schön schmal, und wenn dann der Nebenmann noch nicht einparken kann…
    Am Stadion angekommen, gab’s gleich mal ein gewaltiges Problem. In der Bierstadt Pilsen, wo man doch etwas touristisch eingestellt sein könnte, sprach niemand englisch und erst recht niemand deutsch. Außerdem haben die immer noch ihre komische Krone und sollte man meinen, ein Tscheche wird bei Euroscheinen ganz hibbelig, so wurden wir schnell mal eines Besseren belehrt. Weder am Ticketschalter, noch in der „Reception“ (die mich so ganz nebenbei an eine Kreissparkasse Mitte der 90er Jahre erinnerte) wollte man unser Westgeld haben. Wir liefen ein paar Jünglingen in die Arme, die Karten verkauften. Mal so ganz nebenbei: Was soll ein Schwarzmarkt (mit dem man Geld verdienen will), wenn das Spiel nicht mal halb ausverkauft ist?! Naja, die wollten unsere Euros zumindest haben, so gab’s für nen 10er zwei Karten und gut war das. Wer da nun wen beschissen hat, war uns auch eigentlich völlig egal. Das Stadion wusste doch zu gefallen. Die mächtige, typisch ostblockige Haupttribüne war eigentlich dreigeteilt. Unten befand sich ein ca. 4 Meter hohes Stockwerk, welches die Umkleiden und verschiedene andere Räume beherbergte. Unter Anderem die Hausmeisterwerkstatt mit Blick zum Spielfeld. Vor der Tribüne befanden sich Treppen, die in den ersten Rang führten. Dieser war 10 Reihen hoch und bestand vollständig aus blauen Sitzschalen. In der Mitte des Ranges war der VIP-Bereich, der sich dadurch vom Rest unterschied, dass er bequemere Sitze, einen Fernseher mit einer einzigen Kameraeinstellung und die alten Heizstrahler aus Leverkusen hatte. Die Dinger wären sooo wichtig gewesen.
    Der zweite Rang bestand aus ca. 20-25 Reihen, die recht steil aufstiegen und der Tribüne einen mächtigen Eindruck verschafften. Jedenfalls mächtig, wenn man bedenkt, dass nur 6.000 Leute raufpassen. Bis auf die Gegengerade bestand der Rest des Stadions aus ehemaligen Stehplätzen, die allerdings mit Bannern abgesperrt waren. Mit Ausnahme des Gästeblocks. Dieser war großzügig eingezäunt und wohl ausreichend dimensioniert – die 300 Bohemians fanden bequem darin Platz. Auf der Gegengerade, deren Traversen einem beim Betreten auch schon entgegen kamen, haben sich die Supporters von Viktoria Pilsen niedergelassen. Mehr als 100 unterstützungswillige kamen aber nicht zusammen und hatten einen schweren Stand gegen den sangesfreudigen Bohemians-Anhang. Gekrönt wurde das Stadion durch zwei Flutlichtmasten. Vier Stück wären ja auch dekadent.
    Eigentlich sind wir ja als heimliche Bohemians-Sympathisanten da hin gefahren, was zu einem nicht geringen Teil an Marek Nikl und Jiri Kaufman gelegen haben könnte. Beide machten dann zu unserer Freude auch das, was sie immer machten: Nikl semmelte Gegner um, sammelte Karten und Freund Kaufman jagte den Ball in seiner einzigen auffälligen Szene 10 Meter in die Wolken. Heimlicher Held des Tages (zumindest bei mir) war Frantisek Rajtoral. Der 27er der Pilsener mit den blauen Schuhen, der schon beim Aufwärmen als Einziger durch Ballbeherrschung aufgefallen ist. Den Freistoß zum 1:0 holte er raus, beim 2:0 nagelte er den Ball einfach vom Toraus in den Strafraum bolze irgend nen Prager an und der war dann so gnädig, den Ball ins eigene Tor abzufälschen. Nebenbei zeichnete er sich durch verschiedene Wühlereien im und um den Bohemians-Strafraum aus und bekam das ein- oder andere Mal ordentlich eins auf die Zwölf.
    Generell bleibt aber zu sagen, dass beide Teams arge Schwierigkeiten hätten, in der zweiten Liga bei uns mitzuhalten. Die Viktoria noch eher, als die erschreckend schwachen Bohemians. Die haben zuvor nur 11 Tore in 20 Spielen geschossen und man hat in Pilsen auch genau gesehen warum. Als sehr rustikal kann man die Spielweise in der Gambrinus Liga beschreiben. Aber es war auch zu sehen, dass die Spieler sich damit arrangiert haben und eben nicht, wie in unseren Breitengraden üblich, nach nem vermeintlichen Foul erstmal 5 Minuten den sterbenden Schwan spielen, sondern einfach aufstehen und weiterlaufen. So war das 3:0 auch eher der rustikalen Spielweise zu verdanken. Der eingewechselte Tomas Krbecek (ja, die heißen da alle so – Vokale waren teuer und wir hatten ja nichts) wirft sich in eine Ecke, einen Gegenspieler nebst Torwart und Ball ins Tor und lässt sich kurz darauf von den meisten der 3.840 Zuschauer feiern. Krbecek hat’s übrigens geschafft, 10 Sekunden nach seiner Einwechslung ne gelbe Karte zu kriegen.

    Nanakorobiyaoki

  • Das erste Spiel des Tages war sogleich der komplette Reinfall. Flensburg 08 spielt natürlich seit diesem Sonntag nicht mehr im Stadion, sondern auf einem Kunstrasenplatz (!) direkt neben dem eigentlich ziemlich stilvollen Stadion. Das erinnerte mitsamt der Holztribüne etwas an die Eilenriede, aber wenn der Platz schon nicht mal gekreidet ist… Den müden Kick gegen den TSV Kropp braucht man auch gar nicht mehr weiter erwähnen, nur ist’s schon auffällig, dass zwischen der fünften Liga in Schleswig-Holstein und der fünften Liga z.B. in Leipzig oder Herne ein himmelweiter Unterschied besteht. Nicht nur das Ambiente ist viel provinzieller, sondern auch das Spielniveau. Und der Wind. Wind ist böse!
    Transferieren wir uns mal 60km weiter nach Norden und mir wurde schlagartig klar, was ich in Hannover vermisse: Flutlichtmasten! Die Dinger erleuchten die ganze Stadt, zeigen Ortsfremden den Weg zum Stadion und machen der ganzen Umgebung klar, dass nur diese vier Lichtdinger heute Abend wichtig sind: Hier is Fußball! Diese komischen Baumarktstrahler, die man in neumodischen „Arenen“ unters Dach schraubt, haben einfach überhaupt kein Flair.
    Der Vereinsname des gastgebenden Vereines, SønderjyskE, hat, wie in Dänemark fast üblich, nicht wirklich etwas mit der Stadt zu tun. Das Stadion steht in Haderslev, was man als Zentrum der Region Südjütland - denn nichts Anderes heißt Sønderjysk - verstehen kann. SønderjyskE heißt also Südjütland-Elitesport, wird aber in Fangesängen und im allgemeinen Sprachgebrauch durchaus flüssig ausgesprochen.


    Das Haderslev Idraetscenter (etwa: Sportzentrum Haderslev) machte einen durchweg modernen und sympathischen Eindruck. Der Komplex bestand zunächst mal aus mehreren Nebenplätzen, einer davon mit Tartanbahn und insgesamt sechs Tennisplätzen. Dem Stadion war das Hauptgebäude angeschlossen, welches im Eingangsbereich eine Kantine und ein Sportcafé beherbergte, in dem gerade ein Nachmittagsspiel der ersten Liga zu bewundern war. In der „Empfangshalle“ standen mehrere neue Autos rum und ehe ich mich darüber wundern konnte, wurde ich durch den Blick in eine der beiden Sporthallen aufgeklärt. Es wurde gerade (parallel zu einem Erstligaspiel!) für eine Industriemesse aufgebaut, die sich wohl durch den ganzen Hallenkomplex strecken wird. Auch die Umkleidekabinen für die Spieler befanden sich in dem Gebäude und irgendwie ist man in Dänemark wohl eher sehr entspannt, denn Absperrungen fand man so gut wie keine und selbst zwischen Kabine und Ausgang zum Spielfeld konnte man sich ziemlich frei bewegen, ohne dass einen gleich 10 Ordner über den Haufen warfen. Übrigens gar nicht zu der modernen Architektur wollte der alte klapperige Bauwagen vor dem Gebäude passen, welcher den Kartenverkauf beherbergte.


    Geht man durch den Haupteingang ins Stadion, findet man sich inmitten eines kleinen, zweckmäßigen Fußballstadions wieder. Die Haupttribüne (die übrigens in der ersten Etage über eine Brücke mit dem Funktionsgebäude verbunden ist) beherbergt 150 verglaste VIP-Plätze und 1500 konventionelle Sitzplätze. In Haderslev wurden hier nicht die Namen des Stadions oder der Tribünen verkauft, sondern die Eingänge und Blöcke. So betrat ich das Stadion durch den „Sydbank-Eingang“ und mein Platz befand sich im „Harmonien-Block“. Der Rest des Stadions war recht unspektakulär und würde in Deutschland vielleicht beim LR Ahlen, oder bei einem mittleren Drittligisten herumstehen. Rings um das Stadion befanden sich 8 Stehtraversen, die zwar mit Beton eingefasst waren, sonst aber nur aus lockerem Boden, sprich: Sand, bei Regen wohl eher Matsch, bestanden. Hinter den Stehtraversen befanden sich diverse, in himmelblau-weißen Vereinsfarben lackierte Holzbuden, die man in Deutschland eher auf einen Weihnachtsmarkt verorten würde und die alles Mögliche verkauften. Vom selbstverständlichen Hotdog über Gummibärchen (wo es einen eigenen Stand für gab!) bis hin zu Fanartikeln fand man hier alles. Überraschend gut und weitaus besser als nachmittags in Flensburg war die Bratwurst, welche mit typisch dänischem Hotdog-Brötchen und der typisch dänischen Auswahl aus drei Hotdog-Soßen geliefert wurde. Die Dänen machen es einem sehr leicht, Vorurteile zu pflegen. So ne recht große und verdammt schmackhafte Bratwurst konnte man für 25 Kronen (ca. 1,80€) erstehen.
    Der Rasen hat zwar schon bessere Tage gesehen (Stichwort: Kartoffelacker), aber dafür konnte man von allen Plätzen – auch aus dem Gästeblock – ohne Zaun aufs Spielfeld blicken. Eigentlich verwunderlich, taten doch die 200 mitgereisten Ultras aus Kopenhagen alles dafür, bei allen möglichen Instanzen durch eben Ultra-Support und ein wenig Pyrotechnik in Ungnade zu fallen. Nur interessierte das Ordner und Heimfans mal überhaupt nicht und letztere kümmerten sich einfach weiter um das Spiel. Spätestens jetzt war klar, warum Zäune da einfach nicht gebraucht werden. Selbst auf den Stehplätzen geht das – trotz verbissenem Support – so friedlich zu, wie es in Deutschland nicht mal in der Bezirksliga möglich wäre.
    Ein weiterer Vorteil der relativen Enge des Stadions war, dass es so ziemlich gut besucht aussah. Ich hätte schon mit 6.000 bis 6.500 Zuschauern gerechnet, es waren laut Durchsage des Stadionsprechers nur 4.317 Zuschauer zugegen. Dieser Geselle war sowieso überragend. Nicht nur hat er während des Spiels immer die Oddset-Quoten durchgegeben, sondern der hat die Spielernamen mit so einer endgeilen Betonung ausgesprochen, dass ich jedes Mal kurz davor war, mich auf meinem Sitz vor Lachen zu kringeln. Der Typ ist ein Original, das ich hier einfach nicht in Worte fassen kann, sondern das man mal erleben muss.


    SønderjyskE war natürlich gegen den amtierenden Meister und souveränen Tabellenführer FC Kopenhagen nur krassester Außenseiter, was sie aber nicht daran hinderte, von der ersten Minute an, technisch ansprechenden Hochgeschwindigkeitsfußball zu zeigen. Dem Kopenhagener Trainer mit der schnittigen Christian-Gross-Frisur wurde das Treiben auch schon nach 15 Minuten zu bunt und er schickte seine ersten Ersatzspieler zum Warmlaufen. Technisch war das schon mindestens eine Klasse besser als letzte Woche in Tschechien. Zumindest bei SønderjyskE. Der FC Kopenhagen fand überhaupt nicht statt und zeigte sich für einen Titelaspiranten in erschreckender Verfassung. Aber, SønderjyskE spielt um den Abstieg und man hat auch genau gesehen, warum eigentlich. Die haben den Ball um’s Verrecken nicht ins Tor bekommen. Kurz nach der Halbzeit haben die sich dann eine saudämliche Ecke zum 0:1 gefangen, was im Gästeblock mit etwas Pyro gebührend gefeiert wurde. SønderjyskE hat das alles überhaupt nicht interessiert, die sind weiter wie in Trance auf das Kopenhagener Tor angerannt. Ein Lattenschuss, ein Mal musste der tschechische Ex-Nationalspieler Zdenek Pospech auf der Linie retten, aber trotzdem stand nach über 90 Minuten noch immer die Null auf der Seite von SønderjyskE. „Zeit für ne Ecke“, dachte man sich in Kopenhagen. Wieder genauso saudämlich und schon stand’s 2:0, was gleichzeitig auch der Endstand war. Ein völlig unverdienter Sieg für den FCK, der regelrecht an die Wand gespielt wurde, aber das kommt mir auch von 96 nicht ganz unbekannt vor. Schon gar nicht der Teil, wo „saudämlich“ drin vorkommt. Beim FCK soll übrigens auch irgendwo Jesper Grøenkjaer mitgespielt haben. Nur wo? Das dürfte sich bei gefühlten drei Ballkontakten eingependelt haben.

    Nanakorobiyaoki

  • Sehr schöne Berichte, klasse! :nuke::amen: Haste die Reisen damals auch fotographisch begleitet?

  • Sehr schöne Berichte, klasse! :nuke::amen: Haste die Reisen damals auch fotographisch begleitet?


    Selbstverständlich. Wenn ich die Fotos von meinem Festplattencrash wieder sortiert habe, dann kann ich da mal was zusammenstellen. |-)

    Nanakorobiyaoki

  • Was man so alles findet... Spielbericht Erfurt - Magdeburg vom 4.11.2007.


    Was kann man auf einem Sonntag in Walsrode so sinnvolles tun? Richtig, nach Erfurt fahren. Vor allem, wenn die gegen Magdeburg kicken. So wurde bis ca. halb 1 sinnlos mit irgendwelchen Zügen durch die Gegend gegondelt (den Fish and Chips-Stand in Göttingen merken wir uns jetzt einfach mal) und wahlweise geschlafen (es gab da jemanden, der das bitter nötig hatte), oder gelesen. Oder man beantwortet halt irgendwelche SMS, in denen nach dem Spielplan der dritten spanischen Liga gefragt wird.
    In Erfurt war dann erstmal die geballte Ratlosigkeit angesagt. Straßenbahnen scheint’s zu geben. Aber irgendwie keine Haltestellen. Und ziemlich viel Schnittlauch haben die hier...
    Wir entschieden uns, hinter ein paar friedlich aussehenden Erfurtern herzulaufen.
    Irgendwann war dann ein kurzer Zwischenstop angesagt. Die Magdeburger wollten vorbei und die Cops riegelten hierzu die Straße ab. 500 bis 600 Mann, begleitet von zwei Wasserwerfern, nem Hubschrauber (da reg sich noch mal einer über die Steuergelder auf) und zwei völlig kultigen Gerätschaften. Zwei VW-Busse (einer davon ungefähr so alt wie Nessaja, die Schildkröte aus Tabaluga), auf deren Dächern je ein „Laufstall“ montiert war, in denen sich Polizisten mit Kameras aufhielten. Videowagen auf thüringisch. Die Lage des Stadions kann man ganz gut mit dem des Eilenriedestadions vergleichen. Nur, dass du in Erfurt vorher durch nen riesigen Park latschen musst. Der Bau an sich ist eigentlich ein typisches DDR-Mehrzweckstadion mit ner Tartanbahn, einem Sprecherturm auf der Gegengerade, einer uralten Anzeigetafel und unüberdachten Holzbänken. Nur die Haupttribüne sticht etwas heraus. Hier muss man sich einfach mal das Oldenburger Marschwegstadion vorstellen. Wurde geklont. Absolut großartig sind jedoch diese „schwebenden“ Reporterkabinen, die zwischen Tribüne und Dach hängen. Auch unbedingt erwähnt werden soll an dieser Stelle das Blumenbeet (!), das sich zwischen Bahn und Kurve befindet.
    Eigentlich hatten wir ja Sitzplatzkarten, als wir jedoch auf der Gegengerade angekommen waren, stellten wir fest, dass wir eigentlich gern freien Blick auf beide Fanblöcke hätten. Also haben wir uns schräg gegenüber in nen Steher reingehauen. Zuerst musste jedoch die Bratwurst getestet ist. Wenn man schon mal in Thüringen ist, darf so etwas nicht verpasst werden. Ein sehr interessantes System haben die. Man bezahlt und während ich auf die Wurst wartete, guckte man mich von verschiedenen Seiten eigenartig an. Bis die Verkäuferin erklärte, dass man sich ein Brötchen aus dem Korb zu nehmen hat und damit zum Grillmeister gehen muss, der einem die Wurst gibt. In Zukunft kann ich gern darauf verzichten. „Bäh! Sowas ekelhaftes aber auch!“ Den Geschmack muss man sich irgendwo zwischen Weißwurst (Konsistenz/Labberigkeit) und diesen eingeschweißten Supermarkt-Buletten (Würzung) vorstellen. Abartig!
    Auffällig war die große Anzahl an Matten vor dem Magdeburg-Block. Die hatten wohl Angst um ihre Laufbahn. Die Fans der Erfurter versammeln sich im Stehplatz-Block 3 und recht interessant ist, dass auf der überdachten Haupttribüne ein zweiter Supporters-Block ist. Das gab einige Male recht imposante Wechselgesänge zu bestaunen. Weltklasse war zum Beispiel das „Magdeburger – Arschlöcher“. Auch sonst hat mich der Auftritt der Erfurter stellenweise wirklich überrascht. In Erfurt gab es viel mehr Kreativität zu bestaunen, als in allen 18 Erstligastadien zusammen. Legendär, dass nicht nur der Spielstand von der Meute gerufen wird, sondern dass die noch ein „viel zu viel – Scheißverein“ dranhängen. Der Stadionsprecher war übrigens leicht übermotiviert und könnte mit dieser Stimme auch genauso gut in Walsrode aufm Jahrmarkt am Autoscooter stehen. Ebenso großartig die Neuvertonung von ‚my bonnie is over the ocean’, was aber von Magdeburg mit einer Neuauflage von Udo Jürgens’ ‚ich war noch niemals in New York’ gekontert wurde. Darüber hinaus gab es vor Spielbeginn eine nette Klopapier-Choreo. Magdeburg war nur selten zu hören. Ich würde mal auf insgesamt 1.200 Auswärtsfans tippen, davon ca. 200 Aktive. Überhaupt haben wir uns mit der Zuschauerzahl gewaltig verzettelt. Wir haben alle auf 12 bis 13.000 getippt, letztendlich waren es aber nur knapp 8.400.
    Das Spiel selbst war ein Aufeinandertreffen zweier 96er. Unser Kneipenterrorist Björn Lindemann spielt mittlerweile für den FCM und auf Erfurter Seite stürmte Denis Wolf. Trainer in Erfurt ist Pavel Dotchev, der früher unter Anderem für Hamburg gestürmt hat. In der ersten Halbzeit waren seine Rot-Weißen mitunter katastrophal schlecht. Magdeburg feuerte eine Ecke nach der anderen in den gegnerischen Strafraum (kennt man von 96), führte bis zur 44. Minute aber mit 1:0, obwohl sie längst 3 Tore hätten schießen müssen (kennt man auch von 96). In eben dieser 44. Minute hatte Erfurt seine erste ernstzunehmende Torchance. Irgendwie wurde der Ball noch abgefälscht, sodass er zum schmeichelhaften 1:1-Ausgleich im Netz landete. Nach der Halbzeit war Erfurt wie verwandelt. Sie spielten Magdeburg mit verbundenen Augen an die nicht vorhandene Wand und so fiel erst das 2:1 durch Wolf, dann das 3:1 durch Wolf und das 4:1 durch keine Ahnung innerhalb einer Viertelstunde. Aber dass man sich so ein Tor wie das 3:1 in der Regionalliga fangen darf... Irgendwie kam der Ball in den Strafraum, wurde vom ersten Erfurter weitergeköpft, wurde vom zweiten Erfurter weiter zu Wolf geköpft, der irgendwie plötzlich allein vorm Torwart stand und die Murmel nur noch seelenruhig einnicken brauchte. Sehr interessant auch die Endstände von den anderen Plätzen. Cottbus II und Wolfsburg II sollen ihre Spiele beide gewonnen haben. Das entsprach jedoch nicht wirklich der Realität, wie man abends erfuhr.



    Nach dem Spiel nahmen wir die Beine in die Hand und machten uns auf die Socken zum Bahnhof. Dabei konnte beobachtet werden, wie sich am Stadionausgang recht eindeutig aussehende Gestalten mit wahrscheinlich noch eindeutigeren Absichten postierten. Da wir keine Lust hatten, ne Stunde auf dem Gleis rumzuhocken, wurde ne Kneipe gesucht. „Was ist denn das für’n Scheiß-Bahnhof? Hier gibt’s ja nicht mal nen Zapfhahn!“ Im näheren Bahnhofsumfeld war auch tote Hose und so wurden wir erst in der dritten Straße fündig. Der Schuppen hat sich aber mal gelohnt. Ein Wohnhaus war das zwar, aber die Kneipe, die auf den Namen Pflanzen Cafe hörte, wurde einfach in den Wintergarten gesetzt. So richtig mit diesen transparenten Plastik-Dach-Dingern da drauf. Ich weiß nicht, ob da ein Fenster zu öffnen ist, wenn ja, hat man es seit der Wende nicht mehr getan. Kaum öffnete man nämlich die Tür, waberte einem ne Rauchwolke entgegen, die ihres Gleichen suchte. Als wenn man da drin nen Bengalo und zwei Nebelpötte gezündet hätte (und das ist nicht mal übertrieben!). Nur mit Einschalten der Nebelscheinwerfer konnten wir noch ein Plätzken finden und machten uns sogleich über die Brezel und die Erdnüsse her, die dort auslagen. Unterdessen kam auch die Kellnerin an. Eine Mischung aus Bordsteinschwalbe und Frau von nem Manta-Fahrer, mit einer Stimme wie der Marlboro-Mann. Sie zählte uns die vorhandenen Biersorten auf, was allein schon mal 30 Sekunden dauerte. Mich fragte sie, ob ich denn lieber Coke, oder Vita-Cola hätte. GOTT BEWAHRE!!! Kennt ihr Vita Cola? Dieses Zeug schmeckt eigentlich nach typischer Discount-Cola, beinhaltet aber als „Clou“ Zitronensaft und künstliches Vitamin C. Gut, dass ich das nicht zu der Bratwurst vorhin trinken musste.
    Da blieb ich doch lieber bei der Coke, die zudem mit 1,10 € für ein Glas schon fast sensationell günstig war. Auf dem Rückweg kamen wir dann an so ner Werbetafel für eine Pizza-Kette vorbei, die nun unbedingt gesucht werden musste. „Ja ja, mach du mal. Dann kann ich ja endlich mal den schicken Bahnhof fotografieren.“ Nach einer Weile kam der verlorene Sohn dann zurück. Ohne Pizza, weil die angeblich zu teuer wäre. Klar, Joey’s in Erfurt ist natürlich auch viiiiel teurer, als Joey’s in Hannover.
    Im Bahnhof waren die Jungs dann auch gleich wieder im nächstbesten Markt verschwunden und ich konnte mir mal diese Ansammlung von Leuten näher anschauen. Die Polizei sperrte eine Treppe ab und ca. 20 Erfurter standen drumrum. Und dann passierte etwas, wovon man noch seinen Enkeln erzählen kann. Ein Polizist schnappte sich ein Megaphon und erklärte den wartenden Erfurtern in einem vernünftigen Ton und mit vernünftigen Worten, welchen Sinn diese Aktion hatte. Donnerwetter!
    Auf dem Gleis sprach uns eine Gestalt in brüchigem Deutsch an und wedelte gleichzeitig mit so nem ausgedruckten Fahrplan vor unserer Nase rum. Dieser Fahrplan führte ihn quer durch Thüringen nach Jena, aber irgendwie ohne (geplanten) Zwischenhalt in Erfurt. Nun war er aber, aus welchen Gründen auch immer, in Erfurt und er fragte uns, wie er denn nun nach Jena kommen würde. Die Ahnungslosigkeit trat auch hier wieder sehr komprimiert auf. „Geh einfach mal da lang...“
    In Göttingen wurde dann endlich der Fish & Chips-Laden belagert. Nur drängelte sich plötzlich so’n Schnösel mit Notebook in der Hand vor. Dieser wurde von mir erstmal angefahren und der Fischmutti stand das Wort Panik schon in güldenen Lettern auf der Stirn geschrieben. Als ich dann endlich an der Reihe war, traten meine Mitfahrer auf den Plan und verwirrten dieses arme Geschöpf mit zusätzlichen Bestellungen noch weiter. „Der hat sich vorgedrängelt.“ „Der darf das.“ Jetzt völlig irritiert, versenkte Mutti meinen Fisch erst in der Friteuse und gab mir dann eine neue Portion Fisch mit Süß-Sauer Soße. Die hatte ich allerdings überhaupt nicht bestellt. Backfisch mit China-Soße – wer so was frisst, tötet auch kleine Kinder! Des Rätsels Lösung: „Ach du hast meine Süß-Sauer-Soße.“ „Ach du hast meinen Ketchup.“ Wie gesagt, leicht überfordert, das Persönchen.
    Im folgenden Metronom wurde es jedoch noch viel genialer. Ich weiß nicht, ob uns die Worte „asozialer Fußballfan“ auf der Stirn geschrieben stand. Als wir höflich fragten, ob wir uns mal den Sportteil der BamS ausleihen könnten, kam als Antwort ein heftiges „Nein“ geflogen, gepaart mit einem Blick, dass mein Backfisch augenblicklich zu Eis gefror. Nun setzten wir uns dummerweise genau gegenüber der Dame hin und da das Licht zum Lesen nicht mehr ausreichte, beschäftigten wir uns eben mit Diskussionen über die schönste Nebensache der Welt. Nicht mal laut, nur lauschte die Frau kräftig mit und fühlte sich wohl in einigen Vorurteilen massiv bestätigt. Man kann sich auch anstellen und wenn sie sich zu fein für uns ist, dann soll sie halt erste Klasse fahren.


    Kuzze: Wir müssen mal nach Erfurt und checken, ob es dieses Pflanzen-Café noch gibt. :D

    Nanakorobiyaoki

  • Samstag, Scheißkälte und Sonnenschein... Was bietet sich da besser an, als ein Spiel der belgischen zweiten Liga? Eben, nichts! Da in Belgien erst um 20 Uhr Anpfiff war, wurde zwecks Zeitvertreib in Oberhausen beim Landesligisten SpVgg Sterkrade-Nord vorbeigeschaut. Diese spielten einen Testkick gegen den Oberligisten VfB Homberg aus Duisburg. Immerhin 130 Leute wollten sich den Kick nicht entgehen lassen, wobei den parkenden Autos vor dem Sportplatz nach zu urteilen, hätte ich mit 1.000 Zuschauern gerechnet.
    Um 15 Uhr war Anpfiff auf dem Kunstrasen der "Nordler-Arena", wobei sich der Stadionsprecher nicht zu blöd war, zum Einlauf die Titelmusik von Fluch der Karibik zu spielen, was aus dem altersschwachen Lautsprecherhorn in etwa so klang, als würde das jemand auf der Blechtrommel nachspielen. Die in dunkelblau gekleideten Sterkrader ließen einen Klassenunterschied in den ersten 30 Minuten nicht erkennen und spielten die schwarz-gelben Homberger regelrecht an die Wand, sodass die nicht wussten wo hinten und wo vorne ist. Sterkrade hätte locker mit 3:0 führen müssen und dennoch reichte es nur zu einer schön herausgespielten 1:0-Führung in der 20. Minute. Die Quittung folgte auf dem Fuß, denn kaum betrat Rise: den Sportplatz, lief bei Sterkrade gar nix mehr zusammen und so fingen sie sich in der 35. Minute das 1:1, nachdem die gesammelte Viererkette stehend Abseits reklamiert hatte, dies den Linienrichter nur periphär tendierte und plötzlich zwei Homberger allein vor dem Torwart der Sterkrader aufkreuzten. Die Leichtigkeit der Sterkrader war nun dahin und auch der bis dato tatsächlich sehr ansehnliche Spielfluss kam schlagartig zum Erliegen. Nach der Halbzeit das gleiche Bild: Sterkrade kam ab und zu noch zu Chancen, Homberg war auch nicht wirklich gefährlich und so plätscherte die ganze Geschichte bis zur 72. Minute vor sich hin. Dann fiel wie aus dem Nichts das 2:1 für Homberg, was auch gleichzeitig den Endstand markierte.


    Nach einem kleinen Zwischenstopp in Duisburg ging es weiter in das 130 km entfernte Lommel. Die Anreise gestaltete sich weitgehend problemlos, ich war nur etwas schockiert, als mein Navi mich kurz vor der niederländisch-belgischen Grenze von der Autobahn lotste und anschließend 20 km durch irgendwelche niederländischen Kuhdörfer schickte. Die Holländer bemühten sich dabei, dem geneigten Autofahrer das Leben so schwer wie möglich zu machen. Auf der Landstraße waren mehr Kreisverkehre als normale Kurven und die durchschnittliche Spurbreite dort betrug ca. 1,90 Meter. Um das Ganze noch etwas komplizierter zu gestalten, stellen die am Ortseingang, wenn man von 80 auf 50 runterbremst so Blumentöpfe auf die Fahrbahn, was Rise mit den Worten kommentierte, was denn diese Minigolfanlage da auf der Fahrbahn zu suchen hat. :D
    Und auch in Lommel hat man wieder gemerkt, dass die Belgier straßen- und verkehrstechnisch einen ziemlich trockenen Humor haben: Man durfte zwar mit 70 Km/h durch Lommel brettern, allerdings waren in der 70er-Zone alle paar 100 Meter so "Verkehrshindernisse" auf der Straße, wie man sie hier in Wohngebieten und vor Schulen findet. Natürlich wurden diese nicht durch ein Schild oder ein Speedlimit angekündigt, sodass ortsunkundige Fahrer (ich!) schön mit 70 drüberbrettern, wenn sie nicht rechtzeitig bremsen können. Das Stadion ist denkbar einfach gelegen: Immer geradeaus und irgendwann rechts stand das gute Stück. Direkt anschließend befand sich mitten im Wald freundlicherweise direkt der Parkplatz, der aber mit 10 cm tiefen Schlaglöchern eher an ukrainische Autobahnen erinnerte.


    Der Tabellenzweite KVSK United Overpelt-Lommel (oder einfach Lommel United) traf auf den Tabellenvierzehnten AS Verbroedering aus dem 30 km entfernten Geel. Aufgrund dessen wird das Spiel auch als Limburg-Derby bezeichnet. Die Stadionregie wusste das spärlich anwesende Publikum mit einer Sammlung an Kirmestechno bei Laune zu halten. Wir vermuteten, dass er einfach ne "Fetenhits Fußballparty" reingeworfen hat. Grob geschätzt waren es wohl 1.600 Zuschauer, die dem Kick beiwohnten, wobei allein aus Geel 150 Leute anwesend waren, die auch mit allerlei Doppelhalter und Schwenkfahnen (mehr Material als Leute) auf sich aufmerksam machten, wobei aber auch nur 10 bis 15 Nasen längerfristig etwas Support ins zugige Rund geschleudert haben. Immerhin haben sie dies recht ausdauernd und abwechslungsreich gestaltet und waren mehr der Ultra-Ideologie zugehörig, während die auf der Gegentribüne stehenden Lommel-Fans klassisch-englisch etwas spielbezogener
    Highlight war aber definitiv die kleine dicke Pubertierende mit der Hipster-Brille, die als Maskottchen fungierte. Dies war ein Dinosaurier(-kostüm) namens Greeny, trug dabei allerdings schwarz-pinke Nike-Sneeker. Jetzt muss man sich das aber nicht wie das klassische Maskottchen vorstellen, was grenzdebil winkend am Spielfeldrand umherschleicht. Sie stand einfach nur stumpf 90 Minuten in ihrem Dinokostüm da und machte: nichts. Lommel hatte noch einige kleine grün-weiß karierte Schwenkfahnen dabei, auf die ein Opa aufpasste, der das siebte Lebensjahrzehnt auch schon weit hinter sich gelassen hat - passiert ist mit den Dingern aber auch nichts. Sie lagen da einfach rum.
    Medial findet die zweite Liga in Belgien so gut wie nicht statt. TV-Kameras waren nicht zugegen, nur ein Zeitungsfotograf lief dort umher. Ich habe heute mal versucht, etwas über die offizielle Zuschauerzahl herauszufinden, musste aber feststellen, dass jedes Kreisligaspiel hierzulande besser dokumentiert wird, als ein Spiel der belgischen zweiten Liga.
    Dem Spiel merkte man die unterschiedliche Platzierung erstmal nicht an, denn der ASV Geel, in blauen Trikots spielend, kam besser ins Spiel, als die grün-weißen Lommeler. In der Folge der ersten Halbzeit wurde Lommel jedoch immer überlegener und kam auf dem katastrophalen Kartoffelacker zu zahlreichen Chancen. Nur selten wurden diese jedoch herausgespielt, wie der Support wurde auch das Spiel der grün-weißen eher "englisch" gestaltet. Hoch und weit flog der Ball ein- ums andere Mal in den Strafraum der Geeler und durch wildes Gestochere kam Lommel allein in der ersten Halbzeit zu fünf 100%igen Torchancen, die aber allesamt an einem Bein eines Geeler Verteidigers scheiterte. Insgesamt war das Spiel aber auf erschreckend niedrigem Niveau. Kämpferisch nicht, physisch auch nicht, aber Taktik und Spielanlage waren von beiden Mannschaften so erschreckend harmlos gestaltet, dass beide wohl arge Schwierigkeiten hätten, hier in der dritten Liga mitzuhalten. Und Ecken auf Grasnabenniveau habe ich zuletzt 2005 von Nebojsa Krupnikovic gesehen. Bis gestern! :D Und auch der Schiedsrichter (der wie seine Linienrichter mit dem Ausrüster "Patrick" auflief :schulterzucken: ) passte sich dem allgemeinen Spielniveau an - für insgesamt nicht viel mehr als 10 Fouls gab es 4 gelbe Karten und 1x gelb-rot.
    In der zweiten Halbzeit hatte sich Lommel etwas müde gelaufen und die Einfälle des Spielgestalters überforderten den Linksaußen (und den Ball) ein ums andere Mal und so kam auch Geel plötzlich wieder zu Chancen. Erst recht als Onyeka Chukwunonso Onwuekelu eingewechselt wurde, der bei uns aufgrund seiner Mike-Tyson-Statur schnell den Spitznamen "Panther" weg hatte. Der sorgte für eine spürbare Belebung der Geeler Angriffsbemühungen und so war er es auch, der in der 80. Minute die dickste Chance für die Gäste hatte: Nach einer Ecke köpfte ein Lommeler Verteidiger quasi seinem eigenen Torwart den Ball aus der Hand. Dieser kam zum Panther, der aber das leere Tor um Zentimeter verfehlte. Eine Minute später hatte sich das mit den Angriffsbemühungen auch wieder erledigt, Mittelfeldmann Augustijnen durfte sich nach einem selten dämlichen Foul im Mittelkreis die gelb-rote Karte abholen. So blieb es am Ende beim 0:0, was trotzdem aufgrund der Fülle der Chancen und der technischen Defizite der Protagonisten recht unterhaltsam war.


    Fotos aus Sterkrade: https://plus.google.com/photos…lbums/6105677858009351921


    Fotos aus Lommel: https://plus.google.com/photos…105670951409075201?sort=1


    Achja Rise: Wir sprachen ja gestern drüber: https://www.youtube.com/watch?v=P8xxdFxKnNo |-)

    Nanakorobiyaoki

  • Achja Rise: Wir sprachen ja gestern drüber: https://www.youtube.com/watch?v=P8xxdFxKnNo |-)


    :amen: Club Brugge, Charleroi und Standard sind aufsteigend meine Top 3. Letzteres erinnert mich ein bisschen an "Hardcore Hooligan" und deshalb bin ich ein wenig auf den Geschmack von belgischem Hardstyle gekommen, kranker Scheiß. :flagge:


    Musst mir außerdem mal die Titel der holländischen Folklore-Schlagerlieder, bei denen der Refrain von jedem zweiten Lied "ik hou van jou" lautete, schicken. ;)

  • Oh mein Gott... ;D


    Ja doch, wir haben uns überlegt welche anderen ehemaligen BuLi-Spieler für die (ausfüllende) Rolle dieses Kamels in Frage kämen! :D

    "Denn anders als Arbeitsstelle, Lebenspartner oder Automarke ist der Lieblingsklub nicht austauschbar.

    Mit ihm ist der Mensch ein Leben lang verbandelt wie mit der eigenen Haut.

    Sie mag Falten kriegen, doch ablegen kann sie niemand. Selbst wenn man das manchmal gern möchte."

    (Lars Wallrodt)

  • An 363 Tagen im Jahr ist Bunschoten-Spakenburg ein verschlafenes, 20.000 Einwohner zählendes Städtchen im Großraum Utrecht, wo viele Einwohner noch vom Fischfang leben, in der Stadt kleine Einfamilienhäuser an kleinen Grachten liegen und man, wenn es mal windstill ist, auf dem Deich gemütlich zum nahegelegenen IJsselmeer radeln kann. An den übrigen zwei Tagen sieht man plötzlich berittene Polizei, hunderte Kinder, die mit rot oder blau gefärbten Haaren umhertollen und tausende Menschen, die auf einem Samstagmittag die engen Gassen entlang in Richtung Deich strömen, um dem „Derby der Derbys“ beizuwohnen. Zwei Mal im Jahr wird dieses malerische Fischerstädtchen mit seinen vielen kleinen Cafés und den auf den Grachten umherpaddelnden Schwänen zur europäischen Hauptstadt des Amateurfußballs, nämlich dann, wenn „Rode“gegen „Blauwe“ spielen, die IJsselmeervogels gegen den SV Spakenburg, der siebenmalige Niederländische Amateurmeister gegen den fünfmaligen und amtierenden Champion der Amateure. Dann herrscht im Dorf tatsächlich Ausnahmezustand und es lassen sich mehr Pressevertreter in Spakenburg blicken, als die örtliche Grundschule Schüler hat und jeder, der etwas auf sich, oder einen der beteiligten Vereine hält, schmückt sein Haus mit einer roten oder blauen Fahne.


    Heerscharen von TV-Kommentatoren können irren, wenn sie das Liverpool-Derby kommentieren und ihnen fast das Zäpfchen steil geht, bei der Bemerkung, dass die Anfield Road und der Goodison Park nur rund 900 Meter auseinanderliegen. In Lissabon beträgt der Abstand zwischen dem Estadio da Luz und dem Estadio José Alvalade ca. 500 Meter. In Dundee liegen die Stadien von Dundee United und dem FC Dundee gar an gegenüberliegenden Straßenenden. In Spakenburg lächeln sie über derartige Vergleiche nur müde, denn die Stadien der IJsselmeervogels und dem SV Spakenburg liegen auf dem gleichen Gelände und keine 40 Meter auseinander (das ist die Entfernung, die man in Stuttgart vor dem Umbau mindestens vom Spielfeld entfernt war), was beide Vereine zur friedlichen Koexistenz berechtigt. Und friedlich war es tatsächlich, denn die Ordner hatten es nicht mal nötig, eine nennenswerte Fantrennung auf die Beine zu stellen. Ein unglaublicher Kontrast zum dortigen Profifußball, wo Spiele zwischen Ajax, Feyenoord und dem PSV gerne und regelmäßig unter Ausschluss der Gästefans stattfinden und in den meisten Spielen ohne die personalisierte Club-Card mal überhaupt nix geht.


    Nicht nur aus dem Grund der überaus plakativen Friedfertigkeit scheinen beide Vereine ziemlich zufrieden mit dem Status als Amateurverein, hatten doch beide in der Vergangenheit reichlich Möglichkeiten, in den Profifußball aufzusteigen, diesbezügliche Ambitionen aber schnell wieder verworfen. Es kann auch sein, dass niemand bei den Vereinen den Aufstiegsmodus verstanden hat und sie deshalb ewiger Amateurligist bleiben müssen. Der Modus sieht genau einen Absteiger aus der zweiten Liga vor. Die Meister aus den beiden dritten Ligen, der Topklasse Zaterdag (Samstag) und Zondag (Sonntag) spielen in einem Playoff nicht nur den Amateurmeister untereinander aus, sondern auch den Aufsteiger in die zweite Liga. Nur dieses Jahr haben alle in Frage kommenden Drittligisten schon dankend auf einen eventuellen Aufstieg verzichtet und so gibt’s eben keinen Absteiger. Warum auch aufsteigen, fragen die sich, denn erstens wird die zweite Liga in den Niederlanden genauso beschissen vermarktet wie in Belgien und vor 500 Zuschauern gegen den FC Eindhoven kicken, ist eben doch nicht so spannend wie die Topklasse, wo es zumeist eine nicht geringe Anzahl an lokalen Derbys gibt und der Zuschauerschnitt nicht eben viel geringer ist als eine Liga höher.
    Die Topklasse ist ungewöhnlicherweise nicht regional aufgeteilt, wie wir dies hierzulande kennen, sondern nach den Spieltagen am Samstag, bzw. am Sonntag. Dies hat historisch-religiöse Gründe, denn die Vereine, die in der Samstagsliga spielen, sind eher in den katholisch-orthodoxen Gegenden beheimatet, wo am Sonntag außer zum Kirchgang niemand einen Fuß vor die eigene Türe, geschweige denn zum Sportplatz tut. Die Vereine der Sonntagsliga gehören demzufolge eher den gemäßigteren protestantischen Gemeinden an.


    Vor dem Spiel präsentierte der Supportersclub N.A.S. der IJsselmeervogels eine Choreographie mit dem Thema „Club der Legenden“, wo jeder der sieben Amateurmeisterschaften ein herausragender Spieler zugeordnet und mitsamt Spitznamen auf einer Blockfahne präsentiert wurde. Zwischen den Blockfahnen, wurden am Dach befestigte Bengalos und rot-weiße Rauchtöpfe gezündet. Die Gästefans ließen sich hiervon allerdings nicht beeindrucken und hüllten den Gästeblock mit Hilfe von 250 blau-weiß karierten Schwenkfahnen in ein Fahnenmeer, welches ihrerseits mit blauen Rauchtöpfen visuell unterstrichen wurde. An sich nichts besonders spektakuläres, aber wenn man sich 2 Jahre lang nur Amateurspiele im Ruhrpott anschaut, die quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen werden, kommt so ein ausverkauftes Derby mit 8.500 Zuschauern einer emotionalen Eruption gleich. Und das, obwohl die Stimmung während des Spiels bestenfalls mäßig war, denn beide Seiten hatten zwar je eine zwanzigköpfige Ultragruppierung am Start, denen gelang es aber nur selten, die jeweilige Tribüne zum Mitmachen zu bewegen.


    Eigentlich unverständlich, denn das Spiel hatte durchaus Potential für so manchen Stimmungsoverload. Der niederländische Fußball wurde at it’s best zelebriert. Jeder Ball, der entweder höher als 50 cm gespielt wurde, oder länger als 2 Sekunden beim selben Spieler war, galt als verschenkt und so spielten gerade die IJsselmeervogels in der ersten Halbzeit beinahe so viele Pässe wie der FC Barcelona in einem Gruppenspiel der Champions-League gegen BATE Borisov. Ihnen zugute kam allerdings, dass die Abwehr der „Blauwe“ im besten Fall staunend zuschaute und im schlimmsten Fall vogelwild durch den eigenen 16er flog, was den „Vogels“ immer wieder hochkarätige Chancen bescherte, die allerdings durch eine anhaltende Weitschussallergie immer wieder verdribbelt wurden. Und wenn dann doch mal akute Torgefahr bestand, war meistens Thomas Verheijdt mit im Spiel, der Mittelstürmer der Vogels. Ein Typ wie ein Tier, gute 2 Meter groß, mindestens 100 Kg schwer und mit einer beispielhaften Athletik gezeichnet, der sich mit Anlauf in jeden Zweikampf schmiss, wo jedes Mal der Gegenspieler Angst haben müsste, sich im IJsselmeer wiederzufinden. Allerdings hatte er eine Technik und einen Abschluss wie Carsten Jancker und so stand, zur Verwunderung aller Beteiligten, am Ende der Halbzeit die schwarze Schäublenull auf beiden Seiten.


    Und in der zweiten Halbzeit? Da zeigte sich das komplette Gegenteil der ersten Halbzeit, denn plötzlich wollte der SV Spakenburg doch noch etwas vom Derby mitbekommen und stürmte seinerseits, freilich mit der gleichen Taktik (schnell und kurz) wie die „Rode“ in Halbzeit 1 auf das Tor zu und die Vogels kamen nur noch zu sporadischen Entlastungsangriffen. Nur auch der SV Spakenburg war in einer Disziplin besonders groß, nämlich im Auslassen von feinsten Torchancen und so trennten sich beide Vereine nach grundlegend unterschiedlichen Halbzeiten leistungsgercht 0:0, obwohl beide auch gut zwei Tore hätten machen können. Eskaliert ist auch während des Spiels nichts, woran auch der sehr gute Schiedsrichte seinen Anteil hatte, denn er ließ grundsätzlich viel laufen und winkte nur humorlos ab, wenn irgendein Angreifer ebenso humorlos von einem rustikalen Innenverteidiger über die Seitenlinie gegrätscht wurde. Wobei ich auch anmerken muss, dass selbst bei böseren Aktionen kein Spieler großartig lamentiert oder sich wochenlang auf dem Kunstrasen gewälzt hat.

    Nanakorobiyaoki

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  • Sieben Jahre vor der berüchtigten WM in Katar wirft diese bereits mehr oder weniger deutliche Schatten voraus. Will man diese Schatten allerdings erkunden, muss man tief in die belgische Provinz reisen, genauer in die Deutschsprachige Gemeinschaft und deren Hauptstadt Eupen. In diesem verschlafenen 19.000-Seelen-Nest bereitet sich der Gastgeber der WM 2022 fernab der europäischen Hochglanz-Fußballbühne auf das anstehende heimische Großereignis vor. Zu diesem Zweck erwarb bereits 2012 die katarische Aspire Academy den örtlichen Zweitligisten KAS Eupen. Die Aspre Academy, die übrigens eines der weltgrößten Hochleistungstrainigszentren ist und im Jahre 2004 für über 1 Mrd. € aus der Wüste gestampft wurde, wird vom Deutschen Andreas Bleicher geleitet und bei Aspire scheinen zumindest zeitweise einige helle Köpfchen herumzulaufen, denn offensichtlich war ihnen die Ablehnung gegen Red Bull in Deutschland und in Österreich Warnung genug und so orientierte sich Aspire auf der Suche nach einem Verein eben ins deutschsprachige Belgien. Kritisch gesehen wird das "Projekt Eupen" in Belgien auch nicht sonderlich und man kann in Ruhe arbeiten. Der KAS Eupen ist die Speerspitze im Konzept von Aspire und der Fuß in der europäischen Tür für alle Fußballer, die bei Aspire ausgebildet wurden und nun im beschaulichen Eupen die nötige Wettkampfhärte entwickeln sollen, um für höhere Weihen in den europäischen Ligen bereit zu sein. Neben unzähligen Katarern (Kataris? Karthagern?) stehen im Kader der KAS Eupen noch viele Afrikaner, da Aspire seit 2008 in der Nähe von Dakar (Senegal) ebenfalls ein Fußball-Leistungszentrum unterhält, mit dem hoch gesteckten Ziel, die besten westafrikanischen Fußballtalente unter Vertrag zu nehmen. Die dritte große Gruppe sind eine Hand voll abgehalfterter Spanier, die der ehemalige Trainer angeschleppt hat, darunter Luis Garcia Fernandez, der 2007 mit Espanyol Barcelona im UEFA-Cup-Finale stand.


    Heute musste sich dieser zusammengewürfelte Haufen in der 4. Runde des belgischen Pokals beweisen, Gegner war der Royal Cappellen FC aus einem Antwerpener Vorort. Dieser spielt normalerweise in der dritten belgischen Liga und trat in rot-gelben Trikots an, die entfernt an den RC Lens erinnerten, aber ohne Namen auf dem Trikot auskommen mussten und mit Rückennummern gesegnet waren, die wohl eine 90er Jahre-Flockmaschine verbrochen hat. Und ja, beschaulich geht’s schon zu in diesem Eupen. Eine Stunde vor Anpfiff machte sich noch niemand die Mühe, die Tore zum Stadion zu öffnen. Dafür brillierte die Stadionmusik wieder stilsicher mit „belgischem Techno-Scheiß“. Kleine Kostprobe gefällig?


    Cappellen hatte handgezählte 20 Gästefans mit dabei, für die extra die Hintertortribüne geöffnet wurde. Viel mehr Betrieb war auf der Heimseite allerdings auch nicht, dank epischem und schweinekaltem Mistwetter verloren sich nur insgesamt 510 Zuschauer im doch ganz ansehnlichen Kehrwegstadion. Diese überschaubare Anzahl Menschen sah einen munteren Kick, in dem die KAS Eupen erstmal überhaupt nicht an das Zweitligagestokel á la Lommel oder Maasmechelen erinnerte, sondern einen lockeren Ball nach vorne gegen einen doch etwas überforderten Gegner ablieferte. So dauerte es auch nur 9 Minuten, bis ein Freistoß von Luis Garcia von Victor Curto per Seitfallzieher (!) zu Florian Taulemesse verlängert wurde, der aus 5 Metern per Kopf kein Problem hatte, RCFC-Schlussmann Kristof Maes zu überwinden. Eupen spielte in der Folge wie entfesselt, und keine 5 Minuten später vollendete Abdoulaye Sanogo nach einem sehenswerten Kurzpass-Angriff zum 2:0. Weitere zwei Minuten später wurde der geneigte Zuschauer aber wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, der da „Niederungen des Belgischen Fußballsystems“ heißt. Das zweitkürzeste Buch der Welt, „Afrikanische Torhüterlegenden“, ist um das Kapitel Babacar Niasse reicher. Der Eupener Schlussmann ist laut Homepage 1.90m groß – wobei sie sich vermessen haben müssen, der war mindestens 2 Meter – und wiegt geschätzte 50 Kilogramm, was Assoziationen zu Oskar Dronjak (Bassist bei Hammerfall) und Hungriger Hugo aus South Park weckte. Der Typ hatte Waden wie ich Handgelenke. Wenn schon das TV mit mehr als einer Kamera anwesend ist, dachte sich Babacar Niasse in dieser 17. Minute, dass er dem Land mal zeigen will, wie er Fußball spielen kann. Rückpass auf ihn - und er hätte locker beide Außenverteidiger anspielen können, aber Gott weiß warum, wollte er den anlaufenden Stürmer der Gäste mit zwei Übersteigern ausspielen. Am eigenen Fünfmeterraum! Stürmer Serhat Koc schaute sich das Spektakel kurz an, stocherte einmal rein und schon stand es nur noch 2:1. In der Folge war die Eupener Leichtfüßigkeit dahin und der zweite Vorname des Spiels lautete ab sofort „Schlendrian“. Dieser rief dann die Cappellener auf den Plan, die plötzlich an ihre Chance glaubten und über die gesamte erste Halbzeit nun die spielbestimmende Mannschaft waren. Und wäre der furiose Lattenknaller aus gut 30 Metern nach 32 Minuten reingegangen, es wäre doch recht eng geworden. So konnten sich die Eupener in die Pause duseln und die Zuschauer der Haupttribüne suchten im frei zugänglichen Businessbereich Schutz vor dem arschkalten Dauerregen. Das heimische Publikum kommentierte das Geschehen zur Freude des Verfassers mit einer gehörigen Portion sarkastischer Spitzzüngigkeit, gepaart mit breitestem kölschen/rheinischen Dialekt. „Als Schiedsrichter muss man Jeföhl habbe un nisch nur ne Trikot!“


    In die zweite Halbzeit ging die Mannschaft von Trainer Auli Condom (und der heißt tatsächlich so!!!) konzentrierter und es dauerte nicht lange, ehe Victor Curto nach Zuspiel von Taulemesse auf 3:1 erhöhte. Und war die Gegenwehr der Gäste auch nun gebrochen, sie nahmen’s mit Humor: Als der Schiedsrichter seine Karte verlor, hob Abwehrspieler Roel van Hemert diese auf und hielt sie dem Schiedsrichter feixend unter die Nase, was ihm Standing Ovations der gesamten Haupttribüne bescherte. Und die Cappellener können sich bei ihrem starken Schlussmann bedanken, dass der Sieg nun nicht deutlicher ausfiel. Allerdings hatte auch Keeper Maes noch seinen schwarzen Augenblick, als er 5 Minuten vor Schluss einen an sich harmlosen Schuss von José Cases direkt vor die Füße von Luis Garcia platzierte, der sich artig mit dem 4:1-Endstand bedankte.

    Nanakorobiyaoki

  • Schon doof, wenn man Anfang November feststellt, dass Olympique Lyon nur noch ein paar Hand voll Spiele im Stade de Gerland spielt und Mitte Januar ins neue Stade des Lumieres umzieht. Noch dazu war nur noch ein Spiel für Samstag angesetzt und allen anderen Tagen erteilte das Resturlaub-Konto eine deutliche Abfuhr. So blieb also nur genau eine Möglichkeit, das Stade de Gerland abzuhaken, und zwar gegen den überraschend starken Aufsteiger aus Angers. Erstmal wollte jedoch hin und her überlegt werden, ob es sich lohnt, nur für dieses eine Spiel nach Lyon zu gurken. Nachdem die Gedanken dies verneint hatten, meldete sich das Glück zu Wort und legte den Spielplan der Ligue 1 vor, der am Sonntagabend ein Heimspiel von AS Saint-Etienne vorsah. Und auch der Sonntagnachmittag konnte kurzweilig gestaltet werden, denn die 8. Pokalrunde stand auf dem Plan und so fieberte ich mit einigermaßen großem Interesse der Auslosung entgegen. Von den fünf Partien, die im Großraum Lyon stattfinden sollten, wurden zunächst drei auf den Sonntagnachmittag gelegt und so hatte ich die Qual der Wahl. Letztlich wurde das doch noch etwas umdisponiert und es verblieb nur eine einzige Begegnung. Später jedoch mehr davon…


    Die Nacht war kurz, der Wecker schalmeite unsanft um 4 Uhr und das Navi ächzte, dass ich mein Ziel in 806 km erreichen würde. Nicht der beste Morgen aller Zeiten…


    Dass die Eifel nervig ist, weiß ich. Dass sie so nervig ist, wusste ich nicht. Wann ziehen die endlich ne Autobahn durch das Scheißding durch? Und wo kommen auf nem Samstagmorgen um 6 die ganzen LKW her? Ich beschloss, das Beste aus der Situation zu machen und die Eifel als Trainingslager für die kommenden 500 km französische Landstraßen zu sehen, denn nur um eine Stunde zu sparen, waren mir die 30€ Maut für die französischen Autobahnen zu schade. Und außerdem will man ja was vom Land sehen…
    Nach Frühstücks- und Tankpause in Luxemburg ging es dann auch stramm in Richtung Metz und ich staunte nicht blöd, auf der Autobahn ein Tempolimit von 110 km/h zu haben, das sich auch auf den folgenden 150 km auf der mautfreien A31 durch das Elsass keinen Millimeter nach oben bewegte. Andererseits gab es alle paar km noch nervigere 90er-Zonen und noch viel nervigere Blitzer, die in Frankreich allerdings grundsätzlich großformatig angekündigt werden. Gleich die erste Begegnung mit einer französischen Landstraße stellte mich vor eine 4-spurig ausgebaute Nationalstraße. So kann’s weitergehen, dachte man sich so. Nur irgendwann war’s damit vorbei und die Route Departements machten deutlich, warum die Tour de France auch „Tour der Leiden“ genannt wird. Bergankünfte gibt’s schließlich bei jeder Radrundfahrt, aber wohl nur bei wenigen ist man auf so beschissenen Straßen unterwegs wie in Frankreich. Dazu kam, dass mein Navi zwei Ortsumgehungen noch nicht kannte. Was übrigens das Land und das Sehen angeht…sie haben gesagt, Frankreich wäre schön. Ich hätte mir gern ein eigenes Bild gemacht, allerdings hat es von Metz bis Lyon, also über 500 km durchgehend dichten Nebel gegeben.


    In Lyon war ich dann um kurz vor 3 am Nachmittag, passt also. Da ich für 2 Stunden bis zum Spiel nicht mehr groß in der Stadt rumlaufen wollte, parkte ich kurz einheimisch (d.H. quer auf Fußwegen, in Sträuchern, auf Wiesen), wie alle anderen auch, die zum Spiel wollten. Vor dem Stadion hatte man aber keine Eile, den wartenden Menschen Einlass zu gebieten. So blieb Zeit, sich das Szenario vor den Eingängen anzuschauen. Es gibt ja in Frankreich einen Regierungserlass, der landesweit im ganzen Kalenderjahr 2015 Auswärtsfans verbietet, zu den Spielen zu fahren, bzw. verbietet, die Gästetickets zu verkaufen. Begründet wurde dies mit den Terroranschlägen von Paris und den woanders dringender benötigten Polizeikapazitäten. Nur warum war bei dem Spiel in Lyon dann so massiv Bullerei unterwegs? Nicht über Gebühr viel, aber doch in etwa das, was auch normalerweise in Deutschland bei einem Bundesligaspiel herumhampelt. Und Cops in Maschinengewehren beim Fußball zu sehen, ist dann doch etwas surreal. Das Vergnügen hatte ich bisher nur einmal in der Ukraine beim 96-Spiel in Poltava.


    Die Tore öffneten 90 Minuten vor Anpfiff und die Taschenkontrolle konnte trotz Spiegelreflex-Kamera im Gepäck ohne Zwischenfälle überwunden werden. Allerdings war ich irgendwie am falschen Eingang, das Drehkreuz mochte meine Karte nicht. Also wurde ich von dem Security-Typen zum nächsten Eingang geschickt. Ich war mit dem Problem übrigens nicht alleine, vor mir hatten schon ca. 10 Leute das gleiche Vergnügen. Wenn man den richtigen Eingang auf die Karte mit draufgeschrieben hätte, hätte man sich das Theater ersparen können. Am richtigen Eingang war meine Kamera dann plötzlich ein nicht zu unterschätzendes Problem. Wechselobjektiv, ich könnte ja der Presse Fotos verkaufen, blabla…man kennt es aus der Bundesliga. Und jetzt versuch mal, nem Franzosen auf Englisch zu erklären, dass das am anderen Eingang eben gar kein Problem war. Das Problem war sein Englisch (oder mein Französisch) und so hab ich die Tasche halt mit einem etwas zwiespältigen Gefühl dagelassen. Als ob man nicht heutzutage mit jedem stinknormalen Smartphone halbwegs taugliche Aufnahmen machen könnte…


    [zum Stadion an sich gibt’s noch einen Stadiontest, daher fällt die Stadionbeschreibung an dieser Stelle mal aus.]


    Im doch sehr kompakten Stadion angekommen fiel mein Blick sogleich auf die zahlreichen Fahnen und Pappen, die auf den Sitzen bereitlagen. Diese wurden auch beim Anpfiff gebraucht, wobei eine Blockfahne auf meiner Südtribüne schon weit vor Anpfiff gezeigt wurde. Warum auch immer. Vor dem Anpfiff wurde zuerst der Stadionsprecher aktiv, der, von Trommelschlägen begleitet, das ganze Stadion zum Einklatschen animierte. Dieses quittierten alle vier Tribünen mit einem lauten „Ahu!“ (ja, genau das aus dem Film ‚300‘) und das klang schon mal recht brauchbar. Danach folgte ebenfalls vom ganzen Stadion eine nicht weniger eindrucksvolle Hüpfeinlage. Vom Stadionsprecher vorgegeben, kann man von halten was man will, aber in diesem gebotenen Rahmen mit Abschied und so weiter ist das meinetwegen ok. [Offenbar machen die das vor jedem Spiel, ich habe einige Videos bei YT dazu gefunden]


    Nach dem „Warmsingen“ wurde eine Choreographie präsentiert. Die Unterränge der Nord- und der Gegentribüne zeigten mit weißen Buchstaben die Worte „Stade“ und „Gerland“, die von blauen Tafeln eingerahmt wurden. Der Unterrang der Südtribüne zeigte eine große Blockfahne. Die Oberränge in Süd- und Nordtribüne wurden mit roten Papptafeln ausgestattet. Dazu wurde ein über drei Tribünen langes Spruchband präsentiert:


    tu es et resteras l'antre historique de l‘OL tes travées aux quelles nous sommes toujours restes fideles font de toi stade eternel
    [Google Übersetzer + sinnhafte Interpretation meinerseits: Sie sind und bleiben der historische Bau von Olympique, überspannt, um das, dem wir immer treu bleiben zu einer ewigen Bühne zu machen.]
    Das bezieht sich auf die historischen, unter Denkmalschutz stehenden Torbögen der Stadionfassade, die auch bei einem eventuellen Rückbau/Abriss des Stade Gerland erhalten bleiben. Der zweite Teil der Choreographie hüllte das ganze Stadion in ein blau-weiß-rotes Fahnenmeer.


    Angesichts der Rahmenbedingungen machte das Spiel irgendwie einen arg nebensächlichen Eindruck. Diesem konnten sich auch die Akteure von OL nicht erwehren. Zwar hatten sie gefühlt 80% Ballbesitz, aber der SCO Angers, diesjähriger Aufsteiger in die Ligue 1 und sensationeller Tabellendritter spielte ungefähr wie der SV Darmstadt 98. Hinten mauern, umfallen und Zeit spielen und vorne hilft der liebe Gott. Oder Standardsituationen, von denen eine schon nach 17 Minuten und mit einem Kopfball von der Strafraumgrenze ihren Weg ins Tor fand. OL rannte in der Folgezeit kopf- und sinnlos an und spät in der zweiten Halbzeit fing man sich durch eine Ecke den 0:2-Endstand. Gekrönt wurde das Spektakel von einem etwas überforderten Schiedsrichter, der OL ein Tor wegen einer lächerlichen Abseitsentscheidung aberkannt und einen „Kann-Elfer“ nicht gegeben hat. Wie gesagt, nebensächlich das alles. OL wird’s verschmerzen, die haben in der Saison eh ne Rumpeltruppe beisammen (sind ja nun auch als Gruppenletzter aus der Champions League geflogen) und Angers wird wohl in der Rückrunde doch noch ein paar Schwierigkeiten bekommen.


    In der Halbzeit wurde eins dieser üblichen Spiele veranstaltet. Diesmal auf dem Programm: Lattenschießen aus gut und gerne 45 Metern Entfernung. Er kam, sah und nagelte die Kugel an die Latte. Dies (und die 15.000€ Preisgeld) versetzten ihn völlig in Ekstase, ließen ihm einen Bauchklatscher nach dem Anderen auf den Rasen hinlegen und die gesammelte Fankurve skandierte seinen Namen. Nur mit Mühe konnte er von den Moderatoren wieder eingefangen werden, beruhigen wollte er sich aber immer noch nicht, er riss sich los und umarmte irgendeine TV-Moderatorin vor der Haupttribüne. Großartige Unterhaltung!


    Auf dem Rasen wurde nach dem Spiel ein Umbau gestartet und fünf eigenartig anmutende Gerüste wurden aufgestellt. In der Zwischenzeit wurden 65 (65 Jahre Stade Gerland) ehemalige Spieler von OL auf den Platz geführt, namentlich vorgestellt und mehr oder weniger von den Zuschauern abgefeiert. Auf die anschließende Ehrenrunde begaben sich nicht wie hier bei solchen Anlässen üblich die Ersatzspieler der Truppe, die im Jahr 1965 Tabellenfünfter geworden ist, sondern bei der Veranstaltung hat sich alles blicken lassen, was in der erfolgreichen Historie von Olympique Rang und Namen hat: Jean Tigana, Vikash Dhorasoo, Juninho, Gregory Coupet, Jeremy Toulalan, Jean Djorkaeff (Vater von Youri), Serge Chiesa, Bernard Lacombe – nur um mal einige zu nennen. Nach der Ehrenrunde wurde das Flutlicht ausgeschaltet…und dann brannte die Nordtribüne! Eine dreistellige Anzahl Bengalos wurde von den Bad Gones angezündet und verwandelte das stockdustere Stade de Gerland in ein Fackelmeer. Auch die gegenüber stationierten Supporters ließen sich nicht lange bitten und zündeten auf der Südtribüne ebenfalls ordentlich. Nach den Bengalos startete das „offizielle“ Verabschiedungsprogramm mit einem zweiminütigen „Trailer“ zum neuen Stadion und anschließend einem durchaus bemerkenswerten Feuerwerk auf dem Rasen. Trotz der Niederlage blieben bestimmt 95% der Zuschauer bis zum Ende, um sich das Spektakel anzuschauen.


    Nachdem ich meine Kamera wieder bei mir hatte, machte ich noch einen kurzen Abstecher in den Fanshop und bahnte mir dann den Weg durch ein biblisches Verkehrschaos zu meinem Auto. Das Navi trötete kurz darauf, dass sich der kürzeste Weg zum Hotel im Vorort Dardilly genau durch dieses Chaos bahnte. Aber der Franzos ist bei den geltenden Verkehrsregeln eh etwas entspannt und da das Spiel „Einheimischer“ vorhin beim Parken schon so gut geklappt hat, wandte ich dies jetzt erneut an: Astreine Chicago-Wende auf ner vierspurigen Schnellstraße und ab dafür auf die Umgehungsautobahn. Im Supermarkt am Hotel noch kurz das Abendessen erlegt und den Abend mit Fußball und Rugby im TV entspannt ausklingen lassen.


    Der Sonntagmorgen weckte mich mit strahlendem Sonnenschein und Temperaturen, die jegliche Winterbekleidung überflüssig machten. Nach einem ausgiebigen Frühstück im Hotel ging es bei 15 Grad und tollstem Wetter durch das hügelige Weinbaugebiet Coteaux du Lyonnais gemütlich in Richtung Südwesten, bis in die Kleinstadt Feurs, ca. 30 km nördlich von St. Etienne. In Feurs stand ein Pokalspiel auf dem Programm, der Tabellenführer der sechstklassigen Ligue Rhone-Alpes, der Hauts Lyonnais FC traf auf den ebenfalls sechstklassigen JS Saint Jean Beaulieu. Hauts Lyonnais ist eine Art Spielgemeinschaft bestehend aus fünf Dörfern aus dem oben erwähnten Weinbaugebiet westlich von Lyon. Der JS Saint Jean Beaulieu stammt aus einem Vorort von Nizza, gelegen auf einer kleinen Halbinsel im Mittelmeer. Wer sich mit der französischen Geographie etwas auskennt, weiß, dass das ungefähr 400 km voneinander entfernt ist (Luftlinie 330 km / Straßen 540 km laut Google Maps). Umso verdutzter habe ich geschaut, dass sich tatsächlich 40 Gästefans auf den Weg nach Feurs gemacht haben. Wie gesagt, wir reden hier von zwei Sechstligisten. Die allerdings wurden vom Mob der Dorfspielgemeinschaft locker in den Schatten gestellt. Hinter einer großen Fahne versammelten sich ca. 150 Supportwillige (!), die das Ganze auch die vollen 90 Minuten konsequent durchzogen. Eine Entschädigung für die etwas missglückte Choreo und den affigen Rauchtopf, den sie vor dem Spiel verschämt hinter einer Zypressenhecke außerhalb des Stadions gezündet haben.


    Insgesamt haben sich ca. 900 Zuschauer im Stade Maurice Rousson eingefunden, um sich bei immer noch bestem Fußballwetter einen packenden Pokalfight anzuschauen. Und diese wurden nicht enttäuscht, sondern erlebten zwei Mannschaften auf Augenhöhe und für eine sechste Liga war das Niveau durchaus zu gebrauchen. Der Gast aus Beaulieu nutzte bereits den ersten Abwehrfehler nach gut 6 Minuten für die Führung und erhöhte im Lauf der ersten Halbzeit etwas unverdient auf 2:0. In der zweiten Halbzeit wurde das Spiel mit offenem Visier geführt, es gab teilweise ordentlich auf die Hölzer. Als Hauts Lyonnais sein Engagement 10 Minuten vor Schluss mit dem Anschlusstreffer belohnte, wollte ein Gastspieler den Ball nicht herausrücken. Daraufhin bildete sich im Tornetz ein Handgemenge eindrucksvoller Größe. Sichtlich angefressen darüber, dass er sein gerade erworbenes Sandwich nun sich selbst überlassen musste, sprang ein Stadionordner mit ein paar Kollegen über den Zaun aufs Spielfeld, um die Störenfriede zu trennen. Der Schiedsrichter stand interessiert schauend daneben und überlegte sich, wer nun alles an der gelben Karten nuckeln durfte. Die tapfer kämpfenden Lyonnaisen (Rhünanesen, Polonäsen) wurden für ihr Offensivspektakel am Ende nicht belohnt. In der 92. Minute setzte der Gast mit einem Konter zum 1:3 jeglicher Hoffnung und diesem hochinteressanten Spiel ein jähes Ende. Für 5€ Eintritt hat das mal richtig Spaß gemacht! Die nächste Anreise des JS Saint Jean Beaulieu wird übrigens etwas entspannter. Sie dürfen in der 9. Pokalrunde beim nur 12 km entfernten AS Monaco antreten.


    Für mich ging es danach weiter nach Saint Etienne zum letzten Spiel des Wochenendes. Vorher stand aber die Nahrungsaufnahme auf dem Plan und eine Tankstelle bräuchte ich so langsam auch mal. Am besten eine mit Personal, denn die Tankautomaten hatten irgendwie keine Lust auf meine EC-Karte. Oder ich war einfach nur zu doof, das will ich nicht abstreiten. Die Suche nach einer besetzten Tanke gestaltete sich aber schwieriger als erwartet und nach schier ewiger Suche in Saint-Etienne fand ich tatsächlich eine, war aber etwas überfordert, da es dort unterschiedliche Zapfsäulen für Bar- und Kartenzahlung gab. Natürlich stellte ich mich erst an die falsche und wunderte mich, warum denn das Benzin alle ist. Die leidlich englisch sprechende Tankstellen-Tante versuchte mir dann mit Händen und Füßen zu erklären, dass ich an die andere Säule müsste. So ein blödes System…


    Bevor ich ein zweites blödes System kennen lernen durfte, hatte ich einen kurzen panischen Anflug, denn hinter mir heulte plötzlich eine Polizeisirene auf. So wurde ich erstmal etwas langsamer, konnte dann aber durchatmen, als mich neben dem Polizeiauto noch ein weiteres Auto überholte, das von den Cops rausgewunken wurde. Erklär mal drei französischen Polizisten auf Englisch, was du in deren Land zu suchen hast. Blödes System und so…


    Aber wo wir gerade von blöden Systemen sprechen, auch der Hühnerbaron KFC hat so ein System in Frankreich im Einsatz. Wusste ich nicht, erklärte einem niemand und so stand ich erstmal 10 Minuten wie Falschgeld vor der Theke rum und wunderte mich, warum mich niemand bedienen wollte, ehe mir langsam dämmerte, dass man für die Essensbestellung zwangsläufig an einen dieser Computer gehen muss. Immerhin konnten die Dinger Englisch.


    Welche Vollgeige pfeift Ligaspiele eigentlich sonntags um 21 Uhr an? Die unfassbar viele Zeit, die es nun totzuschlagen galt, kann man wunderbar im imposanten Fanshop des AS Saint-Etienne vertrödeln, der laut Eigenwerbung 700 verschiedene Artikel in allen möglichen Variationen führt und sich vor den führenden Bundesliga-Fanshops nicht verstecken muss.


    [Stadionbewertung wieder separat]


    Im Stadion angekommen lernte ich zuerst mal, meine Sitzwahl im Oberrang der Gegentribüne zu verteufeln. So unfassbar viele Stufen hat man nicht mal in diesem Schlauchboot zu Fröttmaning, wenn man dort den Gästeblock erreichen will. Weder das Drumherum, noch das Spiel vermochten irgendwen zu fesseln und ASSE und Stade Rennais trennten sich schiedlich – friedlich 1:1


    Auf der Rückfahrt gönnte ich mir spontan doch die Autobahn. 30€ für die Genehmigung, 435 km Auto fahren zu dürfen. Immerhin waren die Autobahnen in vorzeigbarem Zustand und hey, sobald man zahlt, d.h. auf den mautpflichtigen Strecken, ist dann plötzlich ein 130er Tempolimit. Auf den „freien“ Autobahnen ist grundsätzlich nur 110 angesagt. Das ganze Thema hätte ich mir aber auch sparen können, denn wenn man montags morgens um 7 Uhr bei Köln ist, hat man ein gewaltiges Problem: Köln! Da kann man fast 2.000 km fahren und nur zum tanken und pissen anhalten, spätestens in Köln hat dich die Realität wieder und so dauerten die letzten 100 km mal eben fas t 2 Stunden und machten den auf der Autobahn rausgefahrenen Zeitvorteil gekonnt zunichte.

    Nanakorobiyaoki

  • Was macht man, wenn man feststellt, dass Aue noch mehr am Arsch der Heide ist, als sowieso schon gedacht und man keinen Bock hat, nur für so ein Kackspiel um 5 Uhr aufzustehen? Richtig, man plant einfach das ganze Wochenende in der Gegend und nachdem mir ein kaputtes Auto im Jahr 2012 schon unser Europapokalspiel in Wroclaw versaut hat, musste auch endlich mal ein Spiel in Polen auf dem Plan spielen. Dazu kam noch, dass Ricardo: mir ja schon länger mal gesagt hat, dass ich unbedingt mal ins Plache müsste und zufällig sollte Lok am Sonntag noch gegen Carl-Zeiss spielen. Zur Vervollständigung des Programms wurden noch zwei Spiele in Polen ins Programm genommen und das erste davon sollte mich am Freitagabend nach Legnica führen…


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    Los ging’s um 8 Uhr und mit netten und gesprächigen Mitfahrern ausgestattet, fühlten sich die 6 Stunden bis Dresden gar nicht mal so lang an. Dank einer aus Bautzen stammenden Arbeitskollegin wurde ich mit Insidertipps für eine kurze Mittagspause ausgestattet, die ich dankend entgegen nahm. Wenn man auf einem Freitagnachmittag halbwegs entspannt über die A4 Richtung polnische Grenze zuckelt, hat man Gelegenheit, die schöne Landschaft in der Oberlausitz bestaunen zu dürfen. Kurz hinter der Grenze war es mit dem Bestaunen der Landschaften dann schlagartig vorbei. Nicht, weil die Landschaft nun plötzlich unfassbar hässlich wäre, nein, viel mehr machte ich sogleich Bekanntschaft mit dem eigenartigen Humor polnischer Straßenmeistereien. Eine Tagesbaustelle pflegt man hierzulande ja rechtzeitig anzukündigen, gerade wenn eine Spur reduziert wird. In Polen kündigt man sowas auch an, allerdings geschätzt 150 Meter vorher (und natürlich nur rechts der Fahrbahn), was den Transporter vor mir zu einem kleinen Zwischenspurt veranlasste, um sich gerade so zwischen zwei LKW auf der rechten Spur zu retten und mich zu einem interessanten Bremsmanöver zwang, das ungefähr 15 Meter vor der Absperrung endete. Der restliche Weg bis nach Legnica verlief ereignislos, mich wunderte nur, dass Legnica – immerhin 100.000 Einwohner - nicht direkt(er) an die Autobahn angebunden wurde. Von der Autobahn fährt man noch 10 km durch die Prärie und zwar – Großstadt und so – auf einer einspurigen Landstraße, die noch so viel Humor besaß, mit einem Stopschild auf einen unbeschrankten und ungesicherten Bahnübergang hinzuweisen.


    In Legnica selbst begrüßte einen erstmal der etwas heruntergekommene Chic aus 50 Jahren Ostblock, ergänzt durch 25 Jahre weitgehendes Nichtstun. Aber das sollte nur der erste Eindruck sein und heruntergekommene Außenbezirke gibt’s auch in westdeutschen Städten zur Genüge. Einmal auf der Ringstraße, konnte man sich gleich einen viel besseren Eindruck der Innenstadt verschaffen, hatte Blick auf das barocke Rathaus und die durchaus eindrucksvolle Marienkirche aus dem 12. Jahrhundert. Weiter führte mich mein Weg am neumodischen Einkaufszentrum vorbei, das so aussieht, wie es halt überall aussieht, in eine kleine Seitenstraße. Dort lag mein Domizil, das Hotelik Parkowa. Park(owa)plätze gab’s ausreichend vor dem Hotel und diese waren praktischerweise am Wochenende kostenfrei. Der Eingangsbereich des Hotels begrüßte mich mit abgewohntem Ostblockcharme und die Rezeption sah aus wie ein altes DDR-Wohnzimmer und wahrscheinlich roch es damals in den Wohnzimmern der zugigen und unsanierten Altbauten Leipzigs ähnlich. Die Vorzüge der Bleibe: Es war sauber. Punkt. Machen wir uns nichts vor, das Beste an dem Ding war die Lage je 300 Meter vom Bahnhof, von der Altstadt und dem Stadion entfernt. Und die Tatsache, dass es inkl. Frühstück nur ca. 22€/Nacht kostete. Das Frühstück entpuppte sich am nächsten Morgen als relative Lachnummer, denn es war zwar prinzipiell genug Auswahl, nur war um halb 8 von der Auswahl schon nur noch ein kümmerlicher Rest vorhanden. Nun ja, schnell die Tasche ins Zimmer geworfen und die Wertsachen verstaut (bester Tipp einer Hotelbewertung war zweifellos der, die Wertsachen aus dem Auto zu nehmen und das Handschuhfach offen stehen zu lassen) und dann wollte erstmal einheimische Währung gesichert werden. Kein Problem, Geldautomaten stehen in Polen an jeder Ecke, in jedem Kiosk und an jeder Tanke. Nur wollte das dumme Ding nichts rausrücken, was mich im Angesicht des näher rückenden Anpfiffs panisch bei meiner Bank anrufen ließ. Was ich nicht wusste, (also die haben mir das garantiert mal irgendwann irgendwo mitgeteilt, aber wer liest schon alles Kleingedruckte?) ist, dass man seit Dezember nur noch mindestens 50€ von der Kreditkarte abheben kann. Ich stelle mir die Regel bei einem Vietnam-Urlaub witzig vor, mit 50€ kann man da ja fast ein Jahr lang überleben.



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    Das Stadion Orla Bialego – benannt nach der angrenzenden Allee - war ebenfalls nur 300 Meter Fußweg entfernt und dieser führte mitten durch den idyllisch angelegten Stadtpark, in dessen Mitte sich das Stadion befand. Sinnigerweise gab es pro Tribüne ein Kassenhäuschen. Vor der jeweiligen Tribüne. Da ich keine Lust auf die Haupttribüne hatte, stiefelte ich kurz auf die gegenüberliegende Seite und ehe ich mich überhaupt an der Kasse anstellen konnte, quatschte mich ein Typ von der Seite an, der auf Nachfrage aber immerhin Englisch konnte. Er hätte noch ne Karte übrig und ich sollte ihm im Stadion ein Bier ausgeben, dann wäre sie mein. Nach einer Kosten-Nutzen-Analyse im Nanosekundenbereich stimmte ich zu, scheiterte dann aber am Bier- und Bratwurstmann, der so aussah, als ob er selbst sein bester Kunde wäre. Seine Kollegin sprach aber (sogar relativ gut) deutsch und so wechselten 6 Zloty den Besitzer und ich hatte für umgerechnet 1,40€ eine Karte. Erst später wurde mir bewusst, dass ich mitten im Familienblock gelandet bin, der in Legnica sogar a) sehr groß, b) sehr gut besucht und c) sehr aktiv im Support war. So gab es einige Wechselgesänge zwischen Supporter und Familienblock zu bestaunen. Außerdem bereitete man kurz nach Anpfiff eine Stoffbahnen-Choreo vor, die man – warum auch immer – mitten in der ersten Halbzeit präsentierte. Auch vom restlichen Support war ich sehr angetan. Die 80 Mann auf ihrer zugigen Hintertortribüne gaben von Anfang an Vollgas und unterstützen ihre Mannschaft immer wieder mit kurzen, lauten Sprechchören und Anfeuerungsrufen und verzichteten dankenswerterweise komplett auf irgendwelchen Dauersingsang.


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    Bei dieser Partie begegneten sich der MKS Miedz Legnica und Znicz Pruszkow aus einem Vorort von Warschau. In Pruszkow ging vor 10 Jahren der Stern eines gewissen Robert Lewandowski auf, während Miedz eine Schnittmenge zu Hannover 96 aufweist. Wie 96 konnte man in der Saison 1991/92 den nationalen Pokal gewinnen und 2014 war Dariusz Zuraw kurzzeitig Trainer von Miedz, das übrigens übersetzt ‚Kupfer‘ heißt und stellvertretend für die ganze Region steht. Bis heute ist eine Kupferhütte größter Arbeitgeber der Stadt.


    Es war eben eine polnische Zweitligapartie, bei der der Gastgeber ganz klar die höheren Ambitionen hegt. Miedz war vor dem Spiel Tabellensiebter und befand sich mit 3 Punkten Rückstand und noch 8 auszutragenden Spielen in Lauerstellung auf einen Aufstiegsplatz, während Znicz die Hoffnungen auf den Klassenerhalt fast begraben kann. In der 18er-Liga fehlen dem Tabellensiebzehnten zur Zeit 7 Punkte auf einen Nichtabstiegsplatz, außerdem kann Znicz eine desaströse Tordifferenz von -23 vorweisen.


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    Der Kader von Miedz hatte neben ehemaligen (U-) Nationalspielern ehemaliger Ostblockstaaten auch einen US-Amerikaner und Keon Daniel im Kader. Letzterer absolvierte bisher knapp 60 Länderspiele für Trinidad & Tobago. Außerdem steht da noch Marquitos im Kader, ein abgehalfterter Spanier, der vor 10 Jahren bei Villarreal scheiterte und seitdem eine beeindruckende Tingeltour durch die Niederungen des spanischen Ligasystems, die zweite Liga Polens und die erste Liga Bulgariens hinter sich hat und sich jetzt in Legnica ein paar Almosen verdient. Almosen sind auch ein gutes Stichwort für Lukasz Gargula, der mittlerweile 36 Jahre alt ist und 2008 beim EM-Spiel gegen Deutschland immerhin mal im Kader war und zumindest in der polnischen Liga eine durchaus beeindruckende Scorerquote aufweisen kann. Das Rückgrat des Teams bildeten aber zwei Finnen, der solide Abräumer Petteri Pennanen und der für diese Liga eigentlich viel zu gute Petteri Forsell (war auch mal in Aalen und in Bielefeld beim Probetraining), der als 10er eingesetzt wird und in dieser Saison bereits beeindruckende 21 Scorerpunkte sammeln konnte. Bei dem hat man auch direkt gesehen, dass der richtig was am Ball kann und wenn es im Spiel gefährlich wurde, lief es meist über den schmächtigen Finnen, der ein bisschen ausschaut, wie Gaetan Krebs in groß.


    So auch in der 10. Minute, als eine von Forsell gestartete, durchaus sehenswerte Kombination aus verschiedenen Flachpässen letztlich bei Jakub Vojtus landete, der den Ball aus 10 Metern mit der Hacke (!) am verdutzt dreinschauen Gästekeeper vorbei ins Netz legte. Überhaupt lief der Ball bei Miedz ziemlich flüssig über das Feld und Znicz beschränkte sich darauf, ihre interessant flambiert gestalteten Trikots staunend daneben zu stellen und einige Male die gute, alte Mittelfeldgrätsche zu entstauben. Bis auf die 39. Minute, als deren 10er einen gewaltigen Freistoß aus gut 30 Metern auf’s Tor hämmerte, dessen Abpraller der Stürmer in Frank-Mill-Manier mit dem Knie am leeren Tor vorbeistolperte, war’s das mit Offensivbemühungen der Gäste, die nur noch zu einer einzigen Chance kamen und sich dafür beim Schiedsrichter bedanken können, dass er nicht gesehen hat, wie der Angreifer ca. 3 Meter im Abseits stand. Gargula setzte in der ereignisarmen zweiten Hälfte den einzigen Glanzpunkt, indem er in der 57. Minute eine schlecht geklärte Ecke weitergestochert bekam und keine Mühe hatte, aus 8 Metern zum 2:0-Endstand einzunetzen.


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    Miedz wird in dieser Form ein ernstzunehmender Kandidat für den ersten Aufstieg der Vereinsgeschichte sein und sollte tatsächlich der Sprung in die Ekstraklasa gelingen, würde das nicht mal unbedingt den sofortigen Wiederabstieg bedeuten. Von den 12 Aufsteigern der letzten 6 Jahren musste nur einer direkt wieder absteigen. Das Niveau des polnischen Fußballs mag zwar international maximal zweitklassig sein, ist in sich aber relativ ausgewogen.


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    Nun war mein vorher ausgetüftelter Plan, sich nach dem Spiel in der Stadt irgendwas Essbares zu suchen, nur die ca. 3 m² große Krakauer, die ich in der Halbzeit erstanden habe, hätte auch genauso gut einen Gefangenentransport nach Sibirien zwei Monate lang ernähren können. Ich habe die Zeit bis zur einsetzenden Dunkelheit also genutzt, mir die Innenstadt etwas anzuschauen und dass hier ein behutsam restauriertes, gemütliches Städtchen auf einen wartet, war angesichts der eher industriell geprägten Umgebung nicht wirklich zu erwarten. Natürlich wurde auch in Legnica, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, viel umgestaltet und hier waren es eben in erster Linie die Sowjets, die ihre sozialistischen Architekturvorstellungen eingebracht haben, was sich nicht immer verleugnen ließ, insgesamt hat’s mir in Legnica aber doch schon gut gefallen. Nach dem einstündigen Spaziergang durch die Stadt, suchte ich im Hotel-TV verzweifelt einen Sportsender. Da ich keinen fand, ließ ich den Abend mit der polnischen Ausgabe von ‚Dancing with the Stars‘ ausklingen.


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    Nanakorobiyaoki

  • Schöner Bericht! Dafür erstmal vielen Dank


    Außerdem bereitete man kurz nach Anpfiff eine Stoffbahnen-Choreo vor, die man – warum auch immer – mitten in der ersten Halbzeit präsentierte.


    Das ist in Polen normal, da werden Choreos meist während des Spiels präsentiert. Keine Ahnung warum, aber kommt eigentlich auch ganz gut, vor allem wenn man dabei im Hinterkopf hat, dass die Choreo ja als optischer Support verstanden wird. Nur nehmen die Spieler es während des Spiels vermutlich deutlich weniger wahr als vor dem Spiel.

    "Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag. Lass dich einfach von ihr tragen, denk am besten gar nicht nach"

    - Christian Drosten

  • Kalt war’s die Nacht, denn die Heizung im Zimmer wurde selbst auf volle Pulle gedreht nur maximal handwarm und ihre Schwester im Bad war von vorn herein nur als Dekorationsobjekt ausgelegt. Nach dem überschaubaren Frühstück, das ich schon entsprechend gewürdigt hatte, machte ich mir mal einen Plan, wie ich am geschicktesten nach Aue komme. Ich muss ja ehrlich gestehen, dass ich die Entfernungen in Sachsen bei der groben Tourenplanung massiv unterschätzte und ich schaute ziemlich doof aus der Wäsche, als ich irgendwann feststellte, dass zwischen Legnica und Aue mal eben 300 km lagen. Mein Auto wollte auch noch kurz frühstücken und dann ging es ab ins Bergdorf und ich fragte mich schon, warum ich nicht vorher auf die Idee gekommen bin, mal nen polnischen Radiosender einzuschalten. Feinster 90er Eurotrash, von No Mercy (kennt die noch wer?) über 2 Unlimited bis zu den Frühwerken von Celine Dion war alles dabei, was kurzzeitig Rang und Namen hatte und wurde von mir entsprechend gefeiert. Da ich meine Zeit eher großzügig geplant hatte, fuhr ich kurz vor der Grenze von der Autobahn und kurvte einmal durch Görlitz und den polnischen Zwilling Zgorzelec und stellte erschrocken fest, dass Görlitz ja sogar richtig schön ist. Und zumindest mir war es bisher verborgen geblieben, dass Görlitz nach dem 2. Weltkrieg zwischen Deutschland und Polen geteilt wurde. Weit weniger schön ist dagegen Chemnitz, das mein Zwischenstop werden sollte. Eine Freundin hat mich gefragt, ob ich sie am Bahnhof einsammeln und mit nach Aue nehmen kann.



    Ich kann mit dieser Stadt nichts anfangen. Ich war bisher 3x da und habe bewusst jedes Mal einen anderen Weg in die Stadt genommen, aber irgendwie werde ich mit dem Kaff nicht warm. Das könnte auch an den Graffitis gelegen haben, die hier weit mehr als anderswo rechtes Gedankengut vorzeigen, oder an den vielen Thor-Steinar-Aufklebern, die sich vorrangig an alten verrosteten Opel Astra-Kombis fanden. Oder einfach nur an der Stadt selbst. Der Weg nach Aue dauerte eine gute halbe Stunde, aber da es dann doch schon kurz nach 12 war, wollte ich eigentlich direkt am Stadion parken. Dieser Plan wurde von den Cops zunichte gemacht, die mir den Weg zum Gästeparkplatz wiesen. Ich sollte immer geradeaus fahren, was mir dann irgendwann so vorkam, wie in BS der Weg über diese Brücke, die damals etwas auf sich warten ließ. Auf dem Parkplatz angekommen, stellte sich dieser als bessere Kiesgrube heraus, die aufgrund der mächtigen Regenfälle einige Stunden zuvor, beeindruckende Schlammlöcher anzubieten hatte. Noch viel beeindruckender fand ich allerdings, dass zwei Bergbewohner in Warnweste für dieses Schlammloch tatsächlich noch 5€ von mir haben wollten. Dazu reichten sie mir ein Parkticket, das ich ich – so der väterliche Rat dieses Ureinwohners – doch bitte mitzuführen habe, da dieses auch gleichzeitig die Eintrittskarte für den Shuttlebus sein wollte. Offenbar gibt es ein nicht zu unterschätzendes Shuttlebus-Schwarzfahrpotential durch heimische Ommas, das man mit diesem Ticket eindämmen wollte. Müßig zu erwähnen, dass sich dann am Bus selbst überhaupt niemand für dieses Ticket interessierte. Im Bus regte ich mich noch immer über die Unverschämtheit auf, mir für so eine Kiesgrube 5€ Parkgebühr abgeknöpft zu haben und so merkte ich erst kurz vor der Ankunft, dass meine Eintrittskarte im Auto ihren wohlverdienten Mittagsschlaf hielt. Ausverkauft war es zum Glück nicht, sodass ich mir am Stadion dann halt noch ne Karte gekauft habe. Der Trend geht eben zur Zweitkarte…


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    Auch Aue baut ja um und so führte mich mein Weg über schlammige Pfade zum Einlass und dann in den Gästeblock. Ich habe allerdings auf dem Absatz kehrt gemacht, als ich festgestellt habe, dass es nur einen Eingang für die Butze gibt und ich vor Anpfiff noch mein Mittagessen sichern wollte. Allerhand Auswahl war ja vorhanden (später mehr davon im Stadiontest) und so führte mich mein Weg an die Grillbude, an der ich Zeuge eines hervorragenden Spektakels wurde. Die Bedienung scheint nicht die hellste Kerze auf der Torte gewesen zu sein und war allgemein schon überfordert, wie die Wurstwagenbesatzung auf dem nächsten Dorfschützenfest. Jedenfalls mit dem Kopfrechnen hatte sie es nicht so. Von einem Kunden bekam sie 8€ für 3 Bratwürste (Stückpreis 2,50€) und war der Meinung, dass er ihr zu wenig Geld gegeben hat. Große Lust zu Diskutieren hatte sie nicht, aber die 8€ wollte sie irgendwie auch nicht mehr rausrücken, was den 96er, der erstaunlich gelassen reagierte, nun den Chef verlangen ließ. Verzweifelt wurde jetzt der Jens gesucht. Jens ist der Logistiker und der Logistiker scheint in Aue jemand zu sein, der a) Ahnung, oder b) was zu sagen hat. Bei uns zuhause sitzt der Logistiker auf’m Gabelstapler. Jens kam übrigens dann nicht mehr und wie diese Episode ausgegangen ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis, denn der Anpfiff nahte und irgendein Fuchs hat dem bestimmt 30 Meter breiten Gästeblock nur ganz links einen Eingang spendiert, sodass ich mich komplett durch den ganzen Block kämpfen musste, nur um dann ganz rechts dort zu stehen, wo die schon fertig gebaute Hälfte der neuen Tribüne gut ¼ des Spielfeldes verdeckte. Aber Hauptsache, die Karten mal nicht als „sichtbehindert“ verkauft.Und auch die Bude, die irgendwelche findigen Rentner vor Jahren bis Jahrzehnten in den Hang über der Gästekurve geklöppelt hatten – und die auch immer noch fleißig besucht wird, muss wohl demnächst umziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man von dort noch großartig viel vom neuen Stadion sehen wird.


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    Das Spiel.. ach, ja…das Spiel. 7 Spiele ohne Gegentor und dann kommt Aue und die Abwehr macht ihren altbekannten Freischwimmer. Man kann sich bei Tschauner bedanken, dass es zur Halbzeit nicht 3:1 für Aue stand und man immerhin ein 1:1 in die Pause retten konnte. Die 2. Halbzeit war zwar besser, aber immer noch scheiße und außer dem 2:1 nach Flanke (!) von Füllkrug (!!) kam von 96 gar nix mehr. Es kam, wie es kommen musste – Aue warf in der 94. Minute (3 Minuten waren angezeigt) alles nach vorne und ein abgefälschter Sonntagsschuss fand den Weg ins Netz. Ganz groß war der Typ, der einen Rauchmelder mit im Gästeblock hatte und damit kurz vor dem Ausgleich "Stimmung" gemacht hat.



    Nach dem Spiel kämpfte ich mich durch die Menschenmassen zum Ausgang, wo die gewohnt durchsagefreundliche Sächsische Polizei schon ihren Lautsprecherwagen aufgefahren hatte und routiniert den Weg zu den Shuttlebussen verkündete. Ich wunderte mich noch kurz, dass auf einem der Busse, die zum Bahnhof fuhren, der Parkplatz angeschlagen war, machte mir darüber jedoch keine weiteren Gedanken, denn die Busse zum Parkplatz fuhren ein wenig außerhalb des Geländes. Später erreichte mich noch eine Nachricht, dass die vorhin in Chemnitz eingesammelte Freundin von den Cops zum falschen Bus geleitet wurde, sich auf diesem Parkplatz wiederfand und ihren Zug nur noch mit einem amtlichen Zwischenspurt noch bekommen hat.



    Ich hatte freilich andere Sorgen, denn am Auto angekommen zeigte die Uhr 15:02 und um 18:00 sollte im 312 km entfernten Lubin das nächste Spiel stattfinden. Gut, dass auf der schier endlosen Landstraße vom Stadion zur Autobahn keine Blitzer stehen und ich wusste bisher auch nicht, dass mein Auto GPS-gemessene 214 km/h schafft, obwohl im Fahrzeugschein als Vmax 190 angegeben ist. Ebenso gut, dass der Pole an sich ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu seinem allgemeinen Tempolimit pflegt. Es heißt ja immer, „fahr wie ein Einheimischer und alles ist gut“. Nun, das war einige Male durchaus herausfordernd, denn Lubin, immerhin 70.000 Einwohner groß und laut Wikipedia einer der bedeutendsten Industriestandorte Schlesiens ist 50 km von der nächsten Autobahn entfernt. Eine Tatsache, die einem nicht unbedingt behagt, wenn man einem ambitionierten Zeitplan hinterherfährt. Dazu muss man noch folgendes wissen: Das generelle Tempolimit auf einspurigen Landstraßen beträgt in Polen 90 km/h. Viel schneller will man auf den Dingern auch nicht unbedingt fahren, denn der direkte Weg nach Lubin führt nicht etwa über gut ausgebaute Nationalstraßen, sondern über Wege, die hier eher niederrheinischen Kreisstraßen entsprechen würden. Nur mit mehr Bodenwellen. Das hinderte die Polen aber nicht daran, mich reihenweise mit 120 km/h und mehr ein paar Meter vor schlecht einsehbaren Kurven zu überholen. Und ich will nicht behaupten, mich an dieses Tempolimit gehalten zu haben. Schlagartig wurde mir bewusst, warum an den Straßenrändern so viele Kreuze standen.



    Man macht sich ja auf so einer Fahrt allerhand Gedanken, vornehmlich drehen sie sich darum, ob die im Webshop angezeigten 1.500 noch verfügbaren Karten bis zu meiner Ankunft ausreichen würden und ob es in der Nähe dieser Kiste einen Parkplatz gibt, oder ob ich mich noch 2km entfernt in die Prärie stellen müsste. Am Ende kam ich tatsächlich lockere 20 Minuten vor Anpfiff am Stadion an und der (kostenlose) Parkplatz war nur einen Steinwurf von der Haupttribüne entfernt. Dummerweise hat sich irgendein schlauer Mensch überlegt, die einzigen Kassenbuden des Stadions auf die Seite der Gegentribüne zu bauen. Mit Glück fand ich dort eine Kassentante, die sogar recht gut Englisch sprach, ich kam aber nicht um die Registrierungsprozedur herum, die ich überstehen musste, nachdem die junge Dame mich gefragt hat, ob ich zum ersten Mal da wäre. Offenbar muss man sich mit der Ausweisnummer registrieren, wenn man in Polen Tickets für ein Erstligaspiel kaufen will. Nachdem dies geschafft war, und sie mir auch den besten Platz empfohlen hat (in diesem Fall der mit dem kürzesten Weg zum Eingang), wollte sie 10 Zloty von mir haben, was mich verdutzt den nebenan aushängenden Stadionplan checken ließ, betrug der Normalpreis in der günstigsten Kategorie doch 25 Zloty. Sie händigte mir Karte und Ausweis aus und sagte mit einem bezaubernden Lächeln „for your first time here“, sie hatte mir nämlich einfach irgendeine Kinderkarte für eben diese 10 Zloty verkauft. Hach, ich mag Polen… :)


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    Die Einlasskontrolle war kurz vor dem Spiel von entspannter Natur, am Eingang bat die Ultragruppierung noch schnell um ein paar Zloty und 5 Minuten vor Anpfiff war es geschafft. Nur wenn man drei Stunden durchbrettert, kommt einer Tatsache eben keine besondere Aufmerksamkeit zu: Dem Harndrang! Also nach dem Anpfiff kurz in die sehr saubere Keramikabteilung verschwunden und natürlich gleich das 0:1 der Wroclawer durch deren Kapitän Piotr Celeban verpasst. Nicht verpasst habe ich hingegen den klarsten nicht gegebenen Elfmeter der jüngeren Menschheitsgeschichte. In der 15. Minute lief Lubins Zentralstürmer Arek Wozniak seitlich in den Strafraum und wurde vom zweiten Innenverteidiger Adam Kokoszka mit fünf Metern Anlauf herzhaft weggegrätscht. Danach holte er sich für die vermeintliche Schwalbe noch die gelbe Karte ab. Hatte ich Spaß… ;D



    Wozniak ließ sich das nicht lang gefallen, denn er besorgte nach einer guten halben Stunde den Ausgleich. Lubin durfte sich vor’m Strafraum ein paar Mal den Ball zuspielen, während die Slask-Abwehr nur interessiert zuschaute und es war eben Wozniak, der den Ball letztlich mit einem Linksschuss am rechten Innenpfosten platzierte. In der Bundesliga hätte aber selbst ein Felix Wiedwald wenig Stress mit diesem Ball gehabt.


    Das Duell auf den Rängen ging derweil ganz klar an die Heimmannschaft. Das schon allein deshalb, weil Slask außer einem Bus voll Rentner überhaupt nichts dabei hatte. Das hat mich dann schon etwas enttäuscht, zumal es ja das Niederschlesien-Derby war und die Blöcke rund um den Gästeblock aus Sicherheitsgründen überhaupt gar nicht verkauft wurden. Ich weiß nicht, wen oder was die erwartet haben. Den Leibhaftigen persönlich, oder sonst was. Jedenfalls kam dieses Etwas nicht und das ganze Sicherheitskonzept wirkte für ein paar Familien mit Schals doch etwas überdimensioniert. Das hatte allerdings den positiven Nebeneffekt, dass die Heimfans nicht über’s ganze Stadion verstreut waren, sondern sich doch relativ dicht gedrängt auf der Heimkurve und der Gegengerade einfanden und dieser Umstand war wiederum der Stimmung im Heimbereich sehr zuträglich. Diese war wie tags zuvor in Legnica sehr schön oldschool und vor allem 90 Minuten lang richtig laut. Garniert wurde das Ganze mit mehreren Wechselgesängen, Hüpfeinlagen zu denen sich auch die Gegengerade nicht lange bitten ließ, und einer großen Blockfahne mittig der 1. Halbzeit, die allerdings vornehmlich dazu genutzt wurde, sich darunter schnell mal zu maskieren und dann nach 35 Minuten ein paar Bengalos zu zünden. Den Bossmove des Abends haben sie sich aber für die zweite Halbzeit aufgespart: Man stellte sich hin und trommelte mit den Händen rhythmisch an der Rückenlehne des Vordermanns. Nach ca. einer Minute, in der der ganze Block bei dem Spektakel mitgemacht hat, sind dann einfach alle kollektiv ausgerastet. Ganz stark!


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    Zwischendrin wurden immer mal wieder andere Vereine mit Sprechchören gefeiert. Da einige Vereine, u.A. Odra Opole zu freundschaftlichen Zaunfahnen passten, reimte ich mir zusammen, dass einfach aller befreundeten Vereine gehuldigt wurde. Nur irgendwie scheint Zaglebie mit der halben Liga befreundet zu sein, ich sah neben Fanzeug von Odra auch Schals von Arka Gdynia, Polonia Bytom und dem ehemaligen Zweitligisten Zawisza Bydgoszcz, der sich nach einem Lizenzentzug zu Beginn der Saison in Liga 8 wiedergefunden hat.


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    Auf dem Rasen konnte das Geschehen das hohe Niveau des Supports zu keiner Zeit mitgehen. Beide hatten bis auf ihre Tore nur wenige Chancen und auch nicht wirklich Lust, dieses Spiel zu gewinnen. Schon gar nicht, als nach 70 Minuten ein gewaltiger Platzregen einsetzte, der mit einigen Windverwehungen die ersten 10 Reihen der Gegentribüne mal komplett unter Wasser gesetzt hat. Gut, dass ich mich in der Halbzeit auf meinen eigentlichen Platz recht weit oben verkrochen hatte. Gerade von Zaglebie habe ich das verhaltene Angehen des Spiels nicht verstanden, denn für die ging es sogar noch um etwas, an diesem letzten regulären Spieltag. Dazu musste der Tabellenzehnte aus Lubin aber gewinnen, um noch unter die ersten Acht zu kommen. In Polen ist die Saison nach 30 Spielen nicht vorbei, danach wird die Tabelle in zwei Hälften geteilt und die erzielten Punkte der Mannschaften werden ebenfalls geteilt. Die Plätze 1-8 spielen dann 7 Spiele lang (1x jeder gegen jeden) die Meisterschaft aus, wobei der erste Platz nach der regulären Spielzeit als „Belohnung“ einen Platz in der CL-Quali sicher hat. Die Plätze 9-16 spielen nach dem gleichen Verfahren die beiden Absteiger aus. Ein Sieg hätte Zaglebie auf den 8. Tabellenplatz katapultiert, dort rangiert jetzt Korona Kielce mit einem Torverhältnis von -16 punktgleich mit Zaglebie, die die reguläre Spielzeit nun auf dem 10. Platz beendet haben. Ich vermute mal, dass der direkte Vergleich dort vorrangig zählt. Fun-fact: Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Bremer Torhüterlegende Dieter Burdenski die Anteilsmehrheit an Korona Kielce übernommen hat. Vielleicht sollte er sich selbst nochmal ins Tor stellen, dann wäre das Torverhältnis vielleicht etwas positiver.


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    Nach dem Spiel beeilte ich mich, einem neuerlichen Wolkenbruch zuvor zu kommen und mein Auto zu erreichen. Einmal drin war es mir dann auch egal, dass es locker ne halbe Stunde gedauert hat, ehe ich vom Parkplatz kam. Ähnlich lange benötigte ich für die gut 20 km zurück nach Legnica, denn die dort hinführende Staatsstraße war eine einzige Baustelle. Wenn ich das richtig erkannt habe, bauen sie jetzt zumindest mal eine Schnellstraße von der Autobahn, an Legnica vorbei nach Lubin.


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    Im Hotel angekommen, begab ich mich mal wieder auf die Suche nach einem geeigneten Programm und blieb bei einer polnischen Synchronisation von CSI-irgendwas hängen. In Polen scheint man nicht so zu synchronisieren, wie wir es gewohnt sind, sondern die haben einen Sprecher, der alle Rollen gleichzeitig spricht, dabei lassen sie aber das englische Tonsignal im Hintergrund mitlaufen. Der Typ hat mich mit seiner sonoren Hörspielstimme dann auch nach kurzer Zeit in den Schlaf gemurmelt…

    Nanakorobiyaoki

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